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Psychotherapie & Sozialwissenschaft Heft 4/1999
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1/1999 - 2/1999 - 3/1999 - 4/1999 - Übersicht
Bergmann, Jörg (1999):
Diskretion in der psychiatrischen Exploration - Beobachtungen über
Moral in der Psychiatrie. In: Psychoth.Soz. 1(4), S. 245-264.
abstract: Der Autor
präsentiert eine konversationsanalytische Studie über ein spezifisches
Frageformat, das regelmäßig in psychiatrischen Aufnahmegesprächen
angewandt wird. Er zeigt, daß die Fragen, mittels derer Psychiater
einen potentiellen Patienten bei der Aufnahme explorieren, einen
spezifischen Zuschnitt haben, der durch Indirektheit und Vorsicht
gekennzeichnet ist und den Eindruck von "Diskretion" vermittelt. Diese
Diskretion resultiert sowohl aus der Form des Redezugs als auch aus der
Wahl der lexikalischen Elemente. Zwischen beiden besteht, wie der Autor
zeigt, eine bemerkenswerte Symmetrie: Um die institutionell vorgegebene
Aufgabe der Exploration taktvoll und diskret zu erledigen, greifen
Psychiater zu einem indirekten Aktivitätstypus ("fishing") und benutzen
eine indirekte Referenzform ("Litotes"). Der Autor weist nach, daß
diese Form der Diskretion im Verhalten der Psychiater von den
potentiellen Patienten in einem medizinischen, aber auch in einem
moralischen Bezugsrahmen verstanden und beantwortet werden kann und
somit von Ambiguitäten gekennzeichnet ist. Es wird die These vertreten,
daß unter dem Mantel medizinischer Neutralität und Besorgtheit die
moralische Vorgeschichte der Psychiatrie als Sinnstruktur nach wie vor
präsent ist und offen thematisiert und diskutiert werden sollte.
Hildenbrand, Bruno (1999): Was
ist für wen der Fall? Problemlagen bei der Weitergabe von Ergebnissen
von Fallstudien an die Untersuchten und mögliche Lösungen. In:
Psychoth.Soz. 1(4), S. 265-280.
abstract: Fallstudien mit
Individuen oder Primärgruppen wie z.B. Familien durchzuführen stellt
für diese eine Zumutung dar. Diese besteht darin, daß in der
Feldforschung eine Praxisform eröffnet wird, bei der sich das
grundlegende Sozialitätsprinzip von Gabe und Gegengabe methodologisch
notwendig in einem Ungleichgewicht befindet. Denn es kann nicht davon
ausgegangen werden, daß das Ergebnis einer Fallstudie unmittelbar
nützlich für die Verbesserung der Lebenspraxis der Untersuchten sein
kann. Die Übersetzung wissenschaftlicher Untersuchungsergebnisse in die
Lebenspraxis ist Aufgabe dafür ausgebildeter Professioneller. Dieser
Bruch von Reziprozität kann mit verschiedenen Mitteln repariert werden,
wofür nach Möglichkeit bereits im Forschungsdesign vorgesorgt werden
soll. Er kann aber nicht vollständig beseitigt werden. Statt dessen
müssen adäquate Rahmen für die Vermittlung von Untersuchungsergebnissen
außerhalb des Interaktionszusammenhangs Forscher/Untersuchte geschaffen
werden.
Kossen, Wilfried (1999): Ein
Verleumder vor Gericht - die Gestaltung einer Fernsehdiskussion mit
Daniel J. Goldhagen. In: Psychoth.Soz. 1(4), S. 281-299.
abstract: Der Artikel basiert
auf der Transkription einer Fernsehdiskussion mit Daniel J. Goldhagen
im September 1997. Kurz zuvor hatte das Erscheinen von Goldhagens Buch
"Hitlers willige Vollstrecker" hitzige Debatten in der deutschen
Öffentlichkeit hervorgerufen. Mit Bezug auf die Metapherntheorie von
George Lakoff und Mark Johnson untersucht diese Arbeit die
metaphorischen Konzepte, nach denen die Redebeiträge der beteiligten
Personen strukturiert sind. Auf dieser Grundlage werden kommunikative
Manöver identifiziert, durch die versucht wird, Daniel Goldhagen zu
diskreditieren. Nicht der Inhalt seiner Thesen wird diskutiert, sondern
die Frage verhandelt, ob er mit diesen das deutsche Volk verleumdet hat.
Neumann, Michael (1999): Ein
Fall von Gewalt. Ein soziologischer Kommentar zu Situation, Motiv und
Gelegenheit. In: Psychoth.Soz. 1(4), S. 300-308.
abstract: "Es geschah in der Nacht zum 13. September in Leeuwarden, der
Hauptstadt der niederländischen Provinz Friesland: Tjoelker war mit
seiner Verlobten auf dem Nachhauseweg vom eigenen Polterabend, als er
vier jungen Männern begegnete, die gerade ein Fahrrad in eine Gracht
warfen. 'Benehmt euch!' rief Tjoelker den Männern zu. Die stürmten ihm
im Pulk entgegen, warfen ihn zu Boden, schlugen und traten ihn, während
Tjoelkers Braut verzweifelt versuchte dazwischenzugehen. Die Angreifer
ließen nach ein paar Minuten von ihrem Opfer ab und genehmigten sich
erst einmal einen nächtlichen Imbiß. Zu der Zeit starb Tjoelker im
Krankenhaus an seinen Kopfverletzungen." - die Täter: "Junge,
unauffällige Familienväter bürgerlicher Herkunft und mit fester
Stellung." (FAZ, 5.1.1998, Nr.3, S.27)
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