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Neuvorstellung zur Übersicht
27.08.2009
Ariane Bentner & Marie Krenzin (Hrsg.): Erfolgsfaktor Intuition. Systemisches Coachen von Führungskräften
Bentner, Krenzin Intuition Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008

217 S., broschiert

Preis: 22,90 €

ISBN-10: 3525403232
ISBN-13: 978-3525403235
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht





Klaus Schenck, Hirschberg:

Das Buch »Erfolgsfaktor Intuition« ist ein Kaleidoskop: eine facettenreiche Zusammenstellung von Einsichten in Coachingprozesse und die Rolle von Intuition darin. In sieben Kapiteln versucht es eine Abgrenzung von Coaching zur Psychotherapie, beleuchtet die Vielfalt der Definitionen von Intuition und die Frage nach ihrer Lern- und Trainierbarkeit, untersucht mögliche Einflüsse der eigenen Geschwisterposition auf das Verhalten von Führungskräften und wie sich Coaching als Lernformat in der systemisch-lösungsorientierten Einzelberatung nutzen lässt, stellt eine empirische Studie zum subjektiven Erleben von Führungskräften im Coaching vor und endet mit dem Praxisbeispiel einer komplexen Strukturaufstellung. Auch wenn zwischen den Facetten natürlich Fragen offen bleiben und die einzelnen Kapitel auch je nach Autorin sprachlich unterschiedlich ausgestaltet sind, kann sich die Lektüre sowohl für Coaches als auch für Führungskräfte lohnen. Erstere können womöglich ihre Intuition aktiver nutzen und Wirkungen auf Coaches aus deren Sicht weiter kennenlernen. Letztere können sich ein vielfältiges Bild von Coachingprozessen machen und damit besser einschätzen, ob es für sie nützlich werden kann, sich darauf einzulassen.
Die Kapitel im Einzelnen: Die Einführung in Kapitell skizziert das Umfeld, aus dem heraus Coaching an Bedeutung gewonnen hat, beschreibt, welche Vielfalt an Funktionen es heute erfüllen kann, und zeigt, wie das Buch aufgebaut ist. Ein Zitat fasst zusammen: »Coaching ist eine Institution geworden, in der erschöpfte Führungskräfte einen Boxenstopp einlegen und überlegen können, wie es weitergehen kann. Der Coach ist mal Seelentröster, mal Strategieberater und manchmal auch Ersatz für verlorengegangene soziale Beziehungen. Und Coaching ist zum (heimlichen) Fortbildungsprogramm für Führungskräfte geworden, die zunehmend an sich selbst, ihrer Persönlichkeit, ihren Soft Skills in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess arbeiten sollen. Von diesen Prozessen handelt unser Buch« (S. 9 f.)
Kapitel 2 vergleicht »Coaching« und »Psychotherapie« (»Couching«) und versucht eine Abgrenzung vorzunehmen. Zu den Gemeinsamkeiten gehören: die Zielorientierung der Begegnung, dass beide eine Verbesserung der Selbststeuerungsfähigkeit durch Wahrnehmungs- und Verhaltensrepertoire-Eweiterung anstreben, sowie die prozessberaterische Haltung. Die Abgrenzung bleibt dem Versuch zum Trotz etwas willkürlich und unscharf; die mangelnde Trennschärfe liegt dabei wohl schon in der Sache und nicht erst in der Beschreibung.
Kapitel 3 versucht eine Art Paradox: den so wenig rational wirkenden Begriff der »Intuition« rational zu ergründen. Schon die Vielfalt der Definitionsversuche von Intuition wirkt genauso wenig rational, klar und durchstrukturiert wie das, was der Begriff selbst bezeichnen soll. Knapp und einleuchtend gefällt die Beschreibung: »Intuition = etwas wissen, ohne zu wissen, warum wir es wissen«. Ob als »innerer Autopilot«, »somatischer Marker« oder »Geistesblitz« spielt sie in allen Phasen kreativer und beziehungsgestaltender Prozesse eine wesentliche Rolle. Das Kapitel trägt, wenn auch sprachlich stellenweise eher »diplomarbeitsakademisch«, viel Wissen über »Intuition« interessant und informativ zusammen.
Kapitel 4 eröffnet eine im Management ungewöhnliche Perspektive auf den möglichen späteren Einfluss der früheren Geschwisterposition auf das eigene Führungshandeln. Bemerkenswert trotz kleiner Stichprobe: Frühe Erfahrungen mit der eigenen - egal welcher Geschwisterkonstellation scheinen später intuitiv wieder gesucht zu werden. Die schönen Interviewausschnitte machen Überlegungen Einzelner zu diesem Thema lebendig.
In Kapitel 5 bietet Ariane Bentner vier Fallstudien aus ihrer Coaching-Praxis mit zweifachem Zweck an: a) als Angebot exemplarischer Situationen, die in Coachingprozessen vorkommen und relevant sein können, b) als Lernfeld ex post: zum Nach-Denken über kontingente, also ebenso mögliche alternative Deutungs- und Vorgehensweisen im Coachingprozess. So können zugleich an Coaching interessierte Führungskräfte mehr über die Vielfalt von Coaching- Vorgehensweisen erfahren als auch sogar fortgeschrittene Coaches ihr eigenes Interventionsrepertoire erweitern und ihre Reflexionslust vergrößern. Die Beispiele reichen von Mobbing bis zu interkulturellen Unterschieden.
Kapitel 6 wechselt die Blickrichtung: Hier geht es um entscheidende Situationen und Interventionen aus Sicht von Klienten. »Was erleben Führungskräfte im Coaching?«, fragte die empirische Studie (und zugleich Diplomarbeit) von Marie Krenzin. Was vom Coach als Werkzeug für Perspektivwechsel genutzt wird (z. B. zirkuläre Fragen, Arbeit mit der Zeitlinie oder mit den drei Wahrnehmungspositionen), wird von Klienten als Perspektiverweiterung, als Öffnen neuer Horizonte und Aha-Erlebnis erlebt.
Titelgebendes Zitat dazu: »Wenn man kommt und man sitzt im grauen Nebel oder im feuchten Sumpf, und man geht raus und die Füße stehen wieder auf festem Boden und man sieht ein Silberstreif am Horizont, es ist ein ungeheures Glücksgefühl, weil einem das sozusagen den Zugang zu den eigenen Ressourcen zurückgibt. Weil der war ja verschüttet oder verstellt. Und diese positive Sicht, danach bin ich süchtig, das kann ich nicht anders sagen« (S. 175).
In Kapitel 7 wird als letzter Baustein eine Aufstellungsarbeit vorgestellt. Sogenannte »systemische Strukturaufstellungen« gehen von der Methode des Familienstellens aus, aber in ihrem Repertoire und Anwendungsbereich inzwischen weit darüber hinaus. Das hier geschilderte Beispiel ist schon eher komplex - und zugleich ein schöner Schlussstein für das ganze »Kaleidoskop«.
Auch wenn die »Fugen zwischen den Bausteinen«, die unterschiedlichen Aspekte und Qualitäten der einzelnen Kapitel des Buches deutlich sichtbar bleiben, ist doch das »Bauwerk« insgesamt allen zu empfehlen, die eigenes Führungsverhalten besser reflektieren wollen _ sowohl als Führungskraft in Organisationen wie auch als Coach in einer Beratungsbeziehung.

(mit freundlicher Erlaubnis aus Kontext 3/2009)





Zur website von Ariane Bentner





Verlagsinformation:

In den letzten Jahren wurde Intuition – auch als emotionale Intelligenz bekannt – zunehmend zum Forschungsgegenstand. Verschiedene Studien haben zeigen können, dass Intuition eine zentrale Rolle in Entscheidungssituationen spielen kann, dass es oftmals besser ist, intuitiv auf sein »Bauchgefühl« zu hören, anstatt sich zu lange mit Gedanken zu befassen. Insbesondere für Führungskräfte, die zunehmend komplexe und unübersichtliche Situationen unter großem Druck managen müssen, kann Intuition bei der Planung, Entscheidung und Problemlösung eine wichtiges Handwerkszeug und eine gute Ergänzung zu rational-analytischem Vorgehen sein. Dieses Buch geht der Frage nach, was Intuition wissenschaftlich betrachtet genau ist, wo sie im Coaching nützlich eingesetzt werden kann, wie intuitive Prozesse im Coaching aus Sicht der Klienten verlaufen und welchen Einfluss sie auf den Coachingerfolg haben. Dazu haben die Autorinnen über 40 Führungskräfte zu deren Erfahrungen interviewt und die Ergebnisse ausgewertet. Fallstudien demonstrieren Coaching mit Intuition in der Praxis. Dabei werden auch lösungsorientierte Tools vorgestellt.


Inhalt:

Bentner, Ariane & Marie Krenzin: Coaching zwischen Seelentrost und Strategie-Beratung? Zur Einleitung. S. 7-13.
Krenzin, Marie: Braucht der flexible Mensch einen Coach? Oder muss er auf die Couch? S. 14-39.
Krenzin, Marie: ». und diese positive Sicht – danach bin ich süchtig«. Was erleben Führungskräfte im Coaching? S. 151-188.
Bentner, Ariane & Marie Krenzin: Team- und Leitungs-Coaching mit der Methode der systemischen Strukturaufstellungen. S. 189-210.
Krenzin, Marie: »Dass wir etwas wissen, ohne zu wissen, warum.« Intuition im Coaching. S. 40-76.
von Oertzen, Molly: Führen Erstgeborene anders? Geschwisterposition und Führungsverhalten. S. 77-104.
Bentner, Ariane: Coaching als Lernformat für Führungskräfte. Systemische und lösungsfokussierte Perspektiven für die Einzelberatung. S. 105-150.


Über die Autorinnen:

Dr. phil. Ariane Bentner, Diplom-Pädagogin, ist Organisationsberaterin und Supervisorin. Sie ist als Geschäftsführerin sowie Trainerin, Beraterin und Coach im eigenen Unternehmen in Darmstadt tätig.
Dipl.-Psych. Marie Krenzin ist Schulpsychologin im Schulamt Darmstadt und freiberuflich tätig als Coach.



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