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Neuvorstellung zur Übersicht
10.04.2014
Michael Grabbe, Jörn Borke, Cornelia Tsirigotis (Hg.) Autorität, Autonomie und Bindung. Die Ankerfunktion bei elterlicher und professioneller Präsenz
Grabbe Borke Tsirigotis: Autorität Vandenhoeck & Ruprecht, Göttigen 2013

375 S. mit 14 Abb. u. 5 Tab., kart.

Preis: 29,99 €

ISBN 978-3-525-46269-0
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht





Erika Butzmann, Wildeshausen

Dauerhaft hoch eskalierende Konflikte zwischen Eltern und ihren Kindern stellten Berater und Therapeuten in der Vergangenheit immer wieder vor eine kaum zu lösende Aufgabe. Inzwischen hat sich im systemischen Elterncoaching der Ansatz der Ankerfunktion von Haim Omer so weit ausdifferenziert, dass Praktikern ein wirksames Mittel zur Verfügung steht, um solchen Eltern zu helfen, den Ausstieg aus hoch eskalierenden Beziehungskonflikten zu finden.

Mit Teil 1 wird das Konzept der Ankerfunktion vorgestellt. Zuerst beschreibt Chaim Omer die elterliche Ankerfunktion als Mittler zwischen Autorität, Autonomie und Bindung. Autorität wird hier umdefiniert und wieder positiv besetzt und als zentrale Komponente einer sicheren Eltern-Kind-Bindung dargestellt. Zusammen mit den überaus wichtigen elterlichen Funktionen der Strukturvorgabe, der Präsenz als offene Aufmerksamkeit und fokussierte Wachsamkeit, der Selbstkontrolle und der Beharrlichkeit, verdeutlicht er die Metapher des Ankers. Arist von Schlippe führt dann in die allgemeinen Hintergründe von Dämonisierungen und Feindbildkonstruktionen ein und gibt über eine paradoxe Anleitung Hinweise für Deeskalationen. Michael Grabbe zeigt sehr plastisch an den zur Ankermetapher gehörenden Begriffen des Navigierens und Lotsens wie Eltern ihr Wertesystem im Erziehungsprozess verankern können. Uri Weinblatt, ein Mitarbeiter von Chaim Omer, nimmt die Beziehung der Eltern in den Fokus. Wie Therapeuten ein Elterncoaching mit antagonistischen Eltern gestalten und zum Erfolg bringen, wird von ihm dargestellt.

Teil 2 befasst sich mit den menschlichen Grundbedürfnissen nach Autonomie und Verbundenheit im kulturellen Kontext. Heidi Keller geht von der kulturellen Formung dieser Bedürfnisse aus und ordnet die hierarchische Verbundenheit der traditionellen bäuerlichen Familie, die psychologische Autonomie der westlichen postmodernen städtischen Familie und die autonome Verbundenheit der nichtwestlichen Mittelschichtfamilie zu. Dass bei der Vermischung der kulturellen Werte Konflikte in der Eltern-Kind-Beziehung entstehen, liegt nahe; die angeführten Überforderungen von Kleinstkindern in autonomiefokussierten Gesellschaften führen jedoch zu der Frage, welche Rolle die über die Medien vermittelten Gesellschaftswissenschaften in den letzten zwei Jahrzehnten dabei gespielt haben. Hiltrud Otto betrachtet den Bindungsprozess entlang kulturspezifischer Entwicklungspfade und zeigt die unterschiedlichen kulturellen Umgangsweisen mit Babys auf, die unterschiedliches Verhalten zu Folge haben. Damit erklärt sie die Bindungstheorie für nur kulturell begründet und beachtet das auf die primäre Bezugsperson gerichtete genetisch ausgelöste Bindungsprogramm des Kleinstkindes nicht als solches, obwohl es unstrittig ist, dass die psychische Gesundheit des Kindes von dieser sicheren Bindung abhängt. Jörn Borke greift die kulturspezifische Autonomie- und Verbundenheitsorientierung auf, sieht in der Anwendung des Konzepts zur Ankerfunktion eine gute Einsatzmöglichkeit in Fällen, wo Kinder im Zusammenhang mit einem überfordernden Autonomiestreben Verhaltensauffälligkeiten zeigen und beleuchtet systemisch-familientherapeutische Interventionen im Kulturvergleich. Angela Eberding und Andrea Lanfranchi fordern dagegen Kompetenz statt Kulturalisierung und beschreiben in ihrem Beitrag zur neuen Autorität bei Migrationshintergrund eine maßgeschneiderte Kulturbrücke, um erfolgreich „kulturelle“ Barrieren zu überwinden.

In Teil 3 geht es explizit um die Stimme des Kindes. Peter Jakob stellt die Frage, wie aggressive Kinder und Jugendliche mit der eigenen Not umgehen. Mit Fallbeispielen macht er deutlich, wie Kind fokussierte Methoden im Elterncoaching so einsetzbar sind, dass Eltern mit bedeutungsvollen Versöhnungs- und Beziehungsgesten die Position der Stärke einnehmen und damit dem Kind aus seinem aggressiven Teufelskreis heraushelfen können. Michael Bachg gibt in seinem Beitrag ein Therapeutengespräch mit einem Jugendlichen wieder, aus dem sehr anschaulich hervorgeht, wie die Perspektive des Kindes beim Elterncoaching einzubeziehen ist. Claudia Terrahe-Hecking und Stephan Theiling nehmen die Rolle der Geschwister in den Blick, die bisher im systemischen Elterncoaching kaum beachtet wurden. Neben grundlegenden Aspekten der Geschwisterbeziehung beschreiben sie die Ankerfunktion der Eltern unter Einbeziehung der Hilfsbedürftigkeiten oder der Kompetenzen der Geschwister. Christian Hawellek gibt unter Bezugnahme auf die Marte-Meo-Methode Einblick in die Mikroperspektive, die die Grundlage für elterliche Präsenz und Ankerfunktion schafft. Er zeigt damit auf, wie wichtig anleitende Handlungen der Eltern in ihrer strukturgebenden Bedeutung für das Kind sind: Mitteilungen und Sagen statt Fragen erhöht die Sicherheit gebende Präsenz der Eltern.

Unterschiedliche Anwendungsaspekte und –Bezüge des Konzepts stehen im Mittelpunkt von Teil 4. Martin Lemme und Bruno Körner erläutern, wie mit dem Konzept der neuen Autorität der Bedürftigkeit von Jugendlichen mit psychotraumatischen Erfahrungen, die schwer aushaltbare Verhaltensweisen zeigen, angemessen begegnet und stabile Beziehungen geboten werden können. Petra Girolstein greift mit ihrem Beitrag „verhedderte Ketten oder Boris auf hoher See“ die Metapher des Ankers wieder auf, um kraftlosen Eltern im Elterncoaching mit der neuen Autorität das Gefühl der Selbstwirksamkeit zurückzugeben. Ein zentraler Bestandteil des Modells der neuen Autorität ist die Wiedergutmachung. Dennis Haase und Tom Pinkall zeigen am Beispiel von schulvermeidenden Schülern, wie mit Hilfe von Netzwerken ein Wiedergutmachungsmanagement zu anderen Wegen der Konfliktbewältigung führt. Barbara Ollefs beschreibt ihre Erfahrungen aus der familienbezogenen Beratung im Übergang zur Elternschaft anhand von zwei Fallvignetten, bei denen die Frühgeburt des Kindes hohe Anforderungen an die Eltern stellt. Das von ihr beschriebene hoch sensible Vorgehen der Fachkräfte bei Frühgeburten hilft diesen Eltern, die sichere Verankerung in der neu zu lernenden Elternrolle zu erreichen, damit die sichere Eltern-Kind-Bindung gelingen kann.

Teil 5 beinhaltet drei Praxisberichte. Liane Stephan und Ruth Tillner wenden die Metapher der Ankerfunktion und den Ansatz des gewaltlosen Widerstands auf die professionelle Präsenz für Führungskräfte in Unternehmen an. Detailliert werden hier die unterschiedlichen Präsenzebenen beschrieben und Kernfähigkeiten des Führens mit Präsenz und den Optionen der neuen Autorität erläutert. Wie mit dem Konzept der neuen Autorität im Rahmen der Ankerfunktion Eltern ausgebildet werden können, beschreibt Elisabeth Heismann anhand des Londoner Non-Violent-Resistance (NVR)-Projekts. Diese graduierten Eltern unterstützen die Professionellen u.a. bei Gruppenleitungen, neuen Projekten und Evaluierungen und helfen durch ihre Mitarbeit, dieses wichtige NVR-Projekt weiterzuführen. Anhand einer Fallgeschichte, die sich über mehrere Jahre hinzog, beschreibt Martin Solty von der Familien- und Schulberatungsstelle in Herne (NRW), wie der Ansatz der Ankerfunktion aus einer schier nicht mehr auszuhaltenden und kaum mehr lebbaren Familiendynamik im Laufe des Elterncoachings letztendlich eine gute Beziehung untereinander ermöglichte.

Die heterogenen Beiträge dieses Sammelbandes sind die Stärke des Buches. Neben den die Ankerfunktion erläuternden Artikeln geben die ganz unterschiedlichen Praxisbeiträge ein umfassendes Bild des Konzepts. Schon immer gültige Erziehungsgrundsätze sind dabei in den Ansatz integriert.

Der besondere Wert der Ankerfunktion im Gefüge aus Autorität, Autonomie und Bindung zwischen Eltern und Kindern erschließt sich aus der Entwicklung der Erziehungspraxis in der Vergangenheit. Auf die weitgehend destruktiv wirkende autoritäre Erziehung folgte fast reflexhaft die partnerschaftliche, obwohl ausgereifte Entwicklungstheorien genaue Anhaltspunkte dafür gaben, wann in der Entwicklung Bindung, Autonomie, Autorität und Partnerschaft für das Kind wichtig sind. So ist das Konzept der Ankerfunktion ein neues Licht am Erziehungshimmel, so dass dieses Buch die Arbeit in der Familienbildung, Familienberatung und -Familientherapie bereichern und erleichtern wird.





Vorwort und Leseprobe gibt es hier!

Eine weitere Rezension von Franz Sedlack findet sich auf den Seiten von schule.at.





Verlagsinformation:

Haim Omers Konzept der neuen Autorität und die Bindungstheorie: Was haben diese Ideen gemeinsam, wie universell sind sie? Wie können gute Beziehungen im Spannungsfeld von Autonomie und Bindung gestaltet werden? Wo bleibt das Kind im gewaltlosen Widerstand? Welche Rolle spielt die Ankerfunktion in der elterlichen und professionellen Präsenz? Renommierte deutsche und internationale systemisch orientierte Psychotherapeuten und Forscher setzen sich mit dem praktischen Nutzen der verschiedenen Theorieansätze auseinander. Eine Fundgrube für Therapeuten und Berater, die Familien in Schief- und Notlagen unterstützen und oft mit Autonomie-, Bindungs- und Autoritätsproblemen konfrontiert sind!


Inhalt:

Grabbe, Michael, Jörn Borke & Cornelia Tsirigotis: Vorwort. S. 7-13.

Omer, Haim: Die elterliche Ankerfunktion als Mittler zwischen Autorität, Autonomie und Bindung. S. 17-40.

Schlippe, Arist von: Die Konstruktion von Feindbildern: Eine paradoxe »Anleitung«. S. 41-60.

Grabbe, Michael: Wo fahren wir hin und wo ankern wir? Vom Navigieren in der Eltern-Kind-Beziehung. S. 61-84.

Weinblatt, Uri: Die Kraft der zwei Anker: Wie die Beziehung der Eltern ihre Präsenz und Autorität stärkt. S. 85-100.

Keller, Heidi: Autonomie und Verbundenheit - menschliche Grundbedürfnisse und kulturelle Werte. S. 103-119.

Otto, Hiltrud: Bindung und Kultur. S. 120-133.

Borke, Jörn: Kultursensitive systemische Familientherapie. S. 134-149.

Eberding, Angela & Andrea Lanfranchi: Neue Autorität bei Migrationshintergrund: Kompetenz statt Kulturalisierung. S. 150-161.

Jakob, Peter: Die notvolle Stimme des aggressiven Kindes: Von der Beziehungsgeste zur Wiederherstellung elterlicher Sensibilität. S. 165-184.

Bachg, Michael: Wo bleibt das Kind beim Elterncoaching? Wie es mit dem Feeling-Seen-Ansatz gelingen kann, die Perspektive des Kindes einzubeziehen. S. 185-199.

Terrahe-Hecking, Claudia & Stephan Theiling: Elterncoaching - und was ist mit den Geschwistern? S. 200-209.

Hawellek, Christian: Mikroperspektiven elterlicher Präsenz: Beiträge der Marte-Meo-Methode zum Konzept der elterlichen Präsenz. S. 210-230.

Lemme, Martin & Bruno Körner: Sichere Orte: Verankerung und Verantwortung nach Psychotraumata. S. 233-264.

Girolstein, Petra: Boris auf hoher See: Neue Autorität im Elterncoaching. S. 265-279.

Haase, Dennis & Tom Pinkall: Wiedergutmachung und Reintegration als (ver-)bindungsunterstützende Interventionen. S. 280-298.

Ollefs, Barbara: Stärkung der elterlichen Ankerfunktion und Bindung rund um die Geburt - Erfahrungen in der familienbezogenen Beratung im Übergang zur Elternschaft. S. 299-314.

Stephan, Liane & Ruth Tillner: Professionelle Präsenz und neue Autorität: Ein Führungsansatz. S. 317-338.

Heismann, Elisabeth: Eltern mit- und füreinander: Die aktive Mitarbeit von Eltern im Londoner Programm für gewaltlosen Widerstand. S. 339-353.

Solty, Martin: Elterliche Präsenz und die Entwicklung der hilfreichen Ankerfunktion: Ein Praxisbeispiel aus der Familien- und Schulberatungsstelle Herne. S. 354-371.


Über die Herausgeber:

Michael Grabbe, Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, systemischer Lehrtherapeut und lehrender Supervisor am Institut für Familientherapie Weinheim, Ausbildung und Entwicklung e. V., arbeitet in eigener Praxis in Melle.

Jörn Borke, Dr. rer. nat., Diplom-Psychologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur am Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe), Leiter der Babysprechstunde Osnabrück, Mitinitiator der Familiensprechstunde Belm sowie ausgebildeter Elternkurstrainer und Ausbilder für Kleinstkindpädagogik.

Cornelia Tsirigotis, systemische Familientherapeutin und Supervisorin, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Redakteurin der familientherapeutischen Zeitschrift Systhema.



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