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29.02.2012
David Schnarch: Intimität und Verlangen. Sexuelle Leidenschaft wieder wecken
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Verlag Klett-Cotta. Stuttgart 2011 (2. Aufl.)
geb., 487 S.
Preis: 29,95 €
ISBN-10: 3608946624
ISBN-13: 978-3608946628 |
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Verlag Klett-Cotta
Hans-Georg Pflüger, Bad Wimpfen:
Ovid schrieb vor ca. 2000 Jahren: „Streit ist die Mitgift, die Eheleute einander mitbringen“. Oscar Wilde formuliert es schnoddriger: „Bigamie bedeutet, dass man eine Frau zu viel hat. Mit Monogamie verhält es sich genauso.“ Schnarch gibt beiden insofern recht, indem er bestätigt, dass die Frage des individuellen Verlangens eine immerwährende ist und lange Ehen „tatsächlich das Verlangen“ (S. 90) töten und unterschiedliche Entwicklungsprozesse des gegenseitigen Begehrens ein „fester Bestandteil der mittleren Phase jeder Ehe“ (S. 91) sind.
No sex, no fun – normal im Eheverlauf?
Diese eingeengte Sichtweise ist fatal, denn daraus erwachsen gegenseitige Schuldzuschreibungen, Forderungen und Manipulationen, Verletzungen und negative Muster. Dem hält der Autor durch Erklärungen, viele praxisnahe Beispiele und Hilfestellungen seine Sicht auf Ehe und Sex einen gemeinsam initiierten Tanz entgegen und lädt so die Beteiligten ein, die eigenen Schritte eines an sich natürlichen Prozesses der Reduzierung von körperlichen Begegnungen zu betrachten. Ziel ist die Selbstkonfrontation mit und ohne Beisein des Partners gepaart mit dem Mut, dem Gegenüber mein wahres ICH anzubieten und durch diese zunehmende Differenzierung Tiefe zu erfahren, das Beste im anderen zu wecken und so auch sexuelle Intimität zu gestalten.
Aus den geschilderten Paargeschichten werden Botschaften und Muster von fremdbestimmter Intimität – sei es aus Versagensangst oder wegen des Versorgungsauftrags – und deren Konsequenzen für den beklagten Rückgang der sexuellen Leidenschaft deutlich. So begleitet der Autor seine Klienten auf dem Weg zur selbstbestätigenden Intimität, d.h. hin zur Grundaussage des Buches, dass Liebe zum anderen nur über die Liebe zu mir selbst gehen kann. Der rote Faden heißt persönliche Entwicklung und Differenzierung, also weg von Verschmelzung und Abhängigkeit, auch und besonders von den Botschaften der Herkunft. Für Schnarch weisen Unterschiedlichkeiten im sexuellen Verlangen auf die Menschen dahinter und ihre Geschichte hin. Insofern geht es nicht ausschließlich um Sexualität, sondern im erweiterten Sinn um Paarmuster, Lebensgestaltungen, persönliche Entwicklungen und um Intimität – und erst dann, sozusagen als Höhepunkt, um sexuelle Erfüllung.
Als Grundlage, aber auch als Ziel für eine gute individuelle Entwicklung beschreibt der renommierte Sexualtherapeut durchgehend die Konzentration auf „die vier Aspekte der Balance“: zum einen der Blick auf das stabile bzw. flexible Selbst mit der Frage nach der eigenen Persönlichkeit, zum anderen auf stillen Geist und ruhiges Herz, was u. a. die Fähigkeit beinhaltet, sich selbst zu beruhigen; im Weiteren das maßvolle Reagieren, also ruhig zu bleiben statt überzureagieren und letztlich die sinnvolle Beharrlichkeit bei der Auseinandersetzung und Intensivierung eigener Bemühungen, insbesondere beim Aushalten von Unbehagen um des Wachstums willen.
Im letzten Kapital erklärt der Autor Körperübungen, welche der Chance Raum geben, Denkmuster zu durchbrechen, das Gehirn sozusagen umzuprogrammieren und die gemeinsame Entwicklung im Bett anzustoßen. Sein Dreierschritt lautet: Umarmen bis zur Entspannung, Köpfe auf Kissen sowie Spüren und Berühren.
Insgesamt ist das Werk eine Weiterführung, Vertiefung und Ergänzung seines vor Jahren erschienenen Buches „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“ – beide Ausgaben gut lesbar, praxisorientiert, anregend, aufregend und dies nicht nur für therapeutisch Tätige.
(mit freundlicher Genehmigung aus systhema 2/2011)
Die Einleitung zum Buch als Leseprobe
Eine weitere Rezension von Benjamin Jahn Zschocke
Verlagsinformation:
Abnehmendes sexuelles Interesse ist in einer Langzeitbeziehung normal. David Schnarch erklärt auf ganz neue Weise,wie Erotik und Sexualität wiederkehren, wenn beide Partner in ihrer Beziehung wachsen. Auch Paare, die eine gute und lebendige Beziehung führen, kennen sie: die Langeweile im Bett, das schwindende Verlangen nach dem Partner. Müssen wir uns damit abfinden? Ist das der Preis für eine verlässliche und monogame Bindung? David Schnarch, Pionier der Sexualtherapie, verneint die Frage vehement und entfaltet hier seine in zahllosen Paartherapien beobachteten neuen Erkenntnisse: Sexuelles Verlangen entsteht im Kopf und hängt mit allen Verhaltensmustern in einer Beziehung zusammen. Mehr über unsere Sexualität zu wissen bedeutet, die Dinge ändern zu können:
Mehr Nähe, tieferes Empfinden und eine erfüllende Sexualität sind möglich.
Inhalt:
I. Warum normale Menschen Probleme mit ihrem sexuellen Verlangen haben 21
1. Es gibt immer einen Partner mit schwachem Verlangen, und dieser kontrolliert immer den Sex 23
2. Seitdem Sie auf der Welt sind, verändert sich Ihr sexuelles Verlangen 44
3. Der Partner mit dem schwächeren Verlangen entscheidet darüber, ob sich der Partner mit dem stärkeren Verlangen begehrenswert fühlen kann 65
II. Wie wir uns durch die Lösung von sexuellen Problemen gemeinsam entwickeln können 93
4. Bei sich selbst bleiben 95
5. Intimität formt Ihr sexuelles Verlangen 130
6. Monogamie verwandeln: Vom Martyrium zur Freiheit 163
7. Das Verlangen verblasst, wenn Sie aufhören, sich zu entwickeln 192
III. Lustlosigkeit vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Geschichte 215
8. Wollen, nicht Wollen wollen und die Qual der Wahl 217
9. Normaler ehelicher Sadismus, der Teufelspakt und andere Scheußlichkeiten 246
10. Wie lassen sich Dinge wirklich verändern? Sicherheit, Entwicklung und die kritische Masse 272
IV. Benutzen Sie Ihren Körper, programmieren Sie Ihr Gehirn neu und entwickeln Sie sich gemeinsam mit Ihrem Partner im Bett 303
11. Gutes Zusammenspiel ist wichtiger als perfekte Technik 305
12. Kitzligkeit und unangenehmes Empfinden von Berührungen heilen 337
13. Sanfter und liebevoller Sex 367
14. »Blow your Mind« 394
Anhang A: Informationen über Therapieangebote und andere Ressourcen 429
Anhang B: Wie Sie Ihr Unbehagen bezüglich Oralsex überwinden können
Über den Autor:
David Schnarch gilt als der führende Sexualtherapeut in den USA, wo er durch seine Publikationen, seine Radiosendungen und zahlreichen Vorträge einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Er ist Klinischer Psychologe, war Professor für Urologie an der Louisiana State University und ist Direktor des »Marriage and Family Health Centre« in Colorado. |
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