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systemagazin Zeitschriftenarchiv: Soziale Systeme Heft 2/2011
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1/2011 - 2/2011 - Übersicht
Goeke, Pascal & Roland Lippuner (2011): Editorial: Geographien sozialer Systeme. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 227-233
Goeke, Pascal & Evelyn Moser (2011): Raum als Kontingenzformel der Geographie. Zu den Ausdifferenzierungsbesonderheiten und schwierigkeiten einer Disziplin. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 234-254.
abstract: Die (Human-)Geographie ist eine bemerkenswerte Disziplin. Organisatorisch ist sie relativ gut etabliert, doch ihre Forschungsbeiträge spielen in der Wissenschaft eine untergeordnete Rolle. Diese Leistungs- und Erfolgsdifferenz legt grundsätzlich eine stärkere Differenzierung zwischen dem Forschungsfeld einer Disziplin und ihrer Etablierung als Fach nahe. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung kann erstens verdeutlicht werden, dass es der Geographie auf der Grundlage ihrer Kontingenzformel Raum nicht gelungen ist, ihre Gegenstandsorientierung durch eine distinkte forschungsfeldkonstituierende Problemstellung zu ersetzen. Diese Schwierigkeit lässt sich aus systemtheoretischer Perspektive auf die Dualität von Raum als Medium und Materie sowie auf das Primat funktionaler Differenzierung und den damit verbundenen thematischen Zuständigkeiten sozialwissenschaftlicher Disziplinen in der modernen Gesellschaft zurückführen. Ausgehend von der Annahme der steten Relevanz von Raum erscheint die Geographie stattdessen als Disziplin multipler Orientierung. Ihre dennoch erfolgreiche Etablierung als Fach, so die zweite These, fußt auf außerwissenschaftlichen Anlehnungskontexten (hauptsächlich Bildung), über die gesellschaftliche Legitimität hergestellt wird.
Pott, Andreas (2011): Die Raumordnung des Tourismus. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 255-276.
abstract: Der Beitrag widmet sich einem von der soziologischen Theoriebildung bisher kaum beachteten Kommunikationszusammenhang: dem modernen Tourismus. Angesichts seiner Globalisierungsdynamik und vielfältiger Raumbezüge überrascht, dass auch die raumtheoretische Debatte der letzten Jahre den Tourismus weitgehend ausgespart hat. Dies nimmt der Beitrag zum Anlass, mit systemtheoretischen Mitteln nach der Funktionalität des Kommunikations- und Wahrnehmungsmediums Raum im touristischen Kontext zu fragen. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung lautet: Für die Entstehung, Ausdifferenzierung und Reproduktion des modernen Tourismus sind räumliche Unterscheidungen und Formbildungen konstitutiv. Warum dies so ist und in welcher Weise Raum strukturbildend wirkt, lässt sich im Rahmen einer gesellschaftstheoretischen Bestimmung des Tourismus zeigen. Hierbei wird sowohl die zentrale Rolle von Organisationen als auch die besondere Bedeutung des Raums als Medium der touristischen Erwartungsbildung deutlich. Genauer untersucht wird das Beispiel städtetouristischer Semantiken und ihrer durch Territorialisierung erzeugten Ordnungen. Die Ausführungen verstehen sich als ein Beitrag zur Theorie des Tourismus. Zugleich demonstrieren sie exemplarisch das analytische Potential eines medientheoretischen Raumkonzepts.
Kaldewey, David (2011): Das Realitätsproblem der Sozialwissenschaften: Anmerkungen zur Beobachtung des Außersozialen. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 277-307.
abstract: Die aus einer lebensweltlichen Perspektive selbstverständliche Einbettung der Gesellschaft in eine natürliche und räumliche Umwelt hat in den Sozialwissenschaften immer wieder zu Debatten über den jeweiligen epistemischen Status der sozialen und der außersozialen Realität geführt. Die Rahmung dieser Kontroversen durch den Gegensatz von »Realismus« und »Konstruktivismus« hat sich jedoch als unbefriedigend erwiesen. Der vorliegende Beitrag schlägt vor, das Thema begrifflich neu zu umreißen. In einem ersten Schritt wird gezeigt, dass das Realitätsproblem der Sozialwissenschaften nicht mit dem Realitätsproblem der Philosophie gleichgesetzt werden darf. Daraufhin wird schrittweise versucht, die Frage nach dem Verhältnis von sozialer und außersozialer Realität mit dem Vokabular der soziologischen Theorie zu präzisieren. Dazu werden verschiedene sozialwissenschaftliche Problemkontexte unterschieden und miteinander in Beziehung gesetzt: Das Emergenzproblem, das Mikro/Makro-Problem und die wissenssoziologische Unterscheidung von »harten« und »weichen« Strukturen. Im Verlauf der Darstellung werden außerdem handlungstheoretische und systemtheoretische Konzeptionen von sozialer Realität verglichen.
Lippuner, Roland (2011): Gesellschaft, Umwelt und Technik: Zur Problemstellung einer „Ökologie sozialer Systeme“. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 308-335.
abstract: In der Theoriediskussion der Sozialwissenschaften zeichnet sich in jüngerer Zeit eine verstärkte Aufmerksamkeit für Natur, Umwelt und die Materialität der Dinge ab. Die Systemtheorie nach Luhmann spielt bei dieser Diskussion bisher jedoch keine große Rolle. Das muss umso mehr erstaunen, als die Theorie sozialer Systeme im Grunde eine Theorie der System/Umwelt-Differenz ist. In diesem Beitrag soll deshalb geprüft werden, welches Theorieangebot die Systemtheorie für die Auseinandersetzung mit Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihrer materiellen Umwelt macht. Dazu wird zuerst nachgezeichnet, wie die Systemtheorie die zentrale Problemstellung ökologischer Betrachtungen mit dem Begriff der strukturellen Kopplung konzeptualisiert. Dabei geht es insbesondere darum, Implikationen dieses Konzeptes im Hinblick auf die Umweltabhängigkeit sozialer Systeme und deren Anpassung an Umweltgegebenheiten herauszuarbeiten. Vor diesem Hintergrund sollen schließlich, die von Luhmann präferierte sprachliche Kopplung von Kommunikation und Bewusstsein genauer betrachtet und weiterführende Mechanismen der strukturellen Kopplung von Gesellschaft und Umwelt gesucht werden. Das Ziel dieser Auseinandersetzung ist es, auf diese Weise die Problemstellung einer „Ökologie sozialer Systeme“ zu skizzieren.
Mayer, Julia, Swen Zehetmair & Jürgen Pohl (2011): Die Systemreferenz bei der Beobachtung des gesellschaftlichen Umgangs mit Naturrisiken. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 336-360.
abstract: Ausgehend von der Forderung Armin Nassehis, dass sich die Potentiale systemtheoretischen Denkens nur durch empirische Forschung ausloten lassen, werden im vorliegenden Beitrag forschungspraktische Herausforderungen bei der Untersuchung des gesellschaftlichen Umgangs mit Naturrisiken dargestellt. Empirische Forschung zum gesellschaftlichen Umgang mit Naturrisiken unter systemtheoretischen Prämissen lässt ein „Operationalisierungsproblem“ zu Tage treten, das sich im Verhältnis der Systemtypen Funktions- und Organisationssysteme widerspiegelt. Anhand von empirischen Forschungsergebnissen zu Risikoentscheidungen und Risikomanagement werden die Bedeutung der Wahl der Systemreferenz und die damit einhergehende Beobachtung von Organisationen als Multireferenten in der Umwelt der Funktionssysteme betont. Der Differenzierung von Funktions- und Organisationssystemen ist in theoretischer Hinsicht eine größere Beachtung zu schenken, um hinsichtlich empirischer Forschungen Risikoentscheidungen in sozialen Systemen beobachtbar zu machen. Die konsequente Trennung von System und Umwelt ist die Voraussetzung für systemtheoretisch inspirierte empirische Hazardforschung, die neue Erkenntnisse über den gesellschaftlichen Umgang mit (Natur-)Risiken ermöglicht.
Werber, Niels (2011): Raumvergessenheit oder Raumontologie, Latour oder Luhmann? Zur Rolle der Systemtheorie in einer (medien)geographischen Kontroverse. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 361-372.
abstract: Die Systemtheorie luhmannscher Prägung kennt keine Raumdimension des Sinns. Dies hat zumal in den Medienwissenschaften zum Vorwurf der Raumvergessenheit geführt. Dagegen wird in Teilen der Humangeographie die systemtheoretische Annahme, beim Raum handle es sich um eine ausschließlich auf soziale Systeme zuzurechnende Konstruktionsleistung, ausdrücklich begrüßt und ihrerseits gegen eine Mediengeographie in Stellung gebracht, die den Raum als Agenten im Sinne Latours traktiert. In dieser Kontroverse um Raumvergessenheit oder Raumontologie werden nicht nur Stärken und Schwächen der systemtheoretischen Konzeptualisierung des Raums sichtbar, sondern auch mögliche Alternativen, die die Akteur-Netzwerk-Theorie ins Spiel gebracht hat. Sie sind der Systemtheorie nicht völlig unbekannt, sondern führen die Diskussion um Dinge und Objekte, Räume und Körper zurück zu Überlegungen, die Luhmann in Die Kunst der Gesellschaft angestellt hat.
Broquet, Julien (2011): Political deparadoxification through structural coupling in the EU: a reinterpretation of the Stability and Growth Pact. In: Soziale Systeme 17 (2): S. 373-397.
abstract: Der Aufsatz schlägt vor, auf der Basis der Luhmannsschen Theorie eine Reinterpretation des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU vorzunehmen. Die Argumentation basiert auf theoretischen Weiterentwicklungen, die innerhalb der neueren Systemtheorie im Zuge der Beschäftigung mit europäischen Studien vorgenommen worden sind. Es wird argumentiert, dass „ungleiche Europäisierung“ sozialer Systeme (Jachtenfuchs) als ein anderer Ausdruck für funktionale Differenzierung zu strukturellen Änderungen innerhalb sozialer Systeme führt und zu einer Redefinition von Kopplungsprozessen in Europa. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein besonders augenfälliges Beispiel dafür. Deshalb wird der Eurostabilitätspakt im vorliegenden Text als eine strukturelle Kopplung von ökonomischem und politischem System analysiert. Ein genauerer Blick auf seine Entstehung führt dabei zu einer Verteidigung der Ansicht, dass es fruchtbar sein könnte, ihn aus einer polykontexturalen Perspektive zu betrachten, wie es im europäischen Kontext generell sinnvoll erscheint, strukturelle Kopplungen verstärkter in den Blick zu nehmen. Auf der Basis des Luhmannsschen Konzepts der Entparadoxierung sozialer Systeme durch die Bezugnahme auf ihre Umwelt wird eine Interpretation des Eurostabilitätspakts vorgenommen, nach der der Ausgangspunkt des Pakts trotz einer vermeintlichen ökonomischen Intention im Wesentlichen in dem politischen Prozess einer Entparadoxierung durch die Bezugnahme auf das ökonomische System liegt.
Rapior, Ralf (2011): Globalisierung der Funktionssysteme. Rezension von Philip Thelen (2011): Vergleich in der Weltgesellschaft. Zur Funktion nationaler Grenzen für die Globalisierung von Wissenschaft und Politik. Bielefeld (transcript). In: Soziale Systeme 17 (2): S. 398-401
Baecker, Dirk (2011): Interaktion mit Bildern. Rezension von Inge Hinterwaldner (2010): Das systemische Bild: Ikonizität im Rahmen computerbasierter Echtzeitsimulation. München (Wilhelm Fink). In: Soziale Systeme 17 (2): S. 401-404
Cevolini, Alberto (2011): Der Preis der Zukunftsbeobachtung. Rezension von Albert Schug (2011): Der Versicherungsgedanke und seine historischen Grundlagen. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Soziale Systeme 17 (2): S. 404-407
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