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Neuvorstellung zur Übersicht
03.06.2008
Michael Hagner, Erich Hörl (Hrsg.): Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik
Hagner, Hörl: Transformation des Humanen Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2008

stw 1848, 450 S., broschiert

Preis: 14,00 €

ISBN-10: 3518294482
ISBN-13: 978-3518294482
Suhrkamp-Verlag





Wolfram Lutterer, Luzern:

Unter dem Titel „Transformationen des Humanen“ versammeln Michael Hagner und Erich Hörl vierzehn Aufsätze, welche aus verschiedenen Blickwinkeln heraus Aspekte einer möglichen Kulturgeschichte der Kybernetik beleuchten. Damit decken diese Aufsätze ein breites Spektrum ab. Es reicht von den theoretisch-programmatischen Reflexionen der Herausgeber bis hin zu kunst- und pädagogikhistorischen sowie linguistik- und philosophiegeschichtlichen Analysen.
Damit werden alle Leserinnen und Leser, die sich für die Geschichte des technizistischen Mainstreams der Kybernetik der Jahre von 1950 bis 1975 interessieren, Neues, teilweise Kurioses und vor allem Erhellendes finden. Die Vielfalt der Perspektiven verdeutlicht hierbei, wie sehr damals der kybernetische Jargon und insbesondere eine entsprechende technizistische Herangehensweise en vogue waren: Martin Heidegger erblickt in der Kybernetik den Gipfelpunkt der philosophischen Auslegung des Denkens, Helmut Schelsky in ihr eine Bedrohung für den demokratischen Staat und Jürgen Habermas setzt kybernetische Selbstregulation mit dem darwinistischen Kampf ums Überleben gleich.
Aber weder die Autoren des Buches heute noch die Kybernetiker damals belassen es bei bloßer Theorie. Die Weltausstellung des Jahres 1967 in Montreal gerät zu einem kybernetischen Riesenspektakel, das nicht nur den Beginn von Multimedia markiert, sondern auch den Einzelnen offensichtlich in sehr einzigartiger Weise zum Teil des Gesamten werden ließ. Andere Aufsätze thematisieren u.a. die kybernetische Pädagogik (mit dem Resultat, dass es diese nicht braucht), die Künste (welche den utopischen Impuls der Kybernetik reflektierten), die Linguistik (mit Fokus auf Roman Jakobson und die Sowjetunion), die Massenpsychologie (protokybernetische Denkfiguren bei Gustave Le Bon), den Kalten Krieg (Kriegswissenschaft im Zeichen der Kybernetik) sowie die Kybernetisierung der Hochschule (am Beispiel der ETH Zürich als ein offensichtlich eher zeitgenössisches als historisches Unterfangen).
Es kann allerdings nicht verschwiegen bleiben, dass das Vergnügen beim Lesen der Aufsätze zuweilen eingeschränkt wird. Einige der Autoren erachten es als von besonderer Bedeutung, nicht nur das Ende der Kybernetik (oder doch wohl eher des aufgeregten Diskurses über sie? Wir leben im Zeitalter der Selbststeuerung!) zu beschwören, sondern es klingt zuweilen eine gewisse Voreingenommenheit gegen sie als technizistische Neuinterpretation der Welt durch. Hier leidet das Buch unter seiner eng gewählten Perspektive. Mir wurde als Leser auch nicht immer klar, was manche der Autoren meinen, so beispielsweise, ob Rückkoppelung bzw. „Feedback“ eher als eine bloße Metapher aufgefasst wird oder aber als ein kybernetisch definierter Begriff.
Auch werden all jene, welche die Kybernetik als eine Kybernetik zweiter Ordnung kennen gelernt haben, im Sammelband von Hörl und Hagner wenig Neues finden. Denn jene, bereits seit den Anfangstagen mitschwingende reflexive Wendung der Kybernetik findet in den versammelten Aufsätzen keinen Widerhall. Aber dies macht es natürlich auch leichter, die einmal gezogenen Grenzen als solche zu halten und somit eine Konsistenz in der Beobachtung zu erzeugen.
Mit der Ausgrenzung von dem, was außer der technizistischen Initialzündung sonst noch aus der Kybernetik erwuchs, verbauen sich die Autoren leider jedoch auch eine breitere und solidere Perspektive. Und damit bleibt zumindest eine Kulturgeschichte der „legitimen Töchter“ der Kybernetik ein weiterhin zu leistendes Unterfangen: Neben der bereits benannten reflexiven Wendung der Kybernetik in Gestalt der „Kybernetik zweiter Ordnung“ (was nicht wirklich eine „Tochter“ darstellt) wären hier eine ganze Reihe von Theorie- und Praxisformen noch weiter zu erkunden: Chaostheorie, Robotik und moderne Kommunikationstheorie, weite Teile der Systemtheorie mitsamt den verschiedenen daraus abgeleiteten Therapieformen sowie die genetische Entwicklungspsychologie, aber auch Ökologie und Netzwerktheorie – all dies in bewusst ungeordneter Reihung und ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit diesem Vorbehalt sei die Lektüre der „Transformation des Humanen“ nachdrücklich empfohlen. Mit ihr ist ein wichtiger Anfang für die bisher ungeschriebene Kulturgeschichte der Kybernetik vollzogen. Es bleibt für alle Interessierte zu hoffen, dass es noch weitere so fruchtbare Arbeitstreffen geben wird, wie den dem Buch zugrunde liegenden Workshop, der im Jahre 2005 in Zürich durchgeführt worden ist.






Zu den Websites von Michael Hagner und Erich Hörl

Die ersten 20 Seiten des Buches als Leseprobe (PDF)





Verlagsinformation:

Die Kybernetik faßt den Menschen als komplexen Funktionsmechanismus auf, der sich nicht prinzipiell von Maschinen unterscheidet. Von Anfang an definierte sie sich als neue Einheitswissenschaft. Ihre Anwendungsfelder haben sich jedoch im Laufe der Zeit sehr stark gewandelt und mit ihnen auch die zugehörige Theorie. Um 1930 war die Kybernetik Generator und Träger einer beispiellosen Technisierung, Mitte der fünfziger Jahre wurde sie dann zu einem wissenschaftlich und gesellschaftlich wirksamen Arbeits-, Ordnungs- und Deutungsinstrument. Schließlich führte sie mathematisch- technisches Denken in die Humanwissenschaften ein und veränderte so nachhaltig das Verständnis des Sozialen, des Politischen und des Ökonomischen, des Psychischen, der Künste und auch des Denkens. Dieser Band rekonstruiert die wichtigsten Etappen ihrer wissenschaftshistorischen Entwicklung.


Inhalt:

Hörl, Erich, & Hagner, Michael: Überlegungen zur kybernetischen Transformation des Humanen. S. 7-37

Hagner, Michael: Vom Aufstieg und Fall der Kybernetik als Universalwissenschaft. S. 38-71

Pias, Claus: "Hollerith 'gefiederter' Kristalle". Kunst, Wissenschaft und Computer in Zeiten der Kybernetik. S. 72-106

Asendorf, Christoph: Die Künste im technischen Zeitalter und das utopische Potential der Kybernetik. S. 107-124

Borck, Cornelius: Der Transhumanismus der Kontrollmaschine: Die Expo '67 als Vision einer kybernetischen Versöhnung von Mensch und Welt. S. 125-162

Hörl, Erich: Das kybernetische Bild des Denkens. S. 163-195

Oelkers, Jürgen: Kybernetische Pädagogik: Eine Episode oder ein Versuch zur falschen Zeit? S. 196-228

Gerovitch, Slava: Roman Jakobson und die Kybernetisierung der Linguistik in der Sowjetunion. S. 229-274

Lotter, Maria-Sibylla: Schweine für die Vorfahren. Zu Roy Rappaports Kybernetik des Heiligen. S. 275-298

Stäheli, Urs: Protokybernetische Figuren in der Massenpsychologie. S. 299-325

Bröckling, Ulrich: Über Feedback. Anatomie einer kommunikativen Schlüsseltechnologie. S. 326-347

Pircher, Wolfgang: Im Schatten der Kybernetik. Rückkopplung im operativen Einsatz: operational research. S. 348-376

Tanner, Jakob: Komplexität, Kybernetik und Kalter Krieg. "Information" im Systemantagonismus von Markt und Plan. S. 377-413

Gugerli, David: Kybernetisierung der Hochschule. Zur Genese des universitären Managements. S. 414-439


Über die Herausgeber:

Michael Hagner ist seit dem 1. Oktober 2003 ordentlicher Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich. Geboren 1960 in Bochum, Deutschland, studierte er Medizin und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Nach der Promotion zum Dr. med. war er Postdoc am Neurophysiologischen Institut der FU (1987-89) und Visiting Scholar am Wellcome Institute for the History of Medicine in London (1989). Danach war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte der Medizinischen Universität Lübeck (1989-91) und am Institut für Geschichte der Medizin der Georg-August Universität Göttingen (1991-95) tätig, wo er sich 1994 an der Medizinischen Fakultät habilitierte. 1995 erhielt er ein Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit dem er an das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin ging, wo er von 1997 bis 2003 als Senior Scientist arbeitete. Hagner war Gastprofessor in Salzburg, Tel Aviv und Frankfurt a. M. und 2001 Fellow am Collegium Helveticum der ETH Zürich. 2000 wurde er mit dem Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.

Erich Hörl, geb. 1967, Studium der Philosophie in Wien und Paris, Promotion im Fach Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Arbeit »Die heiligen Kanäle. Historisch-epistemologische Untersuchungen zur archaischen Illusion der Kommunikation« (Erstgutachter: Prof. Dr. Th. Macho, Zweitgutachter: Prof. Dr. F. Kittler). 2003 – 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschergruppe »Bild-Schrift-Zahl« am Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin; 2004 – 2006 Assistenz für Technikphilosophie an der Professur für Philosophie der ETH-Zürich (Prof. Dr. M. Hampe).




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