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systemagazin Zeitschriftenarchiv: Soziale Systeme Heft 2/2009
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1/2009 - 2/2009 - Übersicht
Holzer, Boris & Johannes F.K. Schmidt (2009): Theorie der Netzwerke oder Netzwerk-Theorie? In: Soziale Systeme 15 (2): S. 227-242.
abstract: Ausgehend von der Beobachtung, dass der Netzwerkbegriff einerseits in den letzten Jahren innerhalb wie außerhalb der Wissenschaften eine beispiellose Erfolgskarriere durchlaufen hat, er aber andererseits gerade dadurch an begrifflicher Schärfe zu verlieren droht, fragt der Beitrag nach der Möglichkeit einer theoretisch kontrollierten Begriffsverwendung. Die im wesentlichen empirisch orientierte soziologische Netzwerkforschung (SNA) hat hierzu lange Zeit ebenso wenig beigetragen wie die aus der Physik stammende, an das Theorem der „small world“ anschließende interdisziplinäre Forschung. Für eine soziologischen Respezifizierung des interdisziplinären Netzwerkbegriffs stellt sich die Frage, ob eine Netzwerktheorie als Alternative zu bestehenden Theorieprogrammen aufgefasst wird und der Netzwerkbegriff dementsprechend als ein Grundbegriff zu verstehen ist, oder ob soziale Netzwerke nur als Gegenstände soziologischer Forschung zu berücksichtigen und dabei die Begrifflichkeiten etablierter Paradigmen allenfalls entsprechend zu ergänzen sind. Als paradigmatische Fälle für diese Problemstellung werden die konstruktivistische Netzwerktheorie Harrison Whites und die Systemtheorie Niklas Luhmanns angeführt, wobei trotz der grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangsannahme beider Ansätze eine Reihe von Berührungspunkten identifiziert werden können.
Tacke, Veronika (2009): Differenzierung und/oder Vernetzung. Über Spannungen, Annäherungspotentiale und systemtheoretische Fortsetzungsmöglichkeiten der Netzwerkdiskussion. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 243-270.
abstract: Ausgehend von der Beobachtung, dass es soziale Systeme und soziale Netzwerke im empirischen Sinne „gibt“, die entsprechend einschlägigen soziologischen Theorieansätze aber grundbegrifflich unvereinbar sind, fragt der Beitrag nach Möglichkeiten und produktiven Perspektiven, beide Phänomene gleichwohl zusammenhängend zu beschreiben. Im heuristischen Rückgriff auf die Theoriefigur des Wiedereintritts von Differenzen (Re-entry) wird im ersten Schritt eine Pluralität der Beschreibungsmöglichkeiten von Systemen und Netzwerken anhand vorliegender Argumente auf beiden Theorieseiten rekonstruiert. Die als Effekt der Re-entries offengelegten Zusatzperspektiven und Spannungen werden im zweiten Teil als nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch relevante Gesichtspunkte rekonstruiert und als Möglichkeit und Herausforderung einer auch theoretisch weiterführenden Beschreibung von sozialen Netzwerken im Kontext der Systemtheorie sichtbar gemacht.
Baecker, Dirk (2009): Systems, Network, and Culture. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 271-287.
abstract: Der Aufsatz vergleicht die Theorien sozialer Systeme und sozialer Netzwerke im Hinblick auf ihre jeweilige Problemstellung. Die Systemtheorie konzentriert sich auf Probleme der Differenz und Reproduktion, während sich die Netzwerktheorie mit Problemen der Identität und Kontrolle beschäftigt. Erstere hat es mit Fragen der Kommunikation, letztere mit Fragen der Handlung zu tun. Um diese unterschiedlichen Akzentsetzungen zu verstehen, mag es sinnvoll sein, sich daran zu erinnern, dass die Systemtheorie ein Zeitgenosse der Erfindung des Computers ist, während die Netzwerktheorie trotz älterer Wurzeln ihren Erfolg der Einführung des Internets und damit einhergehender Phänomene verdankt. Der Aufsatz vergleicht die beiden Ansätze im Hinblick auf Fragen der mathematischen Modellierung, der Kultur und der Selbstreferenz, die interessanterweise eng miteinander zusammenhängen. Der Beitrag schließt mit einer Erinnerung an Bronislaw Malinowskis „wissenschaftliche Theorie der Kultur“ und macht einen Versuch, diese mithilfe einer Spencer-Brown-Gleichung mathematisch zu modellieren. Man erhält die Form der Unterscheidung von Kommunikation, Bewusstsein und Leben und damit das Netzwerk drei reproduktionsfähiger Systeme.
Fuhse, Jan (2009): Die kommunikative Konstruktion von Akteuren in Netzwerken. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 288-316.
abstract: Der Aufsatz verknüpft die Theorie sozialer Netzwerke von Harrison White und anderen mit der Kommunikationstheorie von Niklas Luhmann. Netzwerke als Sinnstrukturen entstehen aus der Logik des Kommunikationsprozesses, indem Kommunikation als Handeln auf personale Identitäten zugerechnet wird. Auf diese Weise werden Akteure als relativ stabile Einheiten mit Dispositionen zu bestimmten Handlungen konstruiert. Damit kristallisieren in der Kommunikation Erwartungen über das aufeinander bezogene Verhalten von Akteuren in relationalen Narrativen (‚stories’). Soziale Beziehungen lassen sich darauf aufbauend als soziale Systeme fassen, die mehrere Interaktionsepisoden überspannen und strukturieren, und in denen Kommunikation vor allem an der Mitteilungskomponente in vorangegangener Kommunikation ansetzt. Soziale Netzwerke bilden damit die Verknüpfung von kommunikativ konstruierten Akteuren in relationalen Stories bzw. dyadischen Sozialsystemen. Sie sind als Sinnstrukturen selbst Produkte des Kommunikationsprozesses und stabilisieren und verändern sich in diesem.
Morgner, Christian (2009): Weltmedienereignisse als Netzwerke. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 317-344.
abstract: Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit dem Phänomen des Weltmedienereignisses. Die soziologische Forschung hat sich bisher sowohl auf theoretischer wie empirischer Ebene nur zaghaft mit diesem Begriff auseinandergesetzt. Ziel ist es deshalb, anhand einiger empirischer Beispiele (11. September 2001, Attentat auf John F. Kennedy, Untergang der Titanic) entsprechende Begrifflichkeiten zur Beschreibung dieses Phänomens zu erarbeiten. Dabei ist die spezifische Eigenlogik zu analysieren, die die Generierung solcher Ereignisse ermöglicht. Neben Mitteln der Systemtheorie greift der Aufsatz auch auf Überlegungen der Netzwerktheorie (Harrison White) zurück. Anhand von Termini wie Netdom, Hyperzyklus, Leitdifferenz etc. entwickelt der Text ein umfangreiches Inventar an Begriffen zur Beschreibung von zeitlichen, sozialen und sachlichen Aspekten von Weltmedienereignissen.
Fuchs, Stephan (2009): The Behavior of Cultural Networks. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 345-366.
abstract: Bis vor kurzem hat sich die Netzwerkforschung kaum um die kulturelle Dimension von Netzwerken gekümmert, und die Systemtheorie sieht Kultur lediglich als semantisches Korrelat und Echo sozialer Strukturen. Demgegenüber wird hier vorgeschlagen, Kulturen als Netzwerke eigener Art zu verstehen, und deren Verhalten netzwerktheoretisch zu analysieren. So differenzieren sich kulturelle Netzwerke beispielsweise in Kernbereiche und Peripherien aus, mit unterschiedlicher charakteristischer Phänomenologie. Im Kern kultureller Netzwerke findet sich ein robuster und dogmatischer Realismus, zumal dann, wenn das Netzwerk Monopolstellung einnimmt und eine hierarchische Ordnung von oben beherrscht.
Laux, Henning (2009): Bruno Latour meets Harrison C. White. Über das soziologische Potenzial der Netzwerkforschung. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 367-397.
abstract: Der Beitrag widmet sich einem Vergleich der soziologischen Ansätze von Bruno Latour und Harrison C. White. Damit werden zwei Autoren in einen Dialog verwickelt, die in der Forschungsliteratur bislang merkwürdig indifferent nebeneinander stehen. Im Rahmen einer konfrontativen Lektüre werden zentrale Divergenzen, Konvergenzen und Komplementaritäten zwischen den beiden Netzwerktheorien sichtbar. Die bislang implizit (und explizit) vertretene These einer Unvereinbarkeit muss bei genauerer Betrachtung suspendiert werden. In der Gegenüberstellung wird zudem der netzwerktheoretische Beitrag zur soziologischen Theoriebildung entfaltet. Es zeigt sich, dass White und Latour bereits in der gegenwärtigen Bauphase ihrer Theoriegebäude einige innovative und plausible Alternativen zur etablierten Soziologie anbieten können.
Braun, Norman & Thomas Gautschi (2009): Soziale Netzwerke und Rational Choice. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 398-427.
abstract: Entsprechend einer weitverbreiteten Ansicht stellen soziale Netzwerke und ihre Eigenschaften für die Rational-Choice-Theorie gegebene, unabhängige Variablen dar. Allerdings bilden die Entstehung, Stabilisierung und Veränderung von sozialen Netzwerken und ihre Folgen seit geraumer Zeit Schwerpunkte der Erklärungsbemühungen von Rational-Choice-Theoretikern. Dies wird im folgenden Beitrag für die Entstehung von Tauschmustern und Aufteilungen von Tauschgewinnen, die Etablierung und Fortführung von Vertrauensbeziehungen sowie die Partnerwahl und Kooperation in Netzwerken erläutert.
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