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01.10.2010
Haim Omer & Arist von Schlippe: Stärke statt Macht. Neue Autorität in Familie, Schule und Gemeinde
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Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010
360 S., broschiert
Preis: 24,95 €
ISBN-10: 3525402031
ISBN-13: 978-3525402030 |
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Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Thomas Blech, Opladen:
Dieses Buch führt den schon in früheren Büchern begonnenen Diskurs um eine zeitgemäße Betrachtung oder sogar Neuformulierung des Autoritätsbegriffs fort. Im Vorwort wird auf die problematische Spannung hingewiesen, welche sich im Begriff »Autorität« verbirgt. Die schwarzpädagogische Ideologie und Praxis der letzten Jahrhunderte und der institutionalisierte Missbrauch im deutschen Faschismus ließen den Begriff der Autorität nahezu zu einem Unwort werden. Somit stellen sich die Autoren Omer und von Schlippe einer nicht geringen Herausforderung.
Es ist mitunter aber angesichts der heutigen Erschütterung traditioneller Autorität, dem Versagen des antiautoritären, permissiven Erziehungsstils und der Verunsicherung der gegenwärtigen Eltern von zentraler Bedeutung, sich dem Problem von Autorität und damit auch Erziehung zu stellen. Doch im Gegensatz zu anderen Positionen (vgl. Bueb, 2006; Winterhoff, 2008), die für eine Abkehr von einem partnerschaftlichen Modell von Erziehung plädieren, verzichten die Autoren Omer und von Schlippe auf die Polarisierung eines »Entweder-oder« und entwickeln ein Konzept einer »neuen Autorität«, welches mit einem demokratischen und partnerschaftlichen Selbstverständnis und dem kulturellen Wandel des Autoritätsverständnisses vereinbar ist.
Im Buch wird der theoretischen Entfaltung des neuen Verständnisses von Autorität auch folgerichtig das erste Kapitel gewidmet. Hier werden schon zahlreiche Beispiele herangeführt, welche die Ausführungen unterstützen und sich als Methode, die theoretischen Ausführungen zu verdeutlichen, durch das ganze Buch ziehen.
Das zweite Kapitel, überschrieben mit »Wachsamer Sorge in der Familie«, entwickelt einen Grundbaustein der »Neuen Autorität«, die Präsenz, neben anderen zentralen Begriffen wie »offener Dialog« und »Aufrichtigkeit«. Anhand von Beispielen gehen die Autoren schrittweise und konkret den methodischen Ablauf durch, wie Eltern wieder an in diesem Falle sich selbst durch ihr Verhalten gefährdete Jugendliche herankommen und Vertrauen, Nähe, aber auch Autorität gewinnen. Hier wird deutlich, dass die Grundlage des Konzeptes das systemische Denken ist, denn die Eltern werden angeregt, »Helfer« mit einzubeziehen, die nicht zwangsläufig anwesend sein müssen, sondern auch durch eine »Telefonrunde« präsent sein können und die Eltern dadurch unterstützen.
Das nächste Kapitel widmet sich der »Gewalt von Kindern zu Hause« und verweist deutlich auf die beiden Kernbegriffe der neuen Autorität: Präsenz und Gewaltlosigkeit. Die Entwicklung eines Unterstützungsnetzes wird hier geschildert, was die Position der Eltern innerhalb der Familie verändert. Durch das Rekrutieren der Helfer werden sie zu den Anführern des gewaltfreien Kampfes gegen die Gewalt. Weitere Methoden wie das »Sit-in«, die »Dokumentation« oder »Wiedergutmachungstaten« werden im Detail beschrieben.
Im vierten Kapitel wird das schon angedeutete Rekrutieren von Helfern weiter ausgeführt, doch auf den Schulbereich konzentriert. Welche Bündnisse sind möglich? Wie können Schulleiter, Lehrer und die Eltern sich erfolgreich zusammenschließen und Autorität zurückgewinnen? Deutlich wird in diesem Kapitel die Bedeutung der Schule, in der Jugendliche einen großen Teil ihrer Lebenszeit verbringen.
Genau diesen Punkt entfalten die Autoren im fünften Kapitel, in dem es um die Präsenz und Aufsicht in der Schule geht. Was bedeutet hier konkret Präsenz hinsichtlich der komplexen Lehrerrolle? Die Präsenz des Lehrers wird in vier Wirkungsbereiche unterteilt: die körperliche, die emotional-moralische, die zwischenmenschliche Präsenz und die Präsenz im Verhalten. Diese vier Bereiche werden in diesem Kapitel ebenso ausgeführt wie konkrete Handlungsmöglichkeiten, wie der Lehrer in der Schule diese Präsenz (zurück)gewinnen kann.
Dass die Schule als eine zentrale Institution in ein Gemeinwesen eingebunden ist, wird im nächsten Kapitel deutlich. Denn auch im öffentlichen Raum wird die neue Autorität besonders bei der Handhabung von Gewalttaten und Vandalismus wichtig. Auch hier ist der Zusammenschluss von Schule, Eltern und eventuell anderen Institutionen entscheidend. Doch im Gegensatz zu einer »Wiedergutmachung«, welche einer Sichtweise der Autorität früherer Zeiten entspringt, nach der der Täter reuig seine Schuld eingestehen und Buße tun muss, sieht die Lage nun anders aus. Das Unterstützungsnetz bietet dem Täter bei Wiedergutmachungen, die die Gemeinschaft betreffen, Halt und steht ihm tatkräftig bei.
In Kapitel sieben geht es um die Beteiligung der Schüler am »Kampf gegen Gewalt«. Phänomene wie Mobbing, Ausgrenzung oder andere psychische Gewalt werden beleuchtet. Es wird dargelegt, wie die Schüler gegen diese Formen der Gewalt rekrutiert werden können. Sicher muss hier noch einmal die Bedeutung des Lehrers hervorgehoben werden, der mögliche Methoden unterstützend begleitet und für die Schüler jederzeit da sein muss. (Dass sich dafür die Rahmenbedingungen für Lehrer entscheidend verändert werden müssen, sei hier nur am Rande erwähnt!)
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der neuen Autorität im Gemeinwesen. Auch wenn einige Leser bei den Begriffen »Elternpatrouille« oder »Gemeindepolizist« an Überwachung und Kontrolle erinnert werden: Hier geht es zentral darum, aus einer »Ich-Stimme eine Wir-Stimme« zu formen und den Kindern bzw. Jugendlichen gegenüber zu sagen: »Die Eltern der Nachbarschaft haben sich zusammengetan, da wir uns in letzter Zeit über die Ereignisse bei euren nächtlichen Treffen Sorgen machen. Wir haben gemeinsam beschlossen, eure Aufenthaltsorte im Auge zu behalten« (S. 309).
Es muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass dieses Konzept voraussetzt, dass sich Jugendliche durch ihr Verhalten von den Eltern entfernt haben, und nicht dazu dient, jedes Kind in dieser Weise zu »kontrollieren.« Auf der anderen Seite warnen beide Autoren aber auch davor, auf das »erschütternde Ereignis zu warten, wie etwa eine Vergewaltigung, Komasaufen oder Ähnliches« (vgl. S. 310), um zu handeln und eine solche Elternpatrouille zu bilden. Wie diese genau handeln kann und soll, wird genau beschrieben, denn ein sinnvolles und angemessenes Verhalten ist hier von zentraler Bedeutung, da es nicht darum gehen soll, in jegliche Aktivitäten der Jugendlichen einzugreifen.
Das Buch gehört in die Hände von Eltern und Lehrer. Letztere werden in ihrer Rolle als Pädagogen ernstgenommen, wobei die Autoren es aber nicht unterlassen, auf Entlastungsmöglichkeiten durch die Bildung von Unterstützungsnetzwerken hinzuweisen.
(mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 3/2010)
Eine Leseprobe
Ein Bericht über einen Workshop mit Haim Omer zum ThemaNeue Autorität in der Schule - „Stärke statt Macht“
Verlagsinformation:
Die Erschütterung der erzieherischen Autorität gilt als eine der entscheidenden Ursachen für den dramatischen Anstieg von Gewalt und Kriminalität unter Kindern und Jugendlichen. Doch kann elterliche und pädagogische Autorität heutzutage nicht mehr auf Furcht, blinden Gehorsam und Machtausübung gründen. Es müssen die in unserer Gesellschaft vorherrschende Werte von freiem Willen, Individualität und kulturellem Pluralismus berücksichtigt werden. Die Psychologen Haim Omer und Arist von Schlippe führen den Begriff der »neuen Autorität« ein, der das Ergebnis eines langjährigen Denk- und Erfahrungsprozesses darstellt. Zu den zentralen Konzepten dieser neuen Autorität gehören Präsenz und gewaltloser Widerstand. Die Anwendung hat sich auch im Schulbereich bewährt, wo Eltern und Lehrer ein Bündnis gegenseitiger Hilfe und Unterstützung bilden, und bindet im darüber hinaus auch Gemeindemitglieder erfolgreich ein.
Inhalt:
Christan Hawellek: Vorwort zur deutschen Ausgabe
Idan Amiel: Vorwort zur hebräischen Erstausgabe
Arist von Schlippe: Zu diesem Buch
Kapitel I: Ein neues Verständnis von Autorität Autorität erleben – damals und heute Der Versuch, die Autorität früherer Zeiten wiederherzustellen Das Erleben einer neuen Autorität
Kapitel II: Wachsame Sorge in der Familie Komponenten der elterlichen wachsamen Sorge Wachsame Sorge und das Recht auf Privatsphäre Eine Vertrauensfrage Grade der wachsamen Sorge Die Telefonrunde Die Präsenz vor Ort Wachsame Sorge im Haus
Kapitel III: Gewalt von Kindern zu Hause Enthüllung und Schamgefühle Das Unterstützernetz und die Befreiung des Opfers aus dem Gefühl der Verlassenheit Das Unterstützernetz und der Wandel der elterlichen Position Die Verstärkung der wachsamen Sorge Das Sit-in Transparenz, Dokumentation und die öffentliche Meinung Wiedergutmachungstaten Emotionale Gewalt
Kapitel IV: Rekrutierung von Helfern in der Schule Das Rekrutieren von Helfern und der Aufbau von Bündnissen Das Bündnis unter Lehrern Das Bündnis zwischen Lehrern und Eltern Der Schulleiter und die neue Autorität Das Bündnis mit den Kindern
Kapitel V: Präsenz und Aufsicht in der Schule Körperliche Präsenz Emotional-moralische Präsenz Handelnde Präsenz Interpersonale Präsenz Präsenz als Netzwerk Präsenz im Klassenzimmer Suspension und Präsenz Die Präsenz der Eltern an der Schule Präsenzmentor Das Alarmsystem
Kapitel VI: Öffentlichkeit und Wiedergutmachung Die Rolle der Gemeinschaft Führung und Öffentlichkeit in einer bedrohlichen Lage Art und Aufgabe der Öffentlichkeit im Kampf gegen Gewalt Wiedergutmachung Wiedergutmachungshandlungen in Kindergärten Dorotheas Kindergarten
Kapitel VII: Die Beteiligung der Schüler am Kampf gegen Gewalt Das Rekrutieren der Schüler zum gewaltfreien Kampf gegen Gewalt Prinzipien des gewaltfreien Kampfes gegen Gewalt Der Bann Die Aneignung von Fähigkeiten zur Eskalationsvermeidung Breite Front von Kindern und Erwachsenen für den Kampf Führungseigenschaften im Kampf gegen Gewalt unter Kindern fördern Die zentrale Stellung des Schülers bei der Umsetzung der neuen Autorität
Kapitel VIII: Die neue Autorität im Gemeinwesen Elternpatrouille Die Gemeindepolizei Der Gemeindepolizist in der Schule Autorität und Gemeindeleben Der Kreis der neuen Autorität schließt sich
Literatur
Vorwort von Christian Hawellek:
Das vorliegende Buch »Stärke statt Macht« von Haim Omer und Arist von Schlippe führt den von ihnen begonnenen Diskurs um eine zeitgemäße Neubelebung des Autoritätsbegriffs weiter. Wie Puzzleteile formen die zentralen Konzepte aus früheren Veröffentlichungen der Autoren, nämlich Gewaltlosigkeit, elterliche Präsenz und antidämonische Dialogprinzipien allmählich die Konturen des Begriffs von einer neuen Autorität. Besonders den deutschen Lesern erscheint der Begriff der Autorität als ein positiver Leitbegriff der pädagogischen Beziehungsarbeit zunächst irreparabel beschädigt: Die schwarzpädagogische Ideologie und Praxis der letzten Jahrhunderte (Rutschky, 1977) in Kombination mit dem institutionalisierten Machtmissbrauch im deutschen Faschismus ließen den Begriff der Autorität in den Fachdiskursen zu einem Unwort werden. So kommt er in pädagogischen Fachlexika der 1960er und 1970er Jahre als eigenes Stichwort vielfach erst gar nicht vor, es sei denn in der ideologiekritischen Revision des Begriffs durch die antiautoritäre Bewegung. Vielleicht ist es von daher kein Zufall, dass der Impuls, den Autoritätsbegriff neu zu beleben und ihm einen neuen Sinn zu verleihen, aus Israel kommt. Zwar gab es auch hierzulande in den Debatten um den Wert des Autoritätsbegriffs immer auch Stimmen, die hervorhoben, dass »der pädagogische Begriff der Autorität nichts mit [...] ›autoritärer‹ Führung zu tun« hat (Groothoff, 1964, S. 79); diese sind jedoch eher blass geblieben und zeigten keine nachhaltigen Wirkungen. Wie schon in den Vorgängerpublikationen (Omer und von Schlippe, 2002, 2004) stellen die Autoren das Konzept der neuen Autorität in ein Gefüge neuer Prämissen. Ausgangspunkt ist die grundlegende systemtheoretische Erkenntnis, dass die Idee der Macht und damit die Idee der Macht durch Autorität und der Autorität durch Macht »erkenntnistheoretischer Schwachsinn [ist] und [...] unausweichlich zu verschiedenen Arten von Katastrophen« führt (Bateson, 1985, S. 625). An die Stelle einer Autorität durch Macht tritt eine neue Autorität durch Beziehungsarbeit, die Erwachsene wie Kinder in ihren Stärken anspricht und verbindet. Im Wesentlichen besteht diese Beziehungsarbeit in einer gelebten und vorgelebten Vermittlung von Werten wie Achtung, Be-achtung, Achtsamkeit, Würde, Pflicht und Ehre. Damit wird eine Dimension positiver Orientierung und werteorientierter Gesinnung respektvoll in die pädagogische Alltagsarbeit eingeführt, die vielfach illustriert, dass aller menschlicher Umgang, der diese Bezeichnung verdient, seine Grundlage in einer mutig gelebten Beziehungsethik findet. Die vielen Beispiele des Buches zeigen, wie Eltern eine Stärke entwickeln können, die sie zu ihrer Selbstachtung als Eltern und Menschen (zurück)finden lässt. Die in den beschriebenen Vorgehensweisen erkennbare Haltung ist ein wirksames Gegenmittel zu der vielerorts beklagten »parentalen Hilflosigkeit« (Pleyer, 2003). Durch die zunehmende Stärke der Erwachsenen und ihre respektvolle Haltung wird für die Kinder modellhaft erfahrbar, was ein präsenter, humaner Umgang miteinander im Alltag bedeutet. Damit herrschen gute Voraussetzungen, dass die positiven Stimmen in den Kindern ebenfalls stärker werden. Sich auf den Weg zu einer neuen Autorität zu machen – das zeigen vielfältige Beispiele in diesem Buch auch sehr anschaulich –, erfordert den Mut, zu den eigenen Grenzen zu stehen, die partiellen Allmachts- und Ohnmachtsphantasien hinter sich zu lassen und vor allem, sich aus der Isolation der Privatheit hinauszuwagen, um sich für Unterstützernetzwerke zu öffnen. Die Beiträge des Buches veranschaulichen solche Entwicklungsprozesse anhand vielfältiger Beispiele von Familien, Schulen und sogar ganzer Gemeinwesen. Die Unterstützernetzwerke folgen dem Prinzip »Solidarität« (Richter, 1994) und verleihen den Handlungen der Einzelnen die Kraft einer Solidargemeinschaft. Spätestens an dieser Stelle ist zu spüren, dass der Impetus zu diesem Buch aus einer Kultur kommt, in denen den Gemeinschaften eine prägende Bedeutung zukommt; man denke nur an die israelische Tradition der Kibbuzim. In der Gestaltung der Textbeispiele wird darüber hinaus eine offenbar auch kulturell geprägte, durchweg kämpferische Haltung spürbar, die sich bis in die Sprache niederschlägt und die durchaus gemischte Gefühle auslösen kann, etwa wenn davon die Rede ist, Unterstützernetzwerke zu »rekrutieren« oder »Elternpatrouillen« zu bilden. Der Gedanke, mit dem die Autoren dem Leser helfen, daran keinen Anstoß zu nehmen, ist der Umstand, dass es in der Tat immer ein Kampf ist, der geführt werden muss: nicht gegen Menschen, sondern gegen Vereinzelung und gewalttätiges Verhalten in allen seinen Facetten. Noch mehr ist es ein Kampf für ein achtsames und respektvolles Miteinander. Bei der Ausübung dieses Kampfes, der immer ein solidarisch getragener Kampf um die Menschenwürde ist, sind die Prinzipien Gandhis, insbesondere die Gewaltlosigkeit und die Beharrlichkeit, leitend. Als Erziehungs- und Familienberater freue ich mich, ein Buch vorzustellen, das sich durch seine engagierte und parteiliche Haltung für die Fundamente eines humanen und liberalen Miteinanders einsetzt. Im wohltuenden Gegensatz zu so manchem aktuellen Erziehungsratgeber bleibt es nicht vordergründig bei den Verhaltensweisen und -ratschlägen stehen, sondern arbeitet an dahinter stehenden Haltungen, die allen am Erziehungsgeschehen Beteiligten gleichermaßen Respekt zollen und Stärke zusprechen. Als Vater hätte ich mir gewünscht, diese Texte schon zu Zeiten gekannt zu haben, als die schwierigsten Auseinandersetzungen mit meinen Kindern stattfanden. Ich wünsche diesem Buch Leser, Fachmenschen und Eltern, die die vielfältigen, reichen Anregungen auf sich und ihre Situationen übertragen können und daraus Ermutigung und Stärkung beziehen. Christian Hawellek Leiter des Norddeutschen Marte-Meo-Instituts, Vechta
Literatur:
Bateson, G. (1985). Krankheiten der Erkenntnistheorie. In G. Bateson, Ökologie des Geistes (S. 614–626). Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Groothoff, H. (Hrsg.) (1964). Pädagogik. Fischer Lexikon Frankfurt a. M. Omer, H., Schlippe, A. von (2002). Autorität ohne Gewalt. Coaching für Eltern von Kindern mit Verhaltensproblemen. »Elterliche Präsenz« als systemisches Konzept. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Omer, H., Schlippe, A. von (2004). Autorität durch Beziehung. Gewalt- loser Widerstand in Beratung und Therapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Pleyer, K.H. (2003). Parentale Hilflosigkeit. Familiendynamik 28 (4) 467–491. Richter, H. E. (1994). Lernziel Solidarität. Reinbek: Rowohlt. Rutschky, K. (1977). Schwarze Pädagogik . Frankfurt a. M., Berlin: Ullstein.
Vorwort von Arist von Schlippe:
Dies ist nun das vierte Buch von Haim Omer, bei dem ich die Ehre habe, als Koautor der deutschen Fassung mitzuwirken (neben Omer und von Schlippe, 2002; 2004; Omer et al., 2007a). Mit einem gewissen Zögern bin ich dem Vorschlag meines Freundes und Kollegen Haim Omer gefolgt, auch dieses Mal in der bewährten Form zu kooperieren. Neben Zeitmangel und der Tatsache, dass wir beide mittlerweile in sehr unterschiedlichen Bereichen tätig sind, waren es auch inhaltliche Bedenken. Denn das Konzept eines ganz neuen Verständnisses von Autorität zu entwickeln, ist alles andere als ein bescheidenes Unterfangen. Es bedeutet, einen Wandel unseres kulturellen Selbstverständnisses anhand eines zentralen Begriffs zu kommentieren – und diesen Wandel damit zugleich weiter voranzutreiben. Es ist ein Begriff, der einen unglaublich großen Bereich der Beziehungen von Menschen im westlichen Kulturkreis beschreibt – beginnend mit den Beziehungen von Eltern und Kindern über die zwischen Schülern und Lehrern, Vorgesetzten und Mitarbeitern, Regierung und Volk. Wie verstehen wir Autorität? Welche Prämissen steuern unsere Ideen vom Verhältnis von »oben« und »unten«? Wie steht unsere Kultur zu Macht? Welche moralisch vertretbaren Bilder von Autorität entsprechen einer modernen, pluralistischen und freiheitsliebenden Gesellschaft, und wie können sie umgesetzt werden? Die Bilder von Autorität und die ihnen unterliegenden Prämissen haben sich im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts massiv verändert. Diese Veränderungen wurden in Deutschland nicht zuletzt vor dem Hintergrund des völlig entgleisten Autoritätsbegriffs des »Dritten Reiches« besonders intensiv diskutiert. Gerade in der Pädagogik, aber auch in Philosophie, Psychologie, Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen wurde in der Aufbruchsstimmung der 1970er und 1980er Jahre sehr engagiert diskutiert und nach neuen Konzepten von Autorität gesucht. Diese Debatte in unserem Kulturkreis auch nur angemessen aufzuarbeiten, würde ein ganz eigenes Buch erfordern. So habe ich, vor allem im I. Kapitel, versucht, zumindest einige der Argumentationslinien andeutungsweise einzuarbeiten. Denn ohne sie gäbe es auch die in diesem Buch vorgestellte »neue Autorität« nicht in dieser Form. In den späteren Kapiteln habe ich deutlich weniger geändert und ergänzt als in den vorhergehenden mit Haim Omer gemeinsam verfassten Büchern. Ich habe eher beeindruckt die Konzepte verfolgt, die in Israel entwickelt wurden, einem Land, das uns in vieler Hinsicht kulturell sehr ähnlich ist (Hofstede, 2003). Wie gut sie auf die gesellschaftliche Realität in Deutschland zu übertragen sind, wird sich zeigen. Ich bin bei manchen der sehr innovativen und mutigen Konzepten durchaus zögerlich (wie etwa der Elternpatrouille, die in Kapitel VIII vorgestellt wird), sehe aber den Wert ihrer Veröffentlichung im Anstoß von Diskussionen zu der Frage, wie sie hierzulande anzupassen seien. Ich habe Vertrauen und große Achtung gegenüber dem Konzept des gewaltlosen Widerstands, das sich engagiert die Aufgabe vornimmt, in die schwierigsten Bereiche der Beziehungen zwischen jung und alt vorzudringen, in Bereiche nämlich, in denen Jugendliche sich manchmal in lebensgefährliche Situationen hineinbegeben oder hineingezogen werden. Es sind Bereiche, in denen nicht nur Eltern und Lehrer an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten geraten und in denen Hilflosigkeit entsteht. Die oft ungewöhnlichen und pro vozierenden Interventionen, die hier vorgestellt sind, gehören zu den wenigen fachlich gestützten Möglichkeiten, diese Hilflosigkeit zu überwinden. Dieses Buch hat mir – so wie die vorhergehenden – geholfen, die Prämissen meines eigenen Verständnisses von Autorität erfolgreich zu hinterfragen und mir zugleich gewaltloses Handwerkszeug an die Hand gegeben für eine neue Praxis – eine Praxis der neuen Autorität. Zu danken ist an dieser Stelle auch und besonders Frau Miriam Fritz, Tel Aviv, die den hebräischen Originaltext ausgezeichnet ins Deutsche übertragen hat. Nach einer Phase der intensiven Beschäftigung mit diesem Text wünsche ich nun diesem Buch eine große und engagierte Leserschaft. Es ist zu hoffen, dass es die angesprochenen Personen, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Personen in der öffentlichen Verwaltung, Polizisten und natürlich Vertreter aller beratenden Berufe erreicht, in gutem Sinn verstört, anregt und belebt.
Über die Autoren:
Prof. Dr. phil. Haim Omer ist Lehrstuhlinhaber für Klinische Psychologie an der Universität Tel Aviv. Geboren 1949 in Brasilien, Promotion in Psychologie an der Hebrew University in Jerusalem (Ph. D.), 1986–1987: Postdoc im Fachbereich Psychologie an der Harvard University, Cambridge, MA, Hochschuldozent für Psychologie an der Tel Aviv University, seit 1998 Professor für Psychologie an der Tel Aviv University.
Prof. Dr. phil. Arist von Schlippe, Diplom-Psychologe, hat den Lehrstuhl für Führung und Dynamik von Familienunternehmen an der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke inne. Er ist lehrender Supervisor und Lehrtherapeut am Institut für Familientherapie Weinheim, Ausbildung und Entwicklung e. V.
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