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Vorabdruck aus Christoph Zimmermann & Bernhard Muhler: Ressourcen der systemischen Organisationsentwicklung: Lösungsorientierte Ansätze in der Praxis
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Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2010 (September)
260 S., kartoniert
Preis: 24,95 €
ISBN-10: 3896709275 ISBN-13: 978-3896709271
Verlagsinformation: Der Umgang mit und die Anpassung an Veränderungen entwickeln sich zu einem Wettbewerbsfaktor für Unternehmen im 21. Jahrhundert. Mit dem kontinuierlichen Wandel müssen Organisationen zunehmend Fähigkeiten ausbilden, um mit diesen schnellen Veränderungen umzugehen. Die Systemtheorie bietet Erklärungsmodelle und Vorgehensweisen an, die ein Handeln in einer komplexen und dynamischen Welt ermöglichen. Das Buch skizziert die Erfahrungen von Beratern, Trainern, Managern und Coaches in der praktischen Anwendung systemisch-konstruktivistischer Ansätze und Methoden. Mit Beiträgen von Martin Alkin, Peter Bauer, Marie-Luisa Capozzi, Sabine Doerfler, Katrin Geßler, Thomas Keppler, Bernhard Muhler, Idzumi Neumärker, Jörg Niemeyer, Kristina Pilz, Stefan Schwarz, Nino Tomaschek, Alexander Wagner, Gabriele Wenning, Gabriele Weyand, Silke Wittkemper, Christoph Zimmermann.
Über die Herausgeber: Christoph Zimmermann, Dipl.-Ing., absolvierte 2009 seinen MBA in systemischer Organisationsentwicklung und Beratung an der Universität Augsburg. Nach seiner Ausbildung als Zimmerer studierte er zunächst Projektmanagement/Bau an der Fachhochschule Biberach und arbeitete seit 1998 in verschiedenen Branchen als Projektmanager. Seit 2003 berät er Manager zu Prozess- und Organisationsentwicklung. Seine Aufgaben bestehen aus Team- und Einzelcoaching, Moderation von Teamentwicklungs- und Strategieworkshops und Entwicklung von Changearchitekturen. Nebenbei referiert er an der Technischen Universität München an der Carl-von-Linde-Akademie zum Thema "Ethik in der Unternehmenspraxis".
Bernhard Muhler, Diplom-Betriebswirt, MBA-Studium in systemischer Organisationsentwicklung und Beratung an der Universität Augsburg und Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Frankfurt am Main mit den Schwerpunkten Marketing, Betriebsorganisation und Finanzen. Seit 2003 selbstständiger Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Organisationsentwicklung, Veränderungsmanagement, Unternehmens-/ Prozessanalysen, Kunden-/ Mitarbeiterbefragungen und Moderation von Workshops sowie Großgruppenveranstaltungen. Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Frankfurt am Main sowie Referent auf zahlreichen Kongressen. |
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Jörg Niemeyer: Reflexionen zur systemischen Haltung
1. Einleitung
„Die differenziertesten Theorien,
die ausgeklügelsten Techniken haben keine Wirkung, wenn die Haltung der Berater nicht stimmt.“ (Königswieser
u. Hillebrand 2007, S. 39, Hervorhebung im Original).
Ob allgemein in der Beratung oder konkret im Coaching, der Haltung kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn der Berater / Coach wünscht – und dies sollte jedenfalls sein Anspruch sein – Wirksamkeit im Klientensystem zu erzeugen. Dabei ist das Aneignen einer systemischen Haltung per se schon schwierig genug, da die meisten Menschen zumindest bis zum ersten Kontakt mit der systemischen Welt ein eher mechanistisches Weltbild gelebt haben und systemisch-konstruktivistisches Denken und Handeln eher nicht zum Sozialisierungsrepertoire unserer Gesellschaft gehört.
Noch schwieriger dürfte es sein, die Haltung in jedem beruflichen Kontext des Berateralltags konsequent abzurufen und aufrechtzuerhalten, und dies am besten noch mit einer gewissen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Am schwierigsten und damit als echte Herausforderung erlebe ich aber die Entwicklung einer systemischen Haltung aus der langjährigen Berufspraxis als klassischer Berater heraus. Geht es doch für einen klassischen Berater, der aus Überzeugung zum systemischen Ansatz konvertiert, darum, zahlreiche tradierte und verinnerlichte Denk- und Verhaltensmuster in Frage zu stellen, zu überdenken und zu ersetzen. Der Wechsel des Beraterparadigmas geht dabei einher mit der Transformation seines Verständnisses von der Klienten-Beraterbeziehung, der Lösungsentstehung, der Beraterverantwortung und der Beraterautorität, seinen Bewertungskategorien und vor allem seines Menschen- und Organisationsbildes.
Die Arbeit an der Haltung erscheint mir daher als eine prioritäre, aber auch permanente Aufgabe, die wohl auch nie wirklich abgeschlossen sein dürfte. Aber sie ist die Basis für eine wirksame Berufsausübung von Beratern und Coaches.
Aus diesem Grunde ist die folgende Reflexion der systemischen Haltung als Fundament der Beratungs- und Coachingpraxis gewidmet. Die Bearbeitung erfolgt in der Weise, dass verschiedene Merksätze oder Aussagen, die mehr oder weniger unmittelbar mit Haltung zu tun haben, und die mir im Rahmen meiner systemischen Ausbildung und Praxis begegnet sind oder von mir so konstruiert notiert wurden, jeweils in einer theoretischen und einer praxisbezogenen Dimension reflektiert werden. Die Auswahl erfolgt in der Hoffnung, damit auch die Arbeit an meiner eigenen Haltung zu unterstützen. Im Rahmen der Diskussion werden immer wieder auch die Haltungsunterschiede zwischen dem klassischen und dem systemischen Ansatz auf Grund meiner Rolle als systemischer Berater in einem klassischen Beratungsumfeld thematisiert. Dort, wo es aus meiner Sicht Sinn macht, beziehe ich mich gleichermaßen auf Beratungs- und Coachingkontexte.
2. Grundsätzliches zur systemischen Haltung
Wie das einleitende Zitat bereits andeutet, ist die Haltung ein wesentlicher „Erfolgsfaktor“ für die systemische Beratung oder das systemische Coaching. Was aber ist der Gegenstand einer systemischen Haltung? Der Begriff der „systemischen Haltung“ wird im Folgenden möglichst weit ausgelegt. Ohnehin ist in der Literatur in der Begriffsdefinition und der Begriffsabgrenzung kaum eine Einheitlichkeit erkennbar, wenngleich sich Elemente wie Wertschätzung und Respekt in der Schnittmenge der Beschreibungen wiederfinden und offenbar einen Nukleus einer systemischen Haltung begründen. Im therapeutischen Kontext wird z. B. Bezug genommen auf die Werte und Grundhaltungen einer systemischen Beratung (Ethik-Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) e.V.; DGSF 2008). Radatz verweist im Zusammenhang mit Haltung auf die Unterscheidung zwischen der Gucklochhaltung und der Teil-der-Welt-Haltung Heinz v. Foersters (vgl. Radatz 2006, S. 18 f.). Wieder andere sprechen von Grundsätzen und Basisorientierungen (Königswieser u. Hillebrand 2007, S. 39), Grundprinzipien und Werte (Schwing u. Fryszer 2007, S. 324), Kriterien für Kompetenz (vgl. Tomaschek 2006, S. 80), Spielregeln im Coaching (vgl. Radatz 2008, S. 113 ff.) oder sehen Haltung als Gegenstand eines Beratungsparadigmas (vgl. Handler 2007, S. 49 ff.).
Die Entscheidung, ob ich in diese Vielfalt von Begriffen mit ihren Inhalten und Deutungen für mich irgendwann eine wie auch immer geartete künstliche Ordnung bringen möchte, überlasse ich vertrauensvoll meinen künftigen Erfahrungen und Erkenntnissen, die mich dann hoffentlich rechtzeitig auf eine eventuell entstehende Notwendigkeit hinweisen.
Da ich einen „systemischen Fundamentalismus“ nicht erkennen kann und ich diesen auch für unlogisch bzw. paradox halte, da ein absoluter Gültigkeitsanspruch die eigene intellektuelle Grundlage in Frage stellen würde, werde ich mir einige Freiheiten erlauben, was die Subsummierung bestimmter Beschreibungen unter dem Begriff „systemische Haltung“ betrifft, gleichwohl ohne den oben genannten Nukleus gemeinsamer Auffassung zu ignorieren.
3. Nur wenn ich aufmerksam bin, nehme ich wahr
Im Gespräch mit einem Klienten aufmerksam zu sein und aktiv zuzuhören, ist zunächst keine systemische Spezialität, sondern in jeder kommunikativen Situation Ausdruck von Wertschätzung und Respekt dem Gesprächspartner gegenüber (z. B. von der Heyde u. von der Linde 2003, S. 39). Ohne Aufmerksamkeit und aktives Zuhören dürfte es einem Berater bzw. Coach nicht gelingen, beim Klienten eine erlebte Wertschätzung (vgl. Teil des Nukleus siehe oben; Königswieser u. Hillebrand 2007, S. 41; Radatz 2008, S. 109 f.) zu erzeugen, damit anzukoppeln und das zu tun, was seine wesentliche Verantwortung ist: die richtigen, d. h. wirkende Fragen zu stellen, um dem Klienten eine eigene Problemlösung zu ermöglichen (vgl. Radatz 2008, S. 111 ff.).
Im Übungsrahmen eines Seminars, an dem ich teilnahm, musste ich aus den vorgenannten Gründen eine Entscheidung treffen, die Aufgabe des Dozenten zu erfüllen („Zählen Sie im Verlauf des Coachings alle Wörter, die mit dem Buchstaben T beginnen“) oder dem Klienten die volle Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen. Beides – das wurde schnell deutlich
– würde nicht gelingen. Diese Entscheidung fiel mir in diesem konkreten Fall leicht, da ein enttäuschter Dozent, dem der Übungseffekt abhanden kommt (oder doch nicht?), weniger schwer wiegt als ein Klient, dem ich wegen fehlender Aufmerksamkeit nicht habe helfen können. Weniger leicht ist es dagegen, im Verlauf eines Gesprächs mit einem Klienten trotz oder besser wegen der hohen und stetigen Aufmerksamkeit den Überblick zu wahren und das Gesagte zu behalten, denn es könnte im Verlauf des Gesprächs eine Bedeutungsänderung erfahren: Zunächst scheinbar Unwichtiges wird wichtig, scheinbar Wichtiges gerät in den Hintergrund. Mit der Notwendigkeit, die Fokussierungen im Gesprächsverlauf anzupassen, sollte ein professioneller Berater stets rechnen. Eine Frage von Erfahrung und Training? Vielleicht. Natürlich wird kein Berater auf die merkwürdige Idee kommen, während eines Klientengesprächs Wörter zu zählen. Vor Ablenkungen ist er damit aber keineswegs sicher, denn auch seine persönlichen Gedanken und Erfahrungen, seine Lieblingshypothesen, in anderen Kontexten erlebten Problem- und Lösungsparallelen und damit seine Wahrnehmungsfilter können seine Aufmerksamkeit für die gegenwärtige Situation beeinflussen und seine Wahrnehmung einschränken.
4. Nicht-Wissen ist die Ressource des Systemischen Beraters/Coaches
Begreift man lebende Systeme als autopoietisch und akzeptiert damit, dass solche Systeme nicht direkt von außen beeinfluss- und steuerbar sind (vgl. Simon 2007, S. 24 f.), kann man „[…] nur neugierig beobachten, wie sie agieren und respektvoll ihre Eigenlogik zur Kenntnis nehmen“ (Seliger 2006, S. 89). Seliger empfiehlt – daraus abgeleitet – Neugier als Teil einer professionell systemischen Haltung. Neugier wiederum setzt Nicht-Wissen voraus, denn wer weiß, fragt nicht. Wer nicht fragt, kann als systemischer Berater und Coach dem Klienten keine neue Sichtweise, keine veränderte Perspektive vermitteln. Ohne das Nicht-Wissen, ohne die Neugier des Beraters/Coaches wird die Vielfalt der Kommunikationen und die Breite und Tiefe des Lösungsraums für den Klienten signifikant und vermutlich entscheidend eingeschränkt.
Kann ein konvertierender klassischer Berater diese Haltungsanforderung jemals erfüllen? Kann ein Wissender in jeder beliebigen Situation gezielt nicht wissen, sein eigenes Wissen und seine eigenen Lösungen wirklich ausblenden? Kann er je nach Bedarf von Wissen zu Nicht-Wissen springen und umgekehrt? Kann er seine Neugier beliebig an- und ausschalten? Haben auch klassisch geschulte Berater eine lethologische Begabung oder können sie eine solche aus der Einsicht der Notwendigkeit heraus entwickeln?
Die aus der Beraterausbildung bekannte Übung der Beratermühle (kurz zum Setting: eine Reihe von Beratern sitzt einer Reihe von Klienten gegenüber; Klienten schildern ihr Anliegen; Berater stellen systemische Verständnisfragen; 2-3 Minuten Zeit, dann Wechsel) macht deutlich, dass ein Berater/Coach seinem Klienten bereits durch Fragen helfen kann, ohne das Anliegen und den Kontext wirklich verstanden zu haben, was aber die Voraussetzung dafür wäre, eigenes Wissen in die Beratung einzubringen. Nebenbei ist das bewusste oder unabsichtliche Nicht-Verstehen des Klientenproblems bzw. -anliegens, der beinahe chronische Mangel an Verständnis, ein willkommener und hilfreicher Katalysator für die Aufrechterhaltung von Neugier.
Trotz dieser Erkenntnis verbleibt aus meiner Sicht das Problem des Beraters in der Praxis, zu oft eben doch zu wissen und aus dem erfahrungsgeleiteten bewussten und unbewussten Vergleich der Problemkonstellation mit an anderer Stelle und mithin in anderem Kontext erprobten Lösungsmustern vorschnell eigene Lösungen zu generieren und in das Gespräch einzustreuen. Mit der systemischen Haltung, dem Klienten Lösungen zu ermöglichen, nicht aber solche frei Haus zu liefern, ist dies kaum zu vereinbaren.
Meine Lösungsideen:
- Besseres Erwartungsmanagement/Rollenklärung: deutlicher machen, dass und wann kein fachlicher Input zu erwarten ist --> darüber Konsens mit dem Klienten --> erleichtert es, die Haltung aufrecht zu erhalten
- Reflexion und Supervision/Austausch mit Dritten
Hilfreich erscheint mir auch zu sein, bei jeder Hypothese selbst zu hinterfragen, ob es sich um meine wissens- und erfahrungsorientierte Standardhypothese oder um eine neue aus dem individuellen Kontext abgeleitete Hypothese handelt. Leider schließt sich beides nicht aus.
5. Der Berater/Coach als Ambivalenzen-Surfer
In persönlichen oder organisationsbezogenen Veränderungsprozessen ist selten a priori eindeutig oder zumindest kalkulierbar, ob das Neue tatsächlich besser oder doch schlechter als das Alte sein wird. Und, wenn das vermeintlich Bessere gefunden ist, sind die zu zahlenden Kosten dafür angemessen? Die Betriebswirtschaftslehre z. B. hat für unternehmerische Entscheidungssituationen unter Unsicherheit mehr oder weniger hilfreiche, zumindest aber etablierte Verfahren entwickelt, wie man zu einer Entscheidung kommen und sie durch Berechnung auch rechtfertigen kann. Diese Rationalität hat jedoch ihre Tücken, wenn persönliche und häufig auch emotionale Betroffenheit (auch im Sinne von Verantwortung) vorliegt und die nicht rechenbaren Faktoren „Engelchen“ und „Teufelchen“ spielen. Die Aufgabe des Beraters ist es, die Kosten-Nutzen-Überlegungen gemeinsam mit dem Klienten offenzulegen und dabei „das Gute am Schlechten“ und das „Schlechte am Guten“ bewusst zu machen. Der Berater akzeptiert dieses Oszillieren und ermöglicht es dem Klienten mit seinem systemischen Interventionsbaukasten über Distanz, Perspektivenwechsel und neue Sichtweisen eine tragfähige eigene Lösung im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verändern zu finden (angelehnt an Fischer 2006, S. 118). Hierbei muss der Berater seine eigenen Ziele und Hypothesen loslassen und seine eigenen unweigerlich entstehenden Lösungsideen kontrollieren können (vgl. Radatz 2006, S. 31).
In einem kürzlich abgeschlossenen Projekt hatte der Vorstand eines mittelständischen Unternehmens für sich erkannt, dass sein Unternehmen zwar herrlich und wohltuend mittelmäßig war, seine Strukturen und Konzepte aber langfristig nicht die Zukunftsfähigkeit sicherstellen würden.
Also begann man zum Einstieg mit einem kleineren Projekt mit externer Beratungsunterstützung. Das Ergebnis der klassischen Berater bestätigte die Vermutung des Auftraggebers. Es wurden zahlreiche Vorschläge unterbreitet, mit welchen Veränderungsmaßnahmen man die sogenannte Zukunftsfähigkeit wiederherstellen könnte. Die Vorschläge der klassischen Berater wurden auch grundsätzlich vom Vorstand befürwortet. Aber es geschah: nichts. Der Termin, an dem die weitere Vorgehensweise besprochen werden sollte, wurde am Tag zuvor abgesagt. Im nachfolgenden informellen Gespräch mit dem Projektleiter des Klienten bestätigte sich meine Hypothese, die sich bei mir als zu diesem Zeitpunkt „klassischem Berater mit Affinität zum Systemischen“ bereits vor einiger Zeit gebildet hatte: Im Vorstand bestand keine Einigkeit über die Veränderungsnotwendigkeiten (Indiz: man wollte die Projektergebnisse nach Ressorts getrennt dargestellt haben). Zudem hatte der Impuls des Projektes offenbar grundsätzliche und latente Probleme zu Tage gefördert, die bisher unter dem Deckmantel der friedvollen Mittelmäßigkeit eine wohlige Geborgenheit erfahren hatten. Gern hätten wir den Klienten auf dem Surfbrett der Ambivalenz weiter begleitet. Dies hätte jedoch meiner Meinung nach einen Wechsel des Beratungsparadigmas erfordert. Ob uns dies mit den gleichen Beratern bei demselben Klienten hätte glaubwürdig und vertrauensvoll aus seiner Sicht gelingen können, ist fraglich. Denn die Berater, die eben nochmit Überzeugung Empfehlungen abgaben und scheinbar wussten was zu tun ist, verweisen nun darauf, dass der Klient seine eigene Lösung finden soll (vorher: „Ich habe Dein Problem quasi schon gelöst. Hier ist die Lösung. Du musst nur noch umsetzen“; nunmehr: „Ich kann Dir Dein Problem nicht lösen, aber ich helfe Dir dabei, Deine individuelle passende Lösung selbst zu finden“). Allerdings bin ich überzeugt, dass in der beschriebenen Situation der systemische Berater auf Grund seiner Haltung und seiner Interventionskompetenz dem Klienten dort hätte helfen können, wo der klassische Berater mit klassischer Überzeugungsarbeit (Überredungsarbeit) wenig Wirkung hätte erzielen können. Voraussetzung in einem derartigen Kontext wäre sicherlich, über eine neuerliche Ziel- und Auftragsklärung den Beratungsrahmen neu zu definieren. Ob und ggf. welche Vorgehensweisen und Interventionen im konkreten Beratungskontext sinnvoll und passend gewesen wären, wäre situationsabhängig unter Würdigung des Kontrakts (Voraussetzung: Vereinbarung über systemisches Vorgehen) zu entscheiden gewesen. Bis hierhin wurde meine Hypothese lediglich durch eigene Wahrnehmungen und Interpretationen sowie den Aussagen des Projektleiters gestützt.
6. Der Berater/Coach als Distanz-Lehrer
Distanz ist ein wesentliches Element einer systemischen Haltung in Beratung und Coaching. Denn nur, wenn es der Berater schafft, eine eigene Distanz zum Klientensystem mit seinen Beschreibungen und Problemen herzustellen und aufrechtzuerhalten, kann er es ermöglichen, das Klientensystem aus einer anderen Perspektive zu betrachten, den Klienten selbst sein Problem aus einer anderen Perspektive betrachten zu lassen und somit für den Klienten einen Unterschied und damit eine neue Information zu erzeugen (Seliger 2006, S. 90). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, eine funktionierende Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden, d.h. einerseits nicht in den Sog aus Emotionen und Affektionen zu gelangen, um letztlich im „Problemsee“ des Klienten zu ertrinken, andererseits aber durchaus den großen Zeh ins Wasser zu halten, um die Temperatur des Problemsees zu spüren und dadurch am Klientensystem anzukoppeln. Der Berater benötigt die Nähe, um Wertschätzung und Respekt für den Klienten spürbar zu machen und eine Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit zu schaffen. Er benötigt aber auch die Distanz, um mit dem Klienten in eine Lösungsorientierung zu gelangen. Häufig nehmen Klienten eine passive, erleidende und unabsichtliche Problemopferrolle ein, in der sie sich als einflusslos und ohnmächtig erleben. Es erfordert aus Sicht des Beraters eine reflexive Distanzierung, um beim Klienten eine Dezentrierung gegenüber dem eigenen Bezugssystem auszulösen und ihn erkennen zu lassen, dass es andere Sichtweisen und Alternativen gibt. So kann es dem Berater unter Wahrung der Balance zwischen Nähe und Distanz gelingen, seinen Klienten mit einer bestimmten Fragetechnik aus der Rolle des Problemopfers über die Problemtäter- und die Lösungsopferschaft in die bewusste und aktive Rolle des Lösungstäters zu bringen (vgl. Fischer 2006, S. 118 ff.).
In einem kürzlichen Gespräch mit einem Kollegen, in dem es um die Möglichkeiten des Mit- und Nebeneinanders systemischer und klassischer Beratung in einer Beratungsfirma ging, schilderte dieser in allen erdenklichen Details seine Erlebnisse bei einem Klienten. In diesem Projekt war es seine Aufgabe – so stellte sich heraus – einen Veränderungs-prozess zu moderieren, ohne inhaltlichen Input zu liefern. Nach minutenlangen Schilderungen dieser und jener Probleme auf den unterschiedlichsten Ebenen stellte ich – ich wollte nämlich nicht auch noch mit baden – die Frage, wer sein Auftraggeber sei und welche Aufgabe er eigentlich habe. Die Antwort ließ etwas auf sich warten, woraus ich schloss, dass die Frage wirkte. Da ich allerdings keinen Coaching-Auftrag von ihm hatte, schloss ich lediglich die weitere Frage an, ob er meinte, dass er bei diesem Grad an Involviertheit aus Sicht des Klienten nützlich sei. Wenn ja, worin bestünde dieser Nutzen?
Aus meiner Sicht war der Kollege bereits so tief in das Klientensystem eingetaucht, dass sich die Verbindung zu seinem eigentlichen Auftrag gelöst hatte und er Gefahr lief, mit den Ereignissen mitzuschwimmen und nicht mehr wirksam intervenieren zu können. Die notwendige Distanz war deutlich verloren gegangen. Die systemische Beratung fordert die Balance zwischen einem Ankoppeln, um zu verstehen, und der Distanz, um handlungsfähig zu bleiben. Dieses Verhältnis war in diesem Fall aus der Balance geraten, was nicht zuletzt auch die Frage nach der Neutralität aufwirft.
7. Grundsätzliches zur Neutralität als Element systemischer Haltung
Der Begriff der „Neutralität“ meint eine spezifische Wirkung im Klientensystem, so dass die Mitglieder des beratenen Systems (z. B. eines Teams) nicht sagen können, wen der Berater unterstützt hat bzw. für wen er Partei ergriffen hat. Nach diesem Verständnis kann Neutralität als Gesprächsmethode ausgelegt werden (vgl. Fischer 2008, S. 2). Meiner Meinung nach, kann das Verhalten der Neutralität nicht allein in einer bestimmten Gesprächssituation zur Anwendung kommen, sondern muss möglicherweise (oder unbedingt?) während des gesamten Auftrags durchgehalten werden. Folglich wäre Neutralität mehr als Gesprächstechnik, sondern darüber hinaus ein nach außen für den Klienten spürbarer und präsenter Teil von Haltung. Da Neutralität durchaus auch für klassische Berater ein Thema ist, ich aber wesentliche Unterschiede zwischen Neutralität im klassischen und im systemischen Beratungskontext vermute, sollen der Begriff der Neutralität und seine Ausdifferenzierungen nachfolgend reflektiert werden.
Bei der Diskussion von Neutralität soll dabei der Differenzierung der Heidelberger Gruppe (vgl. Fischer 2008, S. 2 f.) gefolgt werden, wonach in soziale Neutralität, Konstrukt- bzw. Ideenneutralität und Veränderungsneutralität unterschieden wird.
8. Soziale Neutralität
Soziale Neutralität bezieht sich auf die Beziehungen des systemischen Beraters zu jedem einzelnen Mitglied des Klientensystems. Während Meyers großes Taschenlexikon den Begriff der „Neutralität“ als Unparteilichkeit definiert, greift diese Definition im systemischen Kontext zu kurz. Soziale Neutralität meint hier, gleichzeitig mit jedem und keinem verbündet, folglich also all- statt unparteilich zu sein. Ein Unparteiischer (vgl. Schiedsrichter) bleibt immer außerhalb des Systems und kann auf Grund seiner Auslegung von Neutralität nicht ankoppeln. Ein Allparteilicher dagegen kann ankoppeln und im Klientensystem Wirksamkeit entfalten. Darüber hinaus hat Neutralität nach meinem Verständnis auch mit Verantwortung zu tun. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass eine Einstellungs- und Verhaltensänderung als Ziel einer systemischen Beratung oder eines systemischen Einzel-/Teamcoachings (vgl. Radatz 2008, S. 84 ff.) erfolgt, ist der Verbleib von Verantwortung bei dem oder den Klienten. Gebe ich die soziale Neutralität auf und wende mich spürbar einer bestimmten Person oder einer (Teil-) Gruppe des Klientensystems zu, dann verteile ich auch die Verantwortung anders. Allen Mitgliedern des Klientensystems wird bei Aufgabe von Neutralität Verantwortung entzogen. Der Berater träfe persönliche soziale Selektionen, die ihm im systemischen Beratungsparadigma nicht zustehen und die die Beziehung zwischen den Mitgliedern des Klientensystems (einschließlich der „Auserwählten“) und dem Berater grundlegend und evtl. auch irreversibel stören.
Nicht immer geht die Entneutralisierung vom Berater aus, der aus Unachtsamkeit oder schlimmstenfalls aus Verrat an seiner ideellen Heimat seine neutrale Haltung verliert. Oft versuchen gerade auch die Klienten bzw. Teile des Klientensystems die Neutralität herauszufordern, indem gezielt versucht wird, den Berater auf eine bestimmte Seite zu ziehen und für offen ausgesprochene oder versteckte Ziele zu instrumentalisieren. Diese Versuche laufen nach meiner Erfahrung eher selten nach einem plumpen „Meinen-Sie-nicht-auch-Schema“ ab, sondern nehmen diffizile Erscheinungsformen an, die oft nicht unmittelbar zu durchschauen sind.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Schilderungen eines Kollegen. Dieser traf kürzlich einen ehemaligen (dieses Wort scheint nach den Schilderungen angemessen zu sein, da man durchaus von Endgültigkeit ausgehen kann) Klienten. Vor einigen Jahren wurde sein Unternehmen von früheren Beraterkollegen beraten (Kontext: Klassische Beratung). Er selbst war damals das dienstjüngste Mitglied im Vorstand und erlebte den damaligen Berater als vom Vorstandsvorsitzenden für dessen persönliche Ziele instrumentalisierten Menschen. Heute ist der damals Dienstjüngste selbst Vorstandsvorsitzender in einem anderen Unternehmen und sucht sich nach diesen Erfahrungen seine externen Berater auch bewusst und gezielt nach dem Kriterium der Neutralität aus. Mangelnde Neutralität hat nachhaltige Konsequenzen und zwar sowohl im klassischen als auch im systemischen Beratungsparadigma.
Auf Grund meiner persönlichen Erfahrungen vermute ich, dass der Hang zur bewussten Aufgabe der sozialen Neutralität in der klassischen Beratung vergleichsweise ausgeprägt ist. Einige Virtuosen erzählen tatsächlich mit Stolz, wie es ihnen mit taktischen Finessen gelungen sei, die Vorstandsmitglieder untereinander und obendrein noch den Aufsichtsrat und den Betriebsrat auszutricksen. Manche scheinen sich den schwarzen Gürtel der Parteilichkeit redlich verdient zu haben, sei es durch berechnende oder intuitive Parteinahme. Die Ziele des klassischen Beraters (schließlich hat er gemäß seinem Paradigma die Verantwortung für das Beratungsergebnis) waren optimal erreicht worden. Während in der klassischen Beratung der Berater an seiner Zielerreichung gemessen wird, was ihn zur Bildung egoistischer Ziele veranlasst, die lediglich im Idealfall mit den Zielen des Auftraggebers kompatibel sind, darf man in der systemischen Beratung davon ausgehen, dass der Berater eben keine eigenen Ziele verfolgt und insofern die haltungsbasierte Freiheit für soziale Neutralität hat.
In der systemischen Beratung sollte in meiner ideellen Vorstellung der Verlust an sozialer Neutralität das Ergebnis von Unachtsamkeit und Unerfahrenheit und mithin ein „Kunstfehler“ sein. Wie leicht der Verlust sozialer Neutralität erfolgen kann, zeigte sich eindrucksvoll in einem Übungsfall im Rahmen eines Teamcoaching-Seminars, an dem ich teilnahm. Die soziale Neutralität ging hier u. a. dadurch verloren, dass auf das Verhalten eines der Gesprächspartner nicht adäquat reagiert wurde: Verlust sozialer Neutralität durch Passivität. Vermutlich auf Grund von Unerfahrenheit war den Teamcoaches im Übungssetting ihr Neutralitätsverlust nicht bewusst. Die negative Wirkung zeigte sich in Form schwacher Signale: Rückzug und Passivität der anderen Mitglieder des Klientensystems, die Gesprächsführung wurde offensichtlich schwieriger etc. In dieser Situation wurde deutlich, dass Neutralität und ihr Verlust auch ein Beobachterphänomen ist.
9. Konstrukt- bzw. Ideenneutralität
Teil des eingangs genannten Nukleus systemischer Haltung ist die Erkenntnis, dass es keine Objektivität gibt und dass der systemische Berater sich den Kontext genau ansehen (z. B. Königswieser u. Hillebrand 2006, S. 75) und „die Bewertungen („Das ist ein Problem“), Erklärungen, Glaubenssätze, Lebensentwürfe, Sichtweisen, Inhalte, Weltbilder etc. der Klienten“ (Fischer 2008, S. 3) als Konstrukte von Beobachtern begreifen muss, diese aber keinesfalls als objektive Wahrheiten verstehen darf. Die Wahrheit ist das, was dem Klienten vorbehalten ist und bleibt. Radatz fordert daher vom systemischen Berater eine bewusste geistige Entfernung von dem, was als Problem beschrieben wird (vgl. Radatz 2006, S. 33). So verstandene Neutralität ermöglicht es dem systemischen Berater, im Sinne der bereits erwähnten Neugier, die ihre Energie aus Nicht-Wissen zieht, welches wiederum durch die Ablehnung von Objektivität gespeist wird, den Kontext des Verhaltens des Klienten zu erforschen. Erliegt der Berater dem häufigen Ansinnen des Klienten, Bewertungen, Ansichten, Meinungen etc. zu übernehmen und zu bestätigen, dann gibt er seine Konstruktneutralität auf und macht sich implizit zum Experten für das Problem seines Klienten. Die Bestätigung des Klienten in seinen Konstruktionen verfestigt statt verflüssigt die Problemsituation, schränkt die Wahrnehmung von Unterschieden ein und verengt den Spielraum für andere, erweiterte Perspektiven. Dadurch entsteht Abhängigkeit und die Erwartungshaltung des Klienten, dass der Berater, der das Problem offensichtlich verstanden und durchschaut hat, sicher auch die passende Lösung parat hat. Lösungsorientiertes Arbeiten wird dadurch allerdings eher erschwert. Dazu Radatz: „Sobald der Coach etwas zu verstehen meint – […] – fühlt sich der Coachee gezwungen, sein Problem noch genauer und noch umfassender zu erklären: Damit verstrickt er sich immer mehr in sein Problem (und der Coach sich mit ihm).“ (Radatz 2008, S. 50). Mit der Aufgabe der Konstruktneutralität ist der Berater nicht mehr der Anwalt der Ambivalenz (vgl. Königswieser u. Hillebrand 2007, S. 41), sondern der Patentanwalt für das Klientenproblem.
In der Praxis sehe ich Konstruktneutralität als große Herausforderung, insbesondere, aber nicht nur, wenn man aus dem klassischen Beratungskontext kommt, in dem Problemerkennen und Lösungslieferung allgemein als Aufgaben des Beraters und als wichtige zusammenhängende Bestandteile von Professionalität gelten. In der klassischen Beratung nimmt man die Erklärungen und Bewertungen des Klienten gerne an, wenn diese in die bekannten Problemtypisierungen passen und sich bekannte oder vorgedachte Lösungsmuster und Lösungspatente andocken lassen. Aber auch im systemischen Beratungs- und Coachingkontext sehe ich die Konstruktneutralität als schwierige Aufgabe an, setzt dies doch voraus, sein eigenes Wissen, seine Erfahrungen und Muster auszublenden.
10. Veränderungsneutralität
Zur Neutralität formulieren Königswieser und Hillebrand: „Damit wir im ganzen System wirksam sein können, bedarf es der Neutralität in dem Sinne, dass kein Standpunkt als richtiger bewertet werden sollte als der andere.“ (Königswieser u. Hillebrand 2006, S. 77). Was für die Konstruktion des Problems durch den Beobachter/Klienten gilt, muss zwangsläufig auch für die Frage gelten, was aus dem Problem wird. Dies beginnt mit der Überlegung, ob das Problem abgestellt werden sollte. Diese Überlegung verbunden mit der Bewertung, ob das Problem gut oder schlecht und ggf. schlecht genug ist, um eine Veränderung zu wollen, kann konsequenterweise nur der Klient selbst anstellen und beantworten. Der Klient bleibt alleiniger Experte für seine Probleme und auch die Lösung seiner Probleme (vgl. Radatz 2008, S. 49). Mit Blick auf ein Mehrpersonensetting hat die Veränderungsneutralität mehrere Aspekte:
- Die Lösung des Beraters/Coaches ist nicht richtiger als die Lösung des/der Klienten.
- Die Lösung eines Teammitglieds etc. ist nicht besser als die Lösung irgendeines anderen Teammitglieds – auch nicht, wenn es in einem Unternehmen hierarchisch höher steht.
Wenn hier von Lösung gesprochen wird, impliziert dies auch die Möglichkeit, dass sich das Klientensystem für „keine Lösung“ bzw. „keine Veränderung“ entscheidet. Der Berater hat beides – Lösung und NichtLösung/Verändern und Bewahren – zu akzeptieren, denn es ist die Entscheidung seines Klienten, die dieser autonom trifft. Nichts muss sich verändern (vgl. Fischer 2008, S. 4). Hinsichtlich einer Lösung empfiehlt Seliger „Positive Unterstellung und Lösungsabstinenz“ und formuliert damit gleichzeitig die Aufgabe des Beraters: „Systemische Beratung versteht sich als Begleitung bei der Entwicklung von Lösungen. Dabei wird Kunden unterstellt, über Lösungspotenzial zu verfügen bzw. es aufbauen zu können, um selbst Lösungen zu erarbeiten.“ (Seliger 2006, S. 89).
In der Konsequenz nutzt der systemische Berater sein „Handwerkzeug“, seine Methoden- und Interventionskompetenz dazu, den Klienten (im Mehrpersonensetting) in die Lage zu versetzen, eine eigenständige gemeinsame Auffassung der Wirklichkeit des Problems und eine dazu passende Lösung zu erarbeiten. Ob das Ergebnis gut ist, darüber entscheidet wiederum allein der Klient.
Meine Erfahrungen in der klassischen Beratung zeigen, dass in fast allen Kontexten eine Veränderungsabsicht postuliert wird und eine Veränderungsneutralität nicht zum Denk- und Handlungsprogramm eines klassischen Beraters gehört. Der Berater trifft mit seiner rational hergeleiteten Handlungsempfehlung eine Vorentscheidung für den Klienten, den er im Sinne seiner Logik von der Optimalität der Lösung zu überzeugen versucht. Dabei kann es ihm passieren, dass ihn ausgerechnet in oder nach der Abschlusspräsentation die vernachlässigten Eigenheiten des Systems einholen und sich der Klient für eine andere Lösung entscheidet, vielleicht auch für eine ohne den Berater.
11. Schlussworte
Die Reflexion verschiedener Elemente systemischer Haltung hat mir deutlich gemacht, dass die Arbeit an der systemischen Haltung eine langfristige und anstrengende Aufgabe sein und bleiben wird.
Als „Systemiker“ habe ich in meinem bisherigen klassischen Beratungsumfeld Zuspruch oder Ablehnung ganz nach akuter Interessen-lage der „Klassiker“ erfahren.
In der letzten Zeit nehme ich wahr, dass es immer mehr Überlegungen und Initiativen gibt, das systemische und das klassische Beratungsparadigma miteinander zu verbinden. Unabhängig von der Integrationsrichtung und ob sich das Produkt Komplementärberatung, Transformationsmanagement, integrierte Beratung oder wie auch immer nennt, lautet mein Fazit fürs Erste: Ein systemischer Berater, der als Prozessberater mit seiner spezifischen Haltung eingekauft wird, darüber hinaus aber auch fachliches Verständnis einzubringen versteht, wird im Klientensystem auf Grund seiner trainierten Reflexionsintelligenz besser ankoppeln können als ein klassischer Berater, der systemische Werthaltungen und Interventionen lediglich als Methodenkoffer verstehen.
Literaturverzeichnis
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(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Carl-Auer-Verlages) |
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