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26.10.2010
Kurt F. Richter: Coaching als kreativer Prozess
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Vandenhoeck &. Ruprecht, Göttingen 2010 (2. Aufl.)
358 S., kartoniert
Preis: 39,90 €
ISBN-10: 3525401566
ISBN-13: 978-3525401569 |
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Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Max Fuchs, Remscheid:
»Früher war alles einfacher!« Häufiger hört man dieses Aufstöhnen, vielleicht hat man es auch schon selbst geäußert. Ob diese Behauptung in Bezug auf die jüngere Vergangenheit stimmt, ist sicherlich eine spannende Frage. In jedem Fall gilt sie in historischer Perspektive. Denn die Moderne hat mit ihrem Anspruch auf Freiheit auch die Last des Einzelnen mit sich gebracht, immer mehr Entscheidungen selbst treffen zu müssen und dabei immer weniger Vertrauen in Instanzen wie etwa die Kirche zu haben. Diese hat über viele Jahrhunderte klare und akzeptierte Richtlinien für die Lebensführung des Einzelnen und der Gemeinschaft vorgegeben.
In dieser Situation entsteht der Bedarf an neuen Instanzen der Welterklärung, der Orientierung, der Sinnstiftung und der Beratung. Gesamtgesellschaftlich entstehen neue Wissenschaftsfelder wie etwa die Psychologie oder die Soziologie. Gleichzeitig entwickelt sich ein Markt, auf dem die unterschiedlichsten Angebote miteinander konkurrieren, denn guter Rat ist oft teuer. Die Not ist groß und Versprechen auf Besserung werden dann gern ordentlich bezahlt. Solche Beratungsleistungen braucht man zunehmend zur Bewältigung des Privatlebens mit seinen Krisen. Doch auch im Berufsleben werden die Anforderungen größer, so dass Überlastungssyndrome und Burnout-Prozesse, in jedem Fall aber das Leiden am beruflichen Alltag zunehmen. Das neueste derartige Beratungsangebot ist Coaching.
»Coaching«, so Kurt Richter in seinem Handbuch, »ist eine berufsbezogene Beratungsmethode zur Begleitung und Unterstützung von Menschen in schwierigen, veränderungsbedürftigen oder neuen Arbeitszusammenhängen« (S. 11). Es geht um Konfliktbewältigung, Rollengestaltung, Karriereplanung oder um die Entwicklung beruflicher Kompetenzen (ebd.). Coaching im Sinne von Richter kann sich auf Einzelpersonen oder auf Gruppen beziehen. Im Gegensatz zur Supervision liegt das Anwendungsfeld hier vor allem im Leitungsbereich.
In dem Feld unterschiedlichster Beratungsangebote gibt es dabei eine Fülle von Ansätzen, die sich in den zugrundeliegenden Gesellschafts- und Persönlichkeitstheorien, bei den Beratungskonzepten oder den weltanschaulichen Grundlagen unterscheiden. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass vermutlich der größte Teil der Angebote in der Praxis eher »pragmatisch«, das heißt ohne Anspruch auf ein kohärentes theoretisches Konzept, betrieben wird.
Vor diesem Hintergrund ist es verdienstvoll, dass Kurt Richter in seinem Buch sein spezifisches Coaching-Konzept vorstellt und es dabei in einen ambitionierten theoretischen und weltanschaulichen Kontext einbettet. Sein »Methodennetzwerk« – es geht praxisbezogen um die Vorstellung von 125(!) Übungen – umfasst Methoden der systemischen Beratung und Therapie und des Gestaltansatzes, wobei die Besonderheit in der konsequenten Nutzung kreativer Medien unter Betonung der Körperarbeit liegt. Diese Kombination hat Kurt Richter in einer jahrzehntelangen Beratungs- und Therapiepraxis entwickelt und in über 30 Jahren als Leiter des Fachbereichs Sozialpsychologie und Beratung der Akademie Remscheid in Aus- und Fortbildungen weitergegeben.
Die Einbettung in eine Einrichtung der kulturellen und ästhetischen Bildung, bei der Richter Mitglied eines multidisziplinär zusammengesetzten Teams unterschiedlicher künstlerisch-pädagogischer Professionen war, gibt seinem Ansatz die spezifische Prägung: Die Betonung der Bedeutung des Ästhetischen, das auch sprachlich auf »aisthesis«, also auf sinnliche Wahrnehmung, zurückgeht. Dies heißt, dass neben dem Kognitiven auch das Sinnliche und das Kreative in ihrer Beziehung zur Emotionalität genutzt werden. Der Körper als Ganzes leidet und lernt, nimmt wahr und reagiert auf Zumutungen des Alltags. Daher spielen entsprechende Persönlichkeitsmodelle (Fritz Perls, Hilarion Petzold) eine wichtige Rolle. All dies wird in dem einführenden Kapitel und immer wieder bei der Erklärung der verschiedenen Übungen deutlich gemacht.
Richter strukturiert in den weiteren Kapiteln sehr klar – auch immer wieder unter Nutzung von Graphiken und Schemata – den Ablauf eines Coaching-Prozesses (Kap. 3), die Gestaltung der Beziehung Coach–Coachee (Kap. 4) und liefert theoretisches Hintergrundwissen zum Verständnis der Beziehung Person und Organisation (Kap. 5).
Kern des Buches ist die Entfaltung eines facettenreichen und vielseitigen Methodenrepertoires. Richter gibt Hinweise für die geeignete Auswahl der Methoden und weist auf Chancen und Risiken hin. Roter Faden durch alle Methodenerwägungen ist die konsequente Nutzung körperbezogener Verfahren unter Einbeziehung kreativer und künstlerischer Medien. Dabei nutzt Richter seine große Kenntnis von Heil- und Beratungsverfahren anderer Kulturen (»Ethnotherapie«). Leitlinie, wie sie insbesondere in Kapitel 10 (Balancecoaching) expliziert wird, ist das Ringen um einen passenden Weg der Lebensführung, der Berufliches und Privates in eine lebbare Balance bringt. Das Buch wird ergänzt durch eine systematische Auflistung der Methoden und Übungen und der dazu notwendigen Materialausstattung.
Der Nutzen des Buches ist ein mehrfacher. Es bietet einen Ansatz – wie man sagen könnte – aus einem Guss, der sich um Kohärenz zwischen Hintergrundtheorie und praktisch anwendbaren Übungen bemüht. Man kann sich gründlich über diesen spezifischen Ansatz informieren. Daneben erhält das Buch durch sein erfahrungsgesättigtes, reichhaltiges Repertoire unterschiedlicher Übungen den Charakter eines Handbuches mit hohem Gebrauchswert. Dabei sind die Methoden durchaus auch für diejenigen akzeptabel, die andere Vorstellungen über geeignete theoretische und/ oder weltanschauliche Grundlagen haben.
Das Buch ist posthum erschienen. Kurt Richter ist kurz vor seiner Veröffentlichung an einem Krebsleiden gestorben. Er hat sein stark nachgefragtes Coaching-Konzept bis zu seinem Tod mit viel Freude und Engagement weitervermittelt.
Mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 3/2010
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Eine weitere Rezension von Margit Ostertag für socialnet.de
Verlagsinformation:
Coaching ist eine berufsbezogene Beratungsmethode zur Begleitung und Unterstützung von Menschen in schwierigen, veränderungsbedürftigen oder neuen Arbeitszusammenhängen. Sie hilft Coachees bei der Lösung von Problemen, bei der Konfliktbewältigung, Rollengestaltung, Karriereplanung oder der Entwicklung von beruflichen Kompetenzen.
Je komplexer die Arbeitswelt wird, umso wichtiger wird auch, dass Coaching an den gesellschaftlichen Herausforderungen wächst und Beratungskonzepte entwickelt, die der Komplexität und dem Veränderungsdruck angemessen sind.
Coaching, wie es in diesem Buch vermittelt wird, ist eine methodenplurale, mehrperspektivische und flexible Beratungsmethode, in der auch analoge, vor- und nichtsprachliche Aspekte neben der sprachlichen Kommunikation berücksichtigt werden. Nur so kann sie die Lebenswirklichkeit der Coachees angemessen erfassen. Coaching wird dabei als eine co-kreative Tätigkeit aufgefasst, als ein gemeinsamer schöpferischer Prozess, in dem es um Gewinnung von neuen Sicht-, Fühl-, Denk- und Handlungsweisen und die Umgestaltung von Strukturen und Mustern geht. Kreative Medien unterstützen diesen schöpferischen Prozess.
Das Spezifische dieses Ansatzes liegt in dem dichten, synergetischen Methodennetzwerk, welches systemische, integrativ-gestalttherapeutische, analoge und körpertherapeutische Methoden zu einem effektiven Handlungsmodell von Coaching verbindet. Der prall gefüllte Methodenkoffer enthält neben einer Vielzahl methodischer Hinweise für die Coachingpraxis auch 125 komplexe Übungen (Tools) für alle Fälle.
Inhalt:
Worum geht es in dem Buch? An wen wendet sich das Buch? Wie ist das Buch aufgebaut? Kurze Beschreibung der einzelnen Kapitel Zum Gebrauch der Übungen Wie sind die Übungen aufgebaut?
1 Coaching – eine Definition 1.1 Zum Begriff 1.2 Ziele und Aufgaben von Coaching 1.3 Person und Kompetenz des Coachs 1.4 Die Position des Coachs im System 1.5 Coaching in verschiedenen Settings 1.6 Der Coachingprozess 1.7 Wie arbeitet ein Coach? 1.8 Grenzen des Coachings 1.9 Coaching im Vergleich zu anderen Beratungsansätzen
2 Coaching mit Gestalt und System, ein Beratungskonzept mit Herz und Verstand 2.1 Das Methodennetzwerk 2.2 Der Gestaltansatz 2.3 Das systemische Beratungskonzept 2.4 Kreativität 2.5 Die Sprache hinter der Sprache: Die Arbeit mit kreativen Medien im analogen Raum 2.6 Körper- und Bewegungserfahrung im Coaching
3 Struktur und Prozess 3.1 Prozess und Arbeitsschritte 3.2 Das Phasenmodell 3.2.1 Beratungsphase 1: Kontakt und Vorgespräch 3.2.2 Beratungsphase 2: Kontrakt und Vereinbarung 3.2.3 Beratungsphase 3: Einlassung, Entwicklung der Arbeitsbeziehung im Beratungssystem 3.2.4 Beratungsphase 4: Experimentieren im Möglichkeitsraum 3.2.5 Beratungsphase 5: Integration und Transformation 3.2.6 Beratungsphase 6: Neuorientierung und Praxistransfer 3.2.7 Beratungsphase 7: Auswertung, Abschluss, Abschied 3.3 Das Sitzungsmodell: Die Arbeitsschritte in den einzelnen Sitzungen 3.3.1 Einlassungsphase 3.3.2 Bearbeitungsphase 3.3.3 Integrationsphase 3.3.4 Transformationsphase 3.4 Der diagnostische Prozess 3.4.1 Prozessuale Diagnostik 3.4.2 Das Identitätsmodell: Die fünf Säulen der Identität 3.4.3 Diagnostisches Modell: Zyklus des Erlebens und Handelns 3.5 Übungen zur Prozessgestaltung und Diagnostik
4 Professionelle Beziehungsgestaltung 4.1 Arbeitsbeziehung und Beziehungsarbeit 4.2 Beziehungssystem Coaching, Beratung in der Beziehung 4.2.1 Variablen der professionellen Beziehungsgestaltung 4.2.2 Perspektivität: Positionen der Wahrnehmung 4.3 Arbeit in der Beziehung 4.3.1 Aufgaben der Beziehungsgestaltung 4.3.2 Beziehungsstörungen, die vom Coach ausgehen 4.3.3 Rollengestaltung 4.3.4 Beziehungsprobleme, die vom Coachee ausgehen 4.3.5 Abschied 4.4 Arbeit an der Beziehung 4.5 Übungen zum Fokus Arbeitsbeziehungen
5 Person und Organisation 5.1 Das Coachingdreieck 5.2 Die Organisation und ihre Subsysteme 5.3 Organisationsaufbau 5.4 Die Person in der Organisation: Positionen, Rollen, Professionen 5.4.1 Der Coachee in seinem System 5.4.2 Die Welt des Profis: Professionalität und Kompetenz 5.5 Die Rolle als Schnittstelle zwischen Person und Organisation 5.6 Das Privatleben 5.7 Die Persönlichkeit des Coachee 5.7.1 Binnensystem Person 5.7.2 Das Selbst als Subjekt der Lebensführung 5.7.3 Das Persönlichkeitsmodell 5.8 Übungen zum Themenbereich Person und Organisation
6 Interventionswerkstatt 6.1 Konstruktion von Interventionen 6.1.1 Was ist eine Intervention? 6.1.2 Von der Wahrnehmung zur Intervention: Die Interventionsspirale 6.1.3 Hypothesenbildung 6.1.4 Die acht W-Fragen zur Konstruktion von Interventionen 6.1.5 Die vierfache Botschaft einer Intervention 6.2 Das Vergegenwärtigen 6.3 Das Interventionskreuz: Die vier Wege zum Hier und Jetzt 161 6.3.1 Blickrichtung Vergangenheit: Von der Erinnerung zur Rekonstruktion 6.3.2 Blickrichtung Zukunft: Lösungen konstruieren 6.3.3 Tiefen: Der Blick ins Innere 6.3.4 Höhen: Sinnen über den Sinn 6.4 Die Interventionskoordinaten in der Organisation 6.5 Übungen zu den vier Interventionswegen 6.6 Exkurs: Arbeit mit Polaritäten 6.6.1 Die Polaritäten als Gestaltungsprinzip 6.6.2 Zur Arbeit mit Polaritäten im Coachingprozess 6.6.3 Übungen zur Arbeit mit Polaritäten
7 Interventionstechniken 7.1 Grundinterventionen 7.1.1 Aktives einfühlendes Zuhören 7.1.2 Die Kunst des Fragens 7.1.3 Reframing/Umdeuten 7.1.4 Ressourcencheck 7.1.5 Feedback und Rückkopplung 7.2 Erlebnisaktivierende Interventionen 7.2.1 Umgang mit Sprache 7.2.2 Bewusstheit und Kontakt 7.2.3 Dramatisieren und Inszenieren 7.2.4 Begleiten und Unterstützen
8 Interventionsmedien: Kreative Medien, Körperarbeit und Bewegungserfahrung 8.1 Arbeit mit Symbolen 8.2 Metaphern, Geschichten und Texte 8.3 Die Kraft der Phantasie 8.3.1 Imagination 8.3.2 Tiefenimagination – Trancereisen 8.3.3 Träume 8.4 Körperarbeit und Bewegungserfahrung 8.4.1 Entspannungsformeln zur Einstimmung in Übungen 8.4.2 Tonuszustände des Körpers: Spannung – Entspannung 8.4.3 Atmen 8.4.4 Meditation 8.5 Bildnerisches Gestalten und die Arbeit mit Materialien 8.6 Symbolische Interaktion, Aufstellen und Skulpturieren 8.7 Musik 8.8 Rituale 8.9 Übungen zur Arbeit mit Interventionsmedien und Bewegungserfahrung
9 Systemcoaching: Arbeit mit Gruppen, Teams, Abteilungen, Gremien und anderen Systemen 9.1 Dynamik in Gruppen 9.2 Teamcoaching 9.2.1 Unterschiede zum Einzel- und Gruppencoaching 9.2.2 Prozessphasen im Teamcoaching 9.3 Übungen zum Team- und Gruppencoaching
10 Balancecoaching 10.1 Grundlagen der Balancekunst 10.1.1 Faktoren der Balance 10.1.2 Balance und Geschwindigkeit 10.1.3 Lebensphasen und Balance 10.1.4 Lebensdrehbuch und Lebensrichtung 10.1.5 Komplexität und Wirklichkeit 10.1.6 Vom Ich-Leadership zum Selbst-Leadership 10.1.7 Gelassenheit 10.2 Aus der Balance 10.2.1 Konfliktcoaching 10.2.2 Kriseninterventionen 10.2.3 Stressmanagement 10.2.4 Burnout 10.2.5 Mobbing 10.3 Übungen zum Balancecoaching
11 Selbstcoaching 11.1 Coaching des Selbst – Begriffsklärung 11.2 Aufgaben für den inneren Coach 11.3 Schritte zum inneren Coach 11.3.1 Verkörperung und Implantierung des inneren Coachs 11.3.2 Selbstakzeptierende Haltung 11.3.3 Erweiterung der Bewusstseinsbühne 11.3.4 Finden eines sicheren inneren Ortes 11.3.5 Entwicklung von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Selbstsorge 11.3.6 Selbstbefragung 11.4 Der innere Coach in Aktion 11.4.1 Phantasie und Imagination 11.4.2 Arbeitmit Symbolen 11.4.3 Kreative Medien 11.4.4 Körper- und Bewegungserfahrungen 11.4.5 Rituale 11.5 Übungen zum Selbstcoaching
Anhang I: Materialkoffer
Anhang II: Übersicht aller Übungen und Experimente
Über den Autor:
Kurt F. Richter (1943–2009), Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Supervisor und Coach, war 35 Jahre lang Dozent und Leiter des Fachbereichs »Psychotherapie und Beratung« an der Akademie Remscheid sowie Gründer und Leiter des Remscheider Instituts für Kompetenzentwicklung und Coaching (Rike). |
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