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Neuvorstellung zur Übersicht
30.04.2008
Matthias Ochs, Rainer Orban: Familie und Beruf. »Work-Life-Balance« für Väter
Ochs Orban: Familie & Beruf Beltz-Verlag, Weinheim 2007

215 S., broschiert

Preis: 14,90 €

ISBN-10: 3407229011
ISBN-13: 978-3407229014
Beltz-Verlag





Norbert Schlüpen, Bonn:

Der rückwärtige Einband dieses mutigen und praktischen Ratgebers übertreibt mit seiner Kurzbeschreibung ganz und gar nicht. Es stimmt: hier legen zwei Fachmänner in Sachen Mann, Vatersein, Familie und Beruf eine wunderbare, stimmige, witzige, leichte, weise und „kurzweilige Lektüre nicht nur für Männer“ vor. Aus meiner Sicht sollte dies sogar eine Pflichtlektüre für beide Geschlechter sein, die in irgendeiner Weise etwas mit Familie und Berufstätigkeit zu tun haben. Damit sind auch Führungskräfte in Industrie und Wirtschaft angesprochen, die meinen, sie könnten das Rad der Arbeiter- und Angestelltenbewegung zurückdrehen, tausenden Mitarbeitenden Mehrarbeit aufdrücken bei gleichzeitiger Verminderung der Einkommen. Die Autoren sparen nicht an Hinweisen auf die aktuellen familienpolitischen Diskussionen. Und so empfehle ich unserer momentanen Familienministerin, in diesem Büchlein nachzulesen und zu bedenken, was das Wesentliche an einer familienfreundlichen Politik und Gesellschaft sein könnte und auch sein müsste: Bitte lesen Sie auf S. 29 die zehn guten „Gründe für Familienfreundlichkeit“! Gut, die allein erziehenden Väter kommen etwas arg zu kurz, für sie gelten aber auch andere Spielregeln für den Alltag. Zum Inhalt nun: In 13 wilden Kapiteln werden die Lesenden durch männliches Leben, Leiden und Scheitern gejagt; sie werden aber auch behutsam, bescheiden und demütig an die Hand genommen, um ihnen zu zeigen, wie ein Gleichgewicht zwischen Ansprüchen an ein Arbeitsethos und an einen väterlichen Familiensinn hergestellt werden und gelingen kann. Aber in aller wünschenswerten und notwendigen Deutlichkeit und Klarheit werden auch die (möglichen, automatischen, zwangsläufigen) Schwierigkeiten und Konflikte benannt, die für Männer auf allen Ebenen ihres familiären und beruflichen Lebens auftreten werden, wenn, ja, wenn sie sich für Veränderungen, Vereinbarungen und Regeln auf genau diesen genannten Ebenen entscheiden. 48 Tipps dazu erleichtern und ermöglichen die „Lebenskunst für Männer“, die, darüber sind die Verfasser sich mit einem Zitat (S. 185) von Arist von Schlippe einig, begleitet wird „von heftigen Gefühlen des Loslassens des Gewohnten, von Angst, Trauer, Schmerz“ – und dann kommt direkt die wie ein Schloss zum Schlüssel passende Parenthese – „ – und oft halten wir krampfhaft auch an quälenden Formen von Existenz fest, um genau diesen Gefühlen auszuweichen.“ Das klingt vielleicht trivial, trifft aber den Kern und kann deshalb nicht oft genug betont, aufgeschrieben und gelesen werden. Denn welcher Mann traut sich heute schon, in wichtigen familiären und beruflichen Entscheidungsprozessen seine Gefühle zu nutzen. Igittigitt! Gefühle bei Entscheidungen! – Hier ist der Mann angesprochen und gefordert, der auch und explizit im familiären Kontext lernen will und nicht nur im beruflichen Kontext von lernender Organisation spricht. Dieses Büchlein zeichnet sich dadurch aus, dass beide Bereiche immer wieder wissenschaftlich und erfahrungsbezogen miteinander korrespondieren. Das schaffen die Autoren mit Hilfe eines pfiffigen Tricks, indem sie nicht nur aus der gängigen Literatur zitieren, sondern auch Männer interviewmäßig zu Wort kommen lassen oder aus der eigenen Praxis Beispiele beschreiben. Überhaupt spricht ja nichts dagegen, für die Organisation der Familie aus der Organisationslehre für Firmen sich einiges herauszuschälen und anwendungsorientiert zu lernen, denn auch das wird Mannlein wie Fraulein durch die Lektüre klar: Regeln und Vereinbarungen, Genuss und einfach mal faul abhängen, Familienbereitschaft und Arbeitszufriedenheit gehören zusammen, stören sich im Idealfall nicht, lassen Beziehungen auf vielen Ebenen glücken. Und Lust auf mehr Zeit-Wohlstand macht das Büchlein allemal.

(mit freundlicher Erlaubnis aus systhema 2008)


Lothar Eder, Mannheim: … Vater sein dagegen sehr!

Glaubt man einigen vorliegenden Studien, so nimmt bei den deutschen Männern sowohl die Zeugungsbereitschaft als auch die Spermiendichte ab. Das vorliegende Buch der beiden Familientherapeuten Matthias Ochs und Rainer Orban ist bereits ihr zweites gemeinsames Werk (das erste und auch das dritte, das seit September 2008 vorliegt, beschäftigt sich vornehmlich mit der Situation von Alleinerziehenden, Scheidungskindern und sogenannten Patchworkfamilien). Es richtet sich vordergründig somit an diejenigen, die in ihrer individuellen Lebensausrichtung diesen Trend bereits durchbrochen haben. In zweiter Linie könnte es denjenigen Mut machen, die sich in ihrer Entscheidung unsicher sind – die Botschaft könnte lauten "Gelebte Vaterschaft ist machbar, nur Mut, liebe Männer".
Die beiden Autoren beschreiben in einer ansprechenden und durchweg gut lesbaren Form zahlreiche Probleme, die sich für Väter im Spannungsfeld von Beruf und Familie stellen, und sie präsentieren dafür gut nachvollziehbare und umsetzbare Lösungsideen. Die Themenpalette beginnt mit den bereits bekannten "Vereinfache dein Leben" (Simplify Your Life) – Strategien von Seiwert und Küstenmacher (zu deren erklärten Fans Ochs und Urban zu gehören scheinen); hierzu zählen vielfältige Anregungen, wie man Zeit, Familie und Arbeit erfolgreich organisieren kann. Im Mittelteil des Buches kommt der Stellenwert von Familienzeit, später auch derjenige von sozialer Vernetzung zur Sprache. Hier wird in gewisser Weise eine Haltung beschworen, welche dem kapitalistischen Credo entgegenläuft: nicht permanente Leistung und Akkumulation materieller Güter bzw. Geld sind ein befriedigendes Lebensziel, erfüllend sind letztlich gelingende und gelungene Nahbeziehungen. Eindrücklich wird dies anschaulich gemacht in der Passage eines Interviews, das die beiden Autoren mit Fritz B. Simon geführt haben. Auf die Frage, was er als Familientherapeut Männern raten würde, die Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben, antwortet Simon: "Sie sollten sich fragen, ob sie auf dem Sterbebett wirklich sagen werden: 'Ich hätte mehr ins Büro gehen sollen!'". Der letzte Teil des Buches beschäftigt sich mit den Themen "Entscheidungsprozesse" und dem Entwickeln eigener Visionen. 
Das Buch ist ausgesprochen leserfreundlich geschrieben, es besticht durch eine gute Gliederung und eine sowohl textlich als auch optisch gelungene Präsentation der Themen. Zahlreiche Graphiken machen Konfliktthemen und Lösungsmöglichkeiten anschaulich. Ein besonderes Schmankerl sind zahlreiche Interviews mit mehr oder weniger bekannten Zeitgenossen (z.B. mit dem Familientherapeuten und Organisationsberater Fritz B. Simon, dem Grünen-Politiker Fritz Kuhn oder dem Mitglied der Band "Notwist" Micha Acher). Dies lockert das Buch auf, ist außerordentlich unterhaltsam und eröffnet in guter systemischer Manier auf dialogische Weise unterschiedliche Perspektiven. An dieser Stelle könnte man auch eine Kritik an dem Buch plazieren: die Auswahl der Themen und der Interviewpartner erscheint insgesamt ein wenig "mainstreamig". Warum, so kann man fragen, wurde nicht beispielsweise ein Vertreter der Männerbewegung als Interviewpartner gewonnen? Dies wäre dem Thema "Mann-Vater" durchaus angemessen gewesen und hätte dem Buch möglicherweise eine weitere (Tiefen-)Dimension eröffnet. Überhaupt kann man fragen, ob sich die angesprochenen Problemthemen allesamt durch gute Organisation, das (sich selbst) Stellen guter Fragen und durch Entwickeln persönlicher Visionen hinreichend lösen lassen. Mit dieser Akzentuierung aber folgen die Autoren konsequent einer systemisch-lösungsorientierten Tradition. Fragen nach dem Motto "Wann ist Mann ein Mann?", "Wie findet ein Mann zu seiner Identität als Mann und Vater?", die sich in diesem thematischen Zusammenhang durchaus stellen, bleiben ausgeblendet. Sie sind, so läßt sich vielfach zeigen, für das Thema durchaus zentral und korrespondieren mit Mitscherlichs These vom "Erlöschen des Vaterbildes als Teil des Programms der Moderne". 
Für einen Ratgeber aber, und ein solcher liegt hier vor, hat das Buch eine überdurchschnittliche Reichweite und überzeugt durch seinen hohen Gehalt an relevanten Themen, an orientierenden Vorschlägen und nicht zuletzt durch seine vorzügliche Lesbarkeit und Unterhaltsamkeit. Für den am Thema interessierten Leser ist es demnach unbedingt empfehlenswert.





Das Inhaltsverzeichnis des Buches ist hier zu finden

Hier geht es zur Einleitung

Eine weitere Rezension von Holger Schlösser für "Gehirn & Geist"




Verlagsinformation:

Erfolgreich im Beruf sein und trotzdem genug Zeit für die Familie haben – wie können Männer mit dieser schwierigen Doppelanforderung umgehen? Wie können sie erfolgreich zwischen Beruf und Familie steuern? Das Buch stellt dafür konkrete Navigationshilfen vor: von Zeitmanagement bis »Living Simply«.


Über die Autoren:

Dr. sc. hum. Matthias Ochs, Dipl. Psych., geb. 1968, ist psychologischer Psychotherapeut und systemischer Familientherapeut (HSI/SG). Er arbeitet in einem Krankenhaus, wo er Kinder und Jugendliche mit onkologischen, psychosomatischen und chronischen Erkrankungen sowie deren Familien psychotherapeutisch betreut. Außerdem ist er als Familien-, Paar- und Einzelpsychotherapeut in einer Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle, als Lehrbeauftragter am Universitätsklinikum Heidelberg und als Dozent und Supervisor in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe tätig. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Thema »Familientherapie« - und Vater eines Sohnes.

Rainer Orban, Dipl. Psych., geb. 1967, Vater von zwei Kindern, ist Diplom-Psychologe und Systemischer Familientherapeut (IGST, SG). Der Leiter einer Kinder-, Jugend- und Familienhilfeeinrichtung lebt in Sulingen, 50 km südlich von Bremen. Hier und als Dozent von Fortbildungen beschäftigt er sich seit Jahren damit wie Familien geholfen werden kann, die Herausforderungen unserer Zeit adäquat zu bewältigen.




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