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Familiendynamik Heft 3/2004
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1/2004 - 2/2004 - 3/2004 - 4/2004 - Überblick
Hochschild, Arlie (2004): Die Warenfront - Zur Kommerzialisierung des privaten Leben. In: Familiendynamik 29(3): S. 185-208.
abstract:
In diesem Aufsatz untersuche ich die Reaktionen von Studierenden
auf eine Anzeige, in der im Internet eine Stelle angeboten wurde, bei
der eine weibliche Bewerberin viele Aufgaben übernehmen sollte, die
normalerweise von einer Ehefrau übernommen werden - sie sollte
beispielsweise Rechnungen bezahlen, als Gastgeberin fungieren,
Reisebegleiterin spielen, »sinnliche Massagen« geben und vertrauliche
Mitteilungen für sich behalten. Ich fragte die Studierenden, inwiefern
und warum sie diese Anzeige irritierte. Meines Erachtens liegt die
Antwort nicht darin, dass die Kommerzialisierung des Privatlebens ein
neues Phänomen wäre, sondern darin, dass wir a) von der Existenz einer
kulturellen Sphäre ausgehen, die vom Markt getrennt ist, b) im Hinblick
auf die Form und Kontinuität unserer Familie und des Lebens in der
Gemeinschaft immer unsicherer sind, c) die Rolle der Ehefrau und Mutter
als »unerschütterlicher Fels« des Familienlebens zunehmend
fetischisieren und d) es eine neue »Mami-Industrie« gibt, die diese
Rolle in Frage stellt.
König, Tomke und Andrea Maihofer (2004): »Es hat sich so ergeben« -
Praktische Normen familialer Arbeitsteilung. In: Familiendynamik 29(3):
S. 209-232.
abstract:
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die gegenwärtig
unstrittige These, wonach Familie immer weniger als eine
selbstverständliche gesellschaftliche Konvention gelebt wird. Paare,
die Kinder bekommen, müssen heute individuell »herausfinden«, wie sie
die Haus-, Erziehungs- und Erwerbsarbeit aufteilen und organisieren
wollen. Empirische Forschungen zeigen, dass es zur Regelung des Alltags
immer komplexerer Verständigungsprozesse bedarf. Doch diesen
Untersuchungen zufolge erfasst die »Modernisierung« nicht gleichermaßen
das Denken und Handeln der Individuen. Entgegen einem egalitären
Selbstverständnis der sozialen Akteure setzen sich in ihrem
alltäglichen Handeln immer wieder traditionelle Muster
geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung durch. Im ersten Abschnitt problematisieren wir die dieser These
zugrunde liegende ideologiekritische Trennung von Denken und Handeln
und erläutern unsere eigene ideologietheoretische Perspektive. Aus
dieser Perspektive wird ein spezifisches empirisches Vorgehen und
Material erforderlich, das wir in einer Pilotstudie entwickelt haben.
Anhand eines Beispiels aus dieser Studie illustrieren wir, wie sich die
Prozesse gestalten können, in denen ein spezifisches Arrangement
innerfamilial entsteht, und welche Kriterien dabei eine Rolle spielen.
Im Anschluss daran beschreiben wir, wie dieses Paar die Arbeit konkret
teilt. Überprüft wird dabei, ob sich diese Arbeitsteilung gegen den
ausdrücklichen Willen der Beteiligten durchsetzt. Die ungleiche
Struktur und Aufteilung der Erziehungsarbeit erweist sich als das
Ergebnis eines komplexen Geflechts von Absprachen, gemeinsam gefundenen
Kompromissen, eingespielten Gewohnheiten, von unterschiedlichen
Wünschen, Fähigkeiten und Vorstellungen. Eine besondere Rolle spielen
dabei die verschiedenen Vorstellungen und Erwartungen innerhalb der
einzelnen Individuen. Im letzten Abschnitt beschäftigen wir uns
schließlich mit der Frage, was es für die Einzelnen heißt, Familie
»herstellen« zu müssen.
Burkart, Günter (2004): Selbstreflexion und Familienkommunikation. Die
Kultur virtuoser Selbstthematisierung als Basis der Modernisierung von
Familie. In: Familiendynamik 29(3): S. 233-256.
abstract:
In den Sozialwissenschaften wurde in den letzten beiden
Jahrzehnten viel über Individualisierung debattiert. Man konzentrierte
sich dabei auf Fragen von Wahlmöglichkeiten, Enscheidungsautonomie,
Bastelbiografie u. Ä.; um die Frage, wie das Individuum sich selbst
thematisiert und reflektiert, ging es nur am Rande. Die folgenden
Ausführungen setzen hier an. Selbstthematisierung wird verstanden als
eine von drei Dimensionen der Individualisierung, die zunächst kurz
skizziert werden (1). Hintergrundthese ist die Vermutung, dass
kulturelle Formen von Selbstbeobachtung und Selbstreflexion an
Bedeutung gewonnen haben. Es folgt eine Skizze von Techninken und
Institutionen der Selbstthematisierung (2), bevor dann von »Virtuosen
der Selbstthematisierung« die Rede ist - Personen, die in besonderer
Weise geschult sind, sich zu beobachten und auf das eigene Selbst zu
achten, das eigene Leben kontinuierlich reflexiv zu thematisieren (3).
Abschließend (4) wird gefragt, was dieses Entwicklung für die Familie
bedeuten könnte. Bestimmte Formen der Selbstthematisierung, so die
allgemeine These, ist für Gemeinschaften wie Paarbeziehungen und
Familien wichtig; die Familie kann den Individualismus produktiv
integrieren, der sonst häufig mit ihrem Untergang in Verbindung
gebracht wird, wenn er etwa mit narzisstischer Selbstverwirklichung
gleichgesetzt wird.
Hildenbrand, Bruno (2004): Fallrekonstruktive Familienforschung und
Familientherapie: Die Sequenzanalyse in der Genogrammarbeit. In:
Familiendynamik 29(3): S. 257-287.
abstract:
Es wird hier eine Perspektive der Genogrammarbeit vertreten,
derzufolge Genogramme sich nicht dafür eignen, Familiengeschichten neu
zu erzählen und aus der Beschreibung von Wiederholungen von
Familienkonstellationen und Familienereignissen auf Regelhaftigkeiten
zu schließen. Auch halten wir die Vermischung von »objektiven«
Genogrammdaten mit Deutungen der im Genogramm vorkommenden Personen
nicht für hilfreich. Wir vertreten die Auffassung, dass Genogramme in
der Abfolge »objektiver Daten« wie Geburts- und Todestag, Beruf,
Wohnort, Heirat das Ergebnis von Entscheidungen in lebenspraktisch zu
bewältigenden Krisen vor dem Hintergrund objektiv gegebener
Möglichkeitsräume sind. Diese wie auch die sukzessive getroffene Wahlen
gilt es Schritt für Schritt, also sequenzanalytisch, zu rekonstruieren,
an jeder Sequenzstelle gedankenexperimentell Handlungs- und
Entscheidungsmöglichkeiten zu entwickeln und mit den tatsächlich
getroffenen Entscheidungen zu konfrontieren, um so ein Muster zu
entdecken, das es ermöglicht, den Grad der lebenspraktischen Autonomie
eines Familienzusammenhangs zu beschreiben. Dieses kann dann in einem
zweiten Schritt mit den Deutungen, die die Akteure selbst entwickelt
haben, verglichen werden.
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