Carl-Auer-Verlag
Dennis Bohlken, Bad Zwischenahn:
„Experiencing Erickson“ – unter diesem Titel erschien 1985 die Originalausgabe dieses Buches von Jeffrey K. Zeig. In Deutschland ist es erstmals 1995 unter dem Titel „ Die Weisheit des Unbewußten : hypnotherapeutische Lektionen bei Milton H. Erickson“ im Carl-Auer-Verlag mit einem Vorwort von Bernhard Trenkle erschienen. Das nicht nachlassende Interesse sorgt nun für die dritte Auflage. Wer sich für hypnotherapeutische Techniken, Interventionen und Theorien interessiert oder auch an der Person des „Lehrmeisters“ Milton H. Erickson interessiert ist, sollte von diesem Buch profitieren. Auch wenn es mittlerweile viele Bücher über Hypnotherapie und Hypnose nach Milton H. Erickson gibt, bietet der vorliegende Band meines Erachtens eine Menge an zusätzlichen Informationen, da viele Fälle und Beispiele zuvor nicht veröffentlicht wurden.
Jeffrey K. Zeig wurde ab 1973 sechs Jahre lang von Erickson ausgebildet, übrigens - wie Bernhard Trenkle in seinem Vorwort zur deutschen Auflage bemerkt - aufgrund fehlender Mittel völlig kostenlos. Ab 1979 hat Zeig dann ehrenamtlich für die Milton-Erickson-Foundation gearbeitet und vieles für die Verbreitung des Erickson‘schen Ansatzes getan. Das Buch ist von seiner Verehrung für seinen Lehrer durchdrungen. Es beginnt mit einer Beschreibung von Ericksons „Genie“ als Hypnotiseur, als Psychotherapeut, als Lehrer wie als Mensch. In diesem Kapitel wird die Persönlichkeit Ericksons, seine Fähigkeit, sich ganz unkonventionell und individuell auf seine Patienten einzustellen ebenso wie seine Fähigkeit, mit den Beeinträchtigungen, die ihm seine eigenen Krankheiten auferlegten, lebenszugewandt umzugehen, auf schöne Weise deutlich. Besonders beeindruckend ist die Tatsache, dass sich Erickson sein Wissen und Können weitgehend autodidaktisch im Umgang mit seinen Patienten erworben hat: „Da Erickson sich das Wesentliche selbst erarbeitet hat, war er von früheren Behandlungsmodellen unbelastet und konnte neue Wege bahnen. (…) Erickson hat (…) nie jemanden als seinen Lehrer anerkannt (…); er hatte keine psychoanalytische Ausbildung oder Supervision, wenngleich er die Literatur dieses Gebiets sehr gut kannte. Er brachte sich auch Hypnose bei“ (S. 39).
Im zweiten Kapitel wird auf 19 Seiten der Ericksonsche Ansatz beschrieben. Auf Techniken der Mehrebenenkommunikation, auf den Stellenwert von Interventionen und des Utilisations-Ansatzes geht der Autor jedoch nur selektiv ein.
Das dritte Kapitel enthält mehr oder weniger detaillierte Berichte von Gesprächen mit Erickson über Zeigs eigene Patienten, Beobachtungen von Ericksons therapeutischer Vorgehensweise und Berichte früher Patienten Ericksons. Anhand von mehr als 33 Beispielen werden gezielte Techniken, Manöver und Tranceinduktionen beschrieben, so dass jeder Laie nachvollziehen kann, wie Erickson gearbeitet hat. Darüber hinaus wird aber immer auch, wie schon erwähnt, ein exzellentes Bild von der Persönlichkeit Ericksons sichtbar. Es ist meines Erachtens durchaus zu empfehlen, sich Sekundärliteratur heranzuziehen, da vieles von dem, was Jeffrey Zeig beschreibt, dann besser nachzuvollziehen ist. Dies bezieht sich vor allem auf das 4. Kapitel des Buches, das auf 87 Seiten die ersten drei Ausbildungstage Zeigs bei Milton H. Erickson vom 3.-5. Dezember 1973 beschreibt. Es handelt sich dabei um ein Transkript: Zeig ließ mit Ericksons Genehmigung die ganze Zeit über ein Tonbandgerät mitlaufen. Die therapeutische Mehrebenenkommunikation Ericksons wird - auch in der persönlichen Begegnung mit dem Autor - anschaulich dokumentiert: „Mein erster direkter Kontakt verlief ziemlich ungewöhnlich. Ungefähr um halb elf Uhr nachts traf ich bei Ericksons ein. An der Tür begrüßte mich Roxanna. Sie gab ihrem Vater, der direkt links neben der Tür saß und fernsah, ein Zeichen und stellte mich ihm vor. Sie sagte: „Das ist mein Vater, Dr. Erickson.“ Erickson hob seinen Kopf langsam, mechanisch, in kleinen schrittweisen Bewegungen. Als er die horizontale Ebene erreicht hatte, drehte er seinen Kopf langsam, mechanisch, mit denselben schrittweisen Bewegungen zu mir hin. Als er sicher war, dass ich ihn mit ganzer Aufmerksamkeit ansah, und er mir in die Augen schaute, fing er wieder an, dieselben mechanischen, langsamen, schrittweisen Bewegungen zu machen und sah mich so entlang der Mittellinie meines Körpers von oben bis unten an. Ich war von dieser Art der Begrüßung, gelinde gesagt, ziemlich schockiert und überrascht. Noch nie hatte jemand zu mir auf diese Art „Hallo, willkommen“ gesagt. Einen Augenblick lang war ich kataleptisch – erstarrt – und wusste nicht, was ich tun sollte. Roxanna führte mich in ein anderes Zimmer und erklärte mir, ihr Vater sei ein Spaßvogel, der gerne seinen Schabernack treibe. Ericksons Verhalten war jedoch kein Schabernack. Es war eine ausgezeichnete nonverbale hypnotische Induktion“ (S. 117f).
Dieses Buch stellt meines Erachtens für all diejenigen, die sich für Hypnose, Hypnotherapie und Milton H. Erickson interessieren, eine Pflichtlektüre dar. Aufgrund der amerikanischen Originalausgabe ist dieses Buch nur wenigen bekannt und ich hoffe, dass es jetzt mehr Anwender finden wird. Für mich stellt es jedoch nicht unbedingt eine Einführung in Hypnotherapie dar, weil viele Basisinformationen nicht aufgeführt werden. Als weiterführende Literatur kann ich „Hoffnung und Resilienz“ von Dan Short und Claudia Weinspach empfehlen. Dieses Buch ist ebenfalls im Carl-Auer-Systeme Sortiment vorhanden und stellt meines Erachtens eine gelungene Einführung in Hypnotherapie dar.
Zur website der Milton-Erickson-Foundation
Zur website von Jeffrey K. Zeig
Verlagsinformation:
"Wer einen ganzheitlichen Eindruck von Milton H. Erickson als Mensch und Therapeut gewinnen möchte, der sollte dieses Buch von Jeffrey Zeig lesen. Zeig kam 1973 zu Erickson und wurde von ihm mehr als sechs Jahre unterrichtet und gefördert. Faszinierend das vollständige Transkript der ersten drei Tage des Einzeltrainings, das Erickson Jeff Zeig angedeihen ließ. Das Buch enthält viele, wenig bekannte Facetten der Arbeit und der Persons Milton H. Ericksons, deren Vermittlung nur aus Zeigs Insider-Perspektive möglich ist. Man erlebt aus der Nähe mit, auf welch außergewöhnliche Art Erickson lehrte, therapierte, supervidierte und wie er lebte. Dieses Buch ist nicht nur lehrreich, sondern auch gut lesbar und geradezu unterhaltsam. Eine besonders gelungene Einführung in die Hypnotherapie Milton H. Ericksons, in sein Leben und Werk."
Inhalt:
Vorwort zur deutschen Ausgabe… Vorwort zur amerikanischen Ausgabe… Einleitung…
Ericksons Kreativität… Der Hypnotiseur… Der Psychotherapeut… Der Lehrer… Der Mensch… Über Erickson: Sein persönlicher Stil im Verhältnis zu seinem Berufsleben… Wie Erickson sich selbst ausbildete… Die Fallgeschichte von John und Barney… Ericksons Stil…
Der Ericksonsche Ansatz… Ericksons Abweichung von zeitgenössischen Traditionen… Mehrebenenkommunikation… Der Stellenwert der Technik… Der Utilisationsansatz… Der Fall Joe… Der Fall Barbie…
Erfahrungen mit Erickson: Persönliche Therapie, Supervision, Berichte früherer Patienten und beobachtete Fälle… Einleitung… Die Utilisation von Kontexten und von Aufforderungen… Utilisation indirekter Methoden… Schreiben als Methode indirekter Kommunikation… Die Verbesserung der Erinnerungs- und Merkfähigkeit durch Anekdoten… Ein Modell für das Sterben… Einprägsame Einzeiler und Analogien… Indirektheit durch den Gebrauch von Analogien… Der Gebrauch einprägsamer Worte… Die indirekte Methode der Lenkung von Assoziationen… Indirekte Konfrontation… Direkte Konfrontation… Minimale Hinweise… Berichte früherer Patienten über ihre Therapie bei Erickson… Vorhersagen… Als Beobachter bei Ericksons Therapie…
Milton Erickson: Ein Transkript vom 3.-5. Dezember 1973… Erster Tag, 3. Dezember 1973… Zweiter Tag, 4. Dezember 1973… Dritter Tag, 5. Dezember 1973… Kommentar
Anhang A… „Meine Lebensgeschichte“ von Diane Chow Anhang B… Eva Parton Anhang C… Mollie Parton
Literaturverzeichnis…
Vorwort von Bernhard Trenkle:
Das Buch von Jeff Zeig über die Arbeit und den Menschen Milton H. Erickson ist ein ungewöhnliches Buch. Es bietet einerseits die einmalige Möglichkeit nachzuvollziehen, auf welch unübliche Art Erickson gelehrt, ausgebildet und therapiert hat. Andererseits fügt es dem bekannten Bild über Erickson viel unbekannte Facetten hinzu. Jeff Zeig kam 1973 als junger Therapeut zu Erickson, um von ihm zu lernen. Es wurde rasch ein intensives Lehrer-Schüler-Verhältnis. Die letzten Jahre bis zu Ericksons Tod zog Zeig dann ganz nach Phoenix. Da er die Ausbildung nicht bezahlen konnte, unterrichtete ihn Erickson all die Jahre, ohne etwas dafür zu verlangen. Die 1. Internationale Konferenz für Ericksonsche Hypnose und Psychotherapie im Dezember 1979 wurde von Jeff Zeig dann als Dank und Geburtstagsgeschenk noch zu Lebzeiten von Milton Erickson initiiert und vorbereitet. Er starb leider 8 Monate vorher, hat aber das sich abzeichnende große Interesse an dieser Konferenz noch miterlebt. Um diese Konferenz zu organisieren, wurde die Milton Erickson Foundation gegründet. In den nächsten 6 Jahren entwickelte sich die Foundation zu einer einflussreichen und angesehenen Institution. 1983 fand die 2. Internationale Erickson-Konferenz statt und 1985 versammelten sich auf Jeffs Zeigs Initiative in Phoenix auf der 1. Evolution of Psychotherapy-Konferenz erstmalig die führenden Köpfe der wichtigsten Psychotherapie-Schulen. Jeff war der Motor der vielfältigen Aktivitäten der Milton Erickson Foundation. Unterstützt wurde er dabei von seiner Frau Sherron Peters und Kristina Erickson M.D., der jüngsten Tochter von Milton Erickson. Die Arbeit der ersten 6 Jahre war völlig ehrenamtlich. Wie er mir einmal sagte, sei das sein Verständnis von Ausgleich. Erickson habe ihn ohne Bezahlung 6 Jahre unterrichtet und gefördert, und er habe dann 6 Jahre ohne Bezahlung für die Erickson Foundation gearbeitet. Noch heute arbeitet er für ein minimales Gehalt als Direktor der Erickson Foundation, und die Erträge der meisten seiner 13 Bücher fließen ebenfalls in diese Stiftung. Beim Lesen dieses Buches spürt man Jeff Zeigs Begeisterung und Bewunderung, die er Erickson und seiner Arbeit entgegenbringt. Die Sufis, die Mystiker des Islam, sagen, die Beziehung zu einem Meister durchlaufe drei Stadien: Bewunderung, Zurückweisung, realistische Sichtweise. Diese Stadien konnte ich bei vielen Freunden und Kollegen beobachten. Jeff zeig kenne ich seit Anfang 1979 und wir sind seit Anfang der 80er Jahre eng befreundet. Dabei habe ich mich immer mal gefragt, wie es bei ihm mit diesen Stadien ist. Seine Beziehung zu Erickson schien relativ gleichbleibend über diese Jahre: Begeistert und bewundernd, was Ericksons kommunikative Fähigkeiten betrifft. Gleichzeitig hatte Jeff jedoch immer eine abgegrenzte Haltung und vor allem einen eigenen therapeutischen Stil, der im Gegensatz zu anderen Schülern Ericksons wenig bis keine identifikatorische Nachahmung erkennen ließ. Seine Begeisterung für die formale Brillanz und die damit verbundenen menschlichen Qualitäten und weniger eine persönliche Idolisierung zu sein. Diese Haltung, sich für die therapeutische Kunst eines Altmeisters zu begeistern, und von ihr zu lernen, hat dann wohl auch zu der Idee beigetragen, die anderen AltmeisterInnen der Psychotherapie zu der Evolution of Psychotherapy zusammenzurufen. Diese Einstellung von Jeff Zeig ist in diesem Buch an vielen Stellen spürbar. Jeff Zeig gibt zuerst einen Einblick in seine Sichtweise der Arbeit und Person von Milton Erickson. Hier sind sowohl viele der bekannten Fakten über Erickson zusammengefasst als auch viele neue Facetten und Einblicke einem Bild hinzugefügt, welches nur aus seinem jahrelangen intensiven persönlichen Kontakt mit Erickson und seiner Familie in dieser Art entstehen konnte. Spannend auch in Kapitel 3 die Befragung ehemaliger Patienten von Erickson. Hier findet man nicht nur die Skizzen einiger unbekannter Fälle, sondern auch überraschende Vorgehensweisen. So war mir bisher nicht bekannt, dass Erickson seinen Patienten auch einmal Träume deutete. In einigen der dort skizzierten Fällen war die Therapie nicht erfolgreich, obwohl die Interventionen ähnlich faszinierend wie bei Erickson bekannten Erfolgsfällen waren. Oder wie sagte Jeff Zeig einmal nach der Schilderung einer ihm nicht so recht gelungenen Therapiestunde? „Hervorragende Technik, aber leider der falsche Klient dafür.“ Dieses Kapitel enthält ferner auch Beispiele für Supervisionen, die zeig von Erickson erhalten hatte, sowie Therapien, die er selbst beobachten konnte. Besonders berührend ist der Fall des jungen schizophrenen Mannes, den Erickson über Jahre täglich (!) abends zum Fernsehen empfing und ihn dabei in Gesprächen mit Hilfe eingestreuter therapeutischer Suggestionen stabilisierte. Zusätzlich hat Erickson ihm einige Dutzend Briefe geschrieben, d.h. genauer gesagt, hat Ericksons Hund Brief an den Hund des Patienten geschrieben. Einige dieser Briefe ebenso wie die vielen Limericks, die Erickson für diesen Patienten verfasst hat, sind ein beeindruckendes Beispiel für Ericksons Ausdauer, Geduld und Verantwortlichkeit. Erickson gilt ja als der Vater moderner lösungsorientierter Kurzzeittherapie. An diesem Beispiel zeigte sich, dass Erickson so lange und so intensiv arbeitete wie es die Situation und der Klient erforderten. Der für mich wertvollste Teil des Buches ist jedoch das vollständige Transkript der ersten drei Unterrichtstage, die Erickson Jeff Zeig angedeihen ließ. Wenn man dieses Transkript studiert, lässt sich erahnen, warum Jay Haley die Arbeit mit Erickson mit Zen-Praktiken verglich oder wie manche vermutet, dass Don Juan bei Castaneda eigentlich Milton Erickson sei. Als ich das Buch vor 10 Jahren zum ersten Mal las, habe ich – rückblickend betrachtet – in diesem Abschnitt nur Teile davon verstanden. Ich selbst beschäftige mich jetzt annähernd 20 Jahre recht intensiv mit Erickson Arbeit, aber dieses Transkript bietet immer noch Ansatzpunkte für neue Ideen bezüglich der Möglichkeiten und vor allem auch der Grenzen psychotherapeutischen Handelns. Unterdessen sind mehr als 20 Jahre vergangen, seit Jeff Zeig bei Erickson seine „Lehre“ begann. Hat sich Erickson. Engagement für den mittellosen jungen Psychologen gelohnt? Und hat sich Jeff Zeigs Begeisterung für die therapeutischer Kunst alter Meister und insbesondere sein Studium der Arbeit Milton Ericksons ausgezahlt? Mir scheint ja. Dieser Tage wurde mir die Statistik über die Verkaufszahlen der Videobänder der Hamburger „Evolution“-Konferenz für das Jahr 1994 vorgelegt. Bezüglich des Verkaufs von einzelnen Bändern liegt auf Platz 1 das Band des Hauptvortrages von Viktor Frankl. Auf Platz 2 folgt bereits das erste Band von Jeff Zeig. Bei den Gesamtverkaufszahlen, geordnet nach den Referenten, liegen auf Platz 1 exakt gleichauf Alexander Lowen und Jeff Zeig. Wer dieses mit Kopf und Herz geschriebene Buch liest, weiß warum.
Über den Autor:
Jeffrey K. Zeig, Ph. D., ist Gründer und Direktor der Milton H. Erickson Foundation, Inc., Mitglied der American Psychological Association (Division 29), der American Psychotherapy Association und der American Society of Clinical Hypnosis. Er ist Autor, Herausgeber und Mitherausgeber von 20 Fachbüchern und fünf Monographien über Ericksons Psychotherapie, Hypnose und Kurztherapie; Mitherausgeber zahlreicher Zeitschriften. Seine Bücher sind in elf Sprachen übersetzt. Jeffrey K. Zeig arbeitet in privater Praxis und leitet internationale Workshops in über 30 Ländern. Er ist Geschäftsführer des Fachbuchverlages Zeig, Tucker & Theisen (www.zeigtucker.com).
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