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29.07.2007
Rainer Schwing, Andreas Fryszer: Systemisches Handwerk. Werkzeug für die Praxis
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Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006
352 S., broschiert
Preis: 29,90 €
ISBN-10: 3525453728
ISBN-13: 978-3525453728 |
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Vandenhoeck & Ruprecht
Olaf Rosendahl, Göttingen:
Allgemein scheint zu gelten, dass die Psychotherapie und Beratung momentan den Weg geht von der „Konfession zur Profession“. Die Autoren des hier zu besprechenden Buches werfen ein gewaltiges Pfund dafür in die Waage, sich dieser Ansicht Klaus Grawes anzuschließen und bieten – bereits im Titel – das für eine solche Profession nötige Handwerkszeug an, nicht um es in den gutsortierten Bastelkeller zu hängen, sondern um damit zu arbeiten. Um es vorweg zu sagen: Dieses Angebot lösen Rainer Schwing und Andreas Fryszer mehr als ein. Von außen also nach innen: Der Aufbau des Buches ist schlicht im besten Sinne des Wortes und stringent und übersichtlich gegliedert, das Inhaltsverzeichnis bietet auch dem systemisch unbewaffneten Leser einen klaren Überblick, wohin die Reise geht. Der Index lässt nur diejenigen Lemmata vermissen, um die es in diesem Werkzeugkoffer nicht geht. Es ist kaum zu erwarten, dass der Klempner, der vor einem sanitären Problem steht, hierzu Käte Hamburgers „Logik der Dichtung“ benötigt. Der innere Ablauf der Kapitel folgt dem nachgerade klassisch gewordenen systemischen Wechselschritt: Exploration (erg. Synchronisation) – Information – Dezision – Intervention. Somit ist dieser Werkzeugkoffer auch (und vielleicht noch mehr) eine Bedienungsanleitung für das aufgeführte Instrumentarium. Jeder der Stationen wird, auch dies nicht unüblich, ein differenziertes Kapitel gewidmet, das in beinahe akademischer Gliederung die einzelnen Aspekte beleuchtet, in Kontexte einbettet und für die Praxis relevante und problematische Theoriefragen kurz und nachhaltig in Hintergrundexkursen anreißt. Als sehr schön sind hier die Fallbeispiele (doch wo ist die Personal- und Organisationsentwicklung) und die erhellenden Tabellen hervorzuheben, die, dem Impetus des Werkes folgend, stets auf die Ermöglichung konkreter Anwendung bezogen sind. Offenkundig und sehr erfreulich ist, dass Schwing und Fryszer ihre unbestreitbare Kompetenz nicht mit einer Unmenge von Literaturverweisen meinen beweisen zu müssen. Hinweise auf Weiterführendes steht sparsam, aber nicht geizig an den rechten Stellen, v. a. in den genannten Exkursen. So gehört sich das für einen Werkzeugkoffer. Auch, dass ich dort eine Rohrzange finde, wenn ich ein Siphon vor mir habe und einen Seitenschneider, wenn ich an die Elektrik muss. Eins für beides wäre wohl eher ungünstig. Diesem Prinzip folgend stellen die Autoren verschiedene, auch gegensätzliche, auch sich widersprechende systemische und benachbarte Ansätze dar, ohne die je spezifischen Kontexte zu verschweigen oder zu nivellieren. „… eine Fülle von handwerklichen Anregungen … . Das heißt aber nicht, dass hier eine Trickkiste angeboten wird, aus der man sich beliebig bedienen kann, um als neuer Zauberkünstler aufzutreten. Das ‚Wie’ des Handelns steht im Vordergrund …“, schreibt Margarethe Hecker im Vorwort des Buches und hat damit in nuce eigentlich alles gesagt. Es ist erfrischend und nüchtern, ein umfassendes Portfolio dargeboten zu bekommen, ohne Überzeugungsimperialismus. Wer anderes mag, sei an Bambergers „Lösungsorientierte Beratung“ verwiesen. Wer wissen will, „ob das Ganze denn auch in der Theorie funktioniert“ (F. B. Simon), dem sei das Lehrwerk von v. Schlippe und Schweitzer ans Herz gelegt, oder natürlich Simons „Unterschiede“. Dieses Buch könnte ein Lehrbuch sein. Es ist mehr zugleich und weniger. Schwing und Fryszer schreiben für die Situation der psychosozialen Beratung, dies ist ihr sys-thema, nicht das Gesamt der Theorie; sie setzen wenig an Vorwissen voraus, aber zumindest dies, die konkrete Situation. Es handelt sich also tatsächlich um ein Handbuch, dessen Aufgabe die klärende Information ist, das nicht auf – und seien es interessante – Neben- oder Abwege führt; kurz ein Buch, das man oft in die Hand nimmt, um selbst an die Hand genommen zu werden. Die dargestellten „tools“, können und sollten hierbei nicht mehr und nicht weniger sein als Winnicotts Teddybären: Übergangsobjekte, so sehr und solange man sie braucht. Dies wissen auch Schwing und Fryszer: „Wer all die hier vorgestellten Methoden brav und fleißig umsetzt, der wird zumindest eine Aktivität beim Gegenüber fördern: Flucht.“ – Das beste Werkzeug macht eben noch lange keinen guten Handwerker. Vorbei sind nun langsam die Zeiten, in denen –wie auch hier – geklagt wird, es mangele an grundlegender oder überschauender oder einführender Literatur zur systemischen Theorie und Praxis. Ob dieses Buch eine Lücke schließt, weiß ich nicht. Nur, dass es etwas mehr Klarheit (so hoffe ich) in meinen Kopf bringt, wenn ich mir die Werkzeuge und die Vorgehensweise der beiden anschaue. Was fehlt? Nun, nach meinem Bedürfnis hätte spezifischer auf die systemische Anwendung in Organisationen bzw. Institutionen eingegangen werden können. Nicht, dass das Werk hierzu nichts tauge, aber schön wäre es gewesen, hierzu Konkretes zu finden. Doch der Schwerpunkt ist bewusst und deutlich auf die klassischen psychosozialen Felder gelegt, nur wird dies aus dem Titel nicht deutlich. Der eine oder andere Nachweisfehler sei nachgesehen und „erläuternde“ Grafiken in systemischer Literatur sind Legende – mit unterschiedlichem Ansehen. Bleibt noch zweierlei Empfehlung: 1. Machen Sie sich den Spaß und versuchen das Buch zu exzerpieren – es ist unnötig, macht aber Spaß, das zu bemerken. 2. Andreas Fryszer spricht sich aus wie ein norddeutsches „frischer“ (also mit –ü-!), ich finde, das sollten Sie wissen, wenn Sie das Buch für Ihren Handapparat bestellen: die zweite Auflage wird gerade besorgt.
(Mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 2007)
Verlagsinformation:
Wer systemisch arbeitet, wird sich mit der Zeit sein Handwerkszeug passend zurechtlegen. Manchmal ist sicherlich auch ein Handbuch erforderlich, in dem man nachschlagen kann, je nachdem, in welchem Zusammenhang und mit wem man es zu tun hat. Ein solcher Werkzeugkoffer ist erst recht für diejenigen nützlich, die das systemische Handwerk erlernen oder in den ersten Gesellenjahren sind. Die beiden Autoren, erfahren als Ausbilder, Berater, Therapeuten und Supervisoren, leiten Schritt für Schritt durch die Phasen systemischer Arbeit: Beobachten, Informationen erfassen und dokumentieren, Aufträge klären, Hypothesen bilden, Ziele definieren; Maßnahmen planen und umsetzen. Das systemische Vorgehen wird so konkret dargestellt, dass es direkt angewendet werden kann. Zahlreiche Fallbeispiele veranschaulichen die Umsetzung in den verschiedenen Feldern psychosozialer Arbeit. Kurze Skizzierungen des theoretischen Hintergrunds runden die Darstellung des jeweiligen »Werkzeugs« ab. Das beschriebene Vorgehen ist keiner systemischen Richtung verpflichtet, sondern vermittelt schulenübergreifend wertvolles Know-how für alle Arbeits- und Berufsfelder.
Inhaltsverzeichnis:
Vorworte 1. Ein erster Blick in den Koffer: Was Sie wo finden 1.1 Zur inhaltlichen Gliederung 1.2 Zum formalen Aufbau der Texte – Hinweise für den Leser 1.3 Unsere theoretische Position: Schaschlik statt Gulasch!
2. Explorieren, beobachten, Anfänge gestalten 2.1. Was Sie hier erwartet. über die Einstiegsphase 2.2. Was ist das System und wer gehört dazu? 2.3. Gesprächsvorbereitung: Fakten, Sichtweisen 2.4. Vom Kontakt zum Kontrakt: Erstkontakte 2.5 Verhalten und Interaktionen beobachten 2.6. Eigene körperliche und emotionale Reaktionen beobachten
3. Informationen aufbereiten, analysieren und visualisieren 3.1. Genogramm 3.2. Map 3.3. Familien-Helfer-Map 3.4. Zeitstrahl 3.5. Soziogramme: Die Gruppe als System 3.6. Berichte
4. Entscheiden: Kontrakte schließen, Ziele setzen, Maßnahmen planen 4.1. Kontrakte als durchgängiges Prinzip systemischen Arbeitens 4.2. Hypothesen bilden und zur Arbeitshypothese verdichten 4.3 Hypothesenbildung in der Arbeit mit Migranten 4.4. Gute Ziele definieren 4.5. Gruppe als System: Hypothesenbildung
5. Handeln: Intervenieren und Prozesse begleiten 5.1. Skulpturen: Metaphern im Raum 5.2. Erweiterungen: Skulpturen in verschiedenen Settings 5.3. Zirkuläre Fragen 5.4. Kommentare 5.5. Zeugenarbeit 5.6. Verhalten modellieren: handlungsorientierte Interventionen 5.7. Kontexte modellieren: Netzwerkarbeit 5.8. Externalisierung 5.9. Metaphern und Geschichten 5.10. Zwischen den Sitzungen 5.11. Veränderungen begleiten und stützen 5.12. Abschiede und Abschlussphasen 5.13. Wann ist was günstig: Gibt es typische Verläufe?
6. Haltungen, Werte und Rollen im systemischen Handwerk 6.1. Haltungen und Werte 6.2. Die Kontrolle 6.3. Rollen der Beraterin: Teacher, Facilitator, Consultant, Evaluator
Literatur Register
Über die Autoren:
Rainer Schwing, Diplom-Psychologe, approbierter Psychotherapeut, ist systemischer Lehrtherapeut, Supervisor und Geschäftsführer von »praxis – institut für systemische beratung« in Hanau sowie freiberuflich als Psychotherapeut, Supervisor, Organsiationsberater und Coach tätig.
Andreas Fryszer, Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, ist Leiter der interkulturellen Beratungsstelle des Caritasverbandes Frankfurt a. M. und freiberuflich als Trainer, Supervisor, Organisationsberater und Coach tätig.
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