Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Neuvorstellung |
zur Übersicht |
26.05.2007
Kai-Uwe Hellmann, Rainer Schmalz-Bruns (Hg.): Theorie der Politik. Niklas Luhmanns politische Soziologie / Harald Bluhm, Carsten Fischer, Kai-Uwe Hellmann (Hg.): Das System der Politik. Niklas Luhmanns politische Theorie
|
|
|
Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2002
319 S., broschiert
Preis: 13,00 €
ISBN-10: 3518291831
ISBN-13: 978-3518291832 |
|
Harald Bluhm, Carsten Fischer, Kai-Uwe Hellmann (Hg.): Das System der
Politik. Niklas Luhmanns politische Theorie. Wiesbaden: Westdeutscher
Verlag 2003, 359 S., € 34,90
ISBN-10: 3531136925 ISBN-13: 978-3531136929
Suhrkamp-Verlag, Verlag für Sozialwissenschaft
Thomas Krumm, Marburg: Problemfortsetzungen. Zwei Tagungsbände versammeln Variationen zu Luhmanns politischer Soziologie
Wissenschaftliche
Paradigmenwechsel vollziehen sich bekanntermaßen weniger kumulativ als
eruptiv. Eine solche eruptive Umwertung politikwissenschaftlicher
Forschungsbestände könnte auch Luhmanns politische Soziologie
darstellen, die in der posthum erschienenen "Politik der Gesellschaft"
Höhepunkt und Abschluss gefunden hat, wenn es nicht immer wieder zu
"Immunreaktionen" der Politikwissenschaft gegen systemtheoretisches
Subsumieren kommen würde. Mit den beiden aus der Berliner
Luhmann-Tagung der DVPW im März 2001 hervorgegangenen Sammelbänden
liegt nun ein umfassender Überblick über Stand und Perspektive der
Rezeption systemtheoretischen Denkens durch die Politikwissenschaft wie
auch über die dadurch ausgelösten Abstoßungsreaktionen vor. Solche
"Immunreaktionen" der Politikwissenschaft sind wohl dahingehend zu
interpretieren, dass sie nicht recht weiß, ob systemtheoretisches
Denken etwas Eigenes oder etwas Fremdes ist. Diese Ambivalenz kommt
sehr deutlich im Titel des von Kai-Uwe Hellmann und Rainer
Schmalz-Bruns herausgegebenen Bandes zum Ausdruck: Als Theorie der
Politik ist Systemtheorie originär disziplinzugehörig, als politische
Soziologie mit begleitendem soziologischem Universalitätsanspruch droht
sie die Politikwissenschaft permanent zu brüskieren. Der immer wieder
platzierte Hinweis auf den "Mehrwert" und Nutzen des
systemtheoretischen Subsurnierens für die Politikwissenschaft sowie die
Frage, was die Politikwissenschaft von der Systemtheorie lernen kann,
indizieren hier die Nähe des systemtheoretischen
Universalitätsanspruchs zu einem brüskierenden Superioritätsanspruch.
Wenn Kai-Uwe Hellmann und Karsten Fischer in der Einleitung als Ziel
des zweiten Bandes angeben, die Luhmann-Rezeption voranzubringen, die
durch eine "Gemengelage aus Indifferenz und Ignoranz" (S. 9) gegenüber
systemtheoretischem Denken in der Politikwissenschaft bisher
aufgehalten worden ist, dann wird damit die Zurückhaltung Luhmanns
aufgegeben und der Universalitätsanspruch in die Nähe eines latenten
Superioritätsanspruch gerückt. Zugleich kommt in einer solchen
Formulierung ein avandgardistisches Selbstverständnis des
"systemtheoretischen Projekts" zum Ausdruck, dem die beiden
Tagungsbände ein doppeltes Forum der Bewährung nicht zuletzt vor dem
Hintergrund des anstehenden Generationswechsels bieten. Wie könnte
eine Reflexion der politikwissenschaftlichen Bewährung
systemtheoretischen Denkens aussehen? Unter dem Aspekt funktionaler
Vergleichbarkeit von Politik und Wissenschaft müsste denjenigen ein
besonderes Talent für die systemtheoretische Wissenschaft zugesprochen
werden, die - analog zur politischen Bewährung - die Fähigkeit
mitbringen, wissenschaftliche "Probleme zu erfinden, um Problemlösungen
zu vermeiden und andere damit zu beschäftigen. Auch kommt es in
beträchtlichem Umfange zur Heuchelei, insbesondere dazu, dass man die
Lösbarkeit der Probleme und den eigenen guten Willen dazu vortäuscht"
(Luhmann 2000: 247). Die Sammelbände würden dann die Beschäftigung
beschäftigungsloser Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit
selbsterfundenen Problemen zur Vermeidung von Problemlösungen
illustrieren. Mit der Präferenz für unlösbare Probleme, "über die man
folgenlos reden kann, weil ohnehin nichts Effektives geschehen kann"
(ebd.), müsste sich dann auch ausreichend gesichert die Autopoiesis der
Systemtheorie als Wissenschaft fortsetzten lassen (1)! Der Ausweis
eines politikwissenschaftlichen Nutzens der Systemtheorie ist nicht
zuletzt vor dem Hintergrund der Autopoiesis dieser Form
wissenschaftlichen Denkens zu sehen. Auch in der
(politikwissenschaftlichen) Systemtheorie geht es in dieser Perspektive
nur um "talk", um die Fortsetzung einer zwar etwas exzentrischen, aber
durchaus als Gesprächsstoff brauchbaren Form von Wissenschaft, oder
zugespitzt: um das Vortäuschen der Lösbarkeit selbstdefinierter
Probleme. Dieses Selbstreflexionsdefizit, dass in manchen der
Beiträge die Hoffnung aufblitzt, die Politikwissenschaft mit dem
"Mehrwert" der Systemtheorie bereichern zu können, sowie nachträgliche
Versuche der Charismatisierung einer Stifterfigur, lassen sich
theoriekonform kaum halten. Wie schwer ein souveräner Umgang mit diesem
Habitus ist, zeigt die gelungene Ausnahme von Beymes im ersten Band. Klaus
von Beyme legt in seinem Beitrag den Finger in die "Wunde des Staates"
der Systemtheorie. Trotz mehrfacher Metamorphosen der
Staatsbeschreibung (z.B. Luhmann 1968, 1981, 1987, 1995, 1998) ist es
der Systemtheorie nicht gelungen, eine befriedigende letzte Ruhestätte
für die Semantik des Staates zu finden. Während sich der
vorautopoietische Luhmann noch stark an den Schmittschen Dezisionismus
anlehnte, war er doch demokratisierter und besser auf "ein kluges
Situationsverständnis abgestimmt" (I47) als der possibilistische, zu
radikalen Ausdeutungen und Ableitungen neigende autopoietische Luhmann.
Das bei von Beyme nur angedeutete Dilemma des Staates als zentraler
Problembereich des Theorems funktionaler Differenzierung wird im
Beitrag von Wimmer aufgegriffen und einer innovativen Lösung zugeführt.
Wimmer kombiniert das Schema der Demokratie, der demokratischen
Binnendifferenzierung des politischen Systems, mit dem evolutionären
Mechanismus von Variation, Selektion und Restabilisierung. In der
politischen Öffentlichkeit, quasi der Peripherie der Politik, sieht er
die Funktion der semantischen Variation angesiedelt, im
ausdifferenzierten und institutionalisierten Mehrparteiensystem die
Aufgabe der Selektion und im Staat als (organisatorischem) Zentrum die
Aufgabe der Restabilisierung. Wimmers aufschlussreiche historische
Analyse beginnt mit der Ausdifferenzierung moderner Staatlichkeit seit
dem 16. Jahrhundert, gefolgt bzw. begleitet von einer sich zunehmend
emanzipierenden Öffentlichkeit und der Institutionalisierung eines
Mehrparteiensystems, das in evolutionärer Perspektive die Aufgabe der
Selektion politischer Issues übernimmt, aber auch den Prozess der
evolutionären Ausdifferenzierung der Demokratie zu einem vorläufigen
Abschluss bringt. Damit legt er eine homogene Alternative zu Luhmanns
stereotyper Vorstellung des Machtkreislaufs vor. Walter
Reese-Schäfir widmet seinen Beitrag ganz dem Parteiensystem der
Politik, "denn die Parteien stehen keineswegs im Mittelpunkt von
Luhmanns Politiktheorie" (S. 110). Luhmanns Zugriff auf das
Parteiensystem erfolgt primär organisationstheoretisch, weshalb das
Verhältnis von Parteiensystem und politischem System nach Ansicht
Reese-Schäfers noch keineswegs als hinreichend durchdacht gelten kann.
Während die organisationstheoretische Sichtweise insbesondere für die
Parteientheorie fruchtbar gemacht werden kann, klaffen zwischen der
politikwissenschaftlichen und der rudimentären systemtheoretischen
Beschreibung des Parteiensystems immer noch große Lücken. Desiderat
geblieben sind auch Luhmanns Bemerkungen zu einem systemtheoretischen
Verständnis politischer Öffentlichkeit, die Frank Marcinkowski in
seinem Beitrag zusammen trägt. Öffentlichkeit wurde zuletzt von Luhmann
ganz allgemein als eine Form der Reflexion von Systemgrenzen
verstanden, "die es den Sozialsystemen erlaubt, ihre Außengrenzen nicht
nur fallspezifisch über die Identifikationen anderer Systeme in der
Gesellschaft, sondern auch als generalisierte innergesellschaftliche
Umwelt zu beobachten und zu bezeichnen, die ansonsten keine Adresse
hat" (S. 93). Konkretisiert werden diese Beobachtungsverhältnisse für
die Politik durch das Theorem der "öffentlichen Meinung", durch welche
Politik und Massenmedien "strukturell gekoppelt" seien. Marcinkowski
sieht in diesem Arrangement Klärungsbedarf vor dem Hintergrund, dass
öffentliche Meinung kein ausschließliches Beobachtungsmedium des
politischen Systems ist, sondern genauso gut auch Kopplungsverhältnisse
zu Wirtschaft, Wissenschaft, Sport usw. beschreiben kann. Dennoch sieht
Marcinkowski in diesem Arrangement ein interessantes Potenzial für die
Analyse der inhaltlich-thematischen Eröffnung und Beschränkung
politischer Entscheidungsspielräume durch öffentliche Meinung. Ebenfalls
skizzenhaft bleiben die Ausführungen Luhmanns zum modernen
Nationalstaat, denen sich Jost Halfmann widmet. Halfmann rekonstruiert,
wie Luhmann die Form der Nation auf die Funktion der Inklusion in das
politische System und der Leistung der Inklusionsvermittlung in die
nichtpolitischen Funktionssysteme bezieht. Der moderne Nationalstaat
ist von Anfang an Wohlfahrtsstaat gewesen, der mit dem Problem des
physischen und sozialen Verbleibs, des Gemeinwohls oder des "Glücks"
seiner von allen ständischen Bezügen losgelösten Untertanen bzw.
Staatsbürger konfrontiert ist. Eine mit der nationalstaatlichen
Inklusion vergleichbare Bindungswirkung hatte zuvor keine andere
politische Instanz erreicht. Angesichts von Phänomenen wie
nachlassender politischer Teilhabe, Migration und Inklusionsvermittlung
durch supranationale Wohlfahrtspolitik sieht er eine Unterminierung
dieser Bindewirkungen, die auch nicht durch andere politische
Institutionen kompensiert werden kann. Da ein funktionales Äquivalent
für nationalstaatlich vermittelte Inklusion nicht in Sicht ist, stelle
diese Entwicklung ein potenzielles "Ausfallrisiko" für die unter
Redundanzverzicht kommunizierende funktional differenzierte
Gesellschaft dar. Gegenüber den zwölf Beiträgen dieses ersten
Bandes zeichnet sich der zweite, von Harald Bluhm, Karsten Fischer und
Kai-Uwe Hellmann herausgegebene Band durch einen breiten
theorievergleichenden Teil aus. Zunächst werden aber noch einmal
einzelne Grundbegriffe einer extensiven Rekonstruktion und Diskussion
unterzogen, wobei neben dem Komplex Massenmedien - öffentliche Meinung
- Öffentlichkeit immer wieder die Figur der "strukturellen Kopplung"
(und nicht die Komplementärfigur der "operativen Geschlossenheit", die
übrigens auf dem Umschlagbild durch eine "alteuropäische" Darstellung
des Uroboros symbolisiert wird) die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Abweichend
von diesem Forschungs-Mainstream befasst sich Klaus Holz mit dem
Problem der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Differenzierungsformen
in der modernen Gesellschaft: "Die Dominanz des Theorems funktionaler
Differenzierung in der Beschreibung der modernen Gesellschaft führt
dazu, die Gemengelage an Differenzierungsformen im Einzelnen zu Gunsten
einer primär funktionalen Beschreibungsfigur zu unterschätzen" (35).
Hier z.B. bietet das "gnostische Frageverbot" (Voegelin) eine
aufschlussreiche Perspektive an, die bis hin zur Grundfrage "gibt es
Systeme wirklich" erweitert werden kann. Holz rät dazu, die These vom
eindeutigen Primat funktionaler Differenzierung fallen zu lassen und
statt dessen von einer "wandelbaren Gemengelage an
Differenzierungsformen in der modernen Gesellschaft" (47) auszugehen.
Die segmentäre Differenzierung der Politik "in Staaten und Staatenbünde
[wird] ihre grundlegende Bedeutung für die Sozialstruktur der modernen
Gesellschaft auf alle absehbare Zukunft bewahren" (46). Holz
sensibilisiert damit für die Normativität des Postulats des Primats
funktionaler Differenzierung in der modernen Gesellschaft. Die
klassische Vorstellung politischer Integration durch (vorpolitische)
Werte wird von Thorsten Bonacker thematisiert. Die Integrationstheorie
muss, quasi dem Theorem operativer Geschlossenheit geschuldet, auf
Eigenleistungen des politischen Systems umgeschrieben werden.
Integration, so seine These, verläuft nicht über die Bindung von
Individuen an eine politische Gemeinschaft, sondern quasi virtuell über
die Symbolisierung von Gemeinschaft im politischen System. Die Frage
richtet sich also auf die Funktion von Gemeinschaft für die Integration
der Politik der Gesellschaft. Gemeinschaft wird im politischen System
der Gesellschaft quasi simuliert, da sie hier nur auf der Ebene der
Selbstbeschreibungen vorkommen kann. Bonacker versucht hier,
systemtheoretische Anschlüsse an das "Gemeinschaftsdenken"
herzustellen, indem er die "Gemeinschaft der Entscheider" der Politik
als eine symbolische Dimension des Gesellschaftlichen reformuliert und
so die unfruchtbaren Dichotomie von Gesellschaft und Gemeinschaft
umgeht. Die Gemeinschaft der Gesellschaft bleibt als "funktionale
Fiktion" (72) allerdings im Bereich des Imaginären, Unwirklichen. In
den vergleichenden Beiträgen wird versucht, die "Immanentisierung" der
Luhmann-Interpretation aufzuweichen, allerdings um den Preis einer
erheblichen Erhöhung der Inkonsistenz des Bandes. Leider bleiben dabei
auch in fast allen Fällen (mit Ausnahme des RC-Vergleichs von
Hans-Peter Burth) systematische Vorüberlegungen solcher Vergleiche im
Hinblick auf die Auswahl der Gesichtspunkte, auf die hin
Übereinstimmungen und Differenzen festgestellt werden sollen, aus. Für
eine solche Systematik des Vergleichens kann z.B. Schneider(1999) mit
dem Hinweis herangezogen werden, die Vergleichbarkeit nicht unmittelbar
über die Gegenstände herzustellen, sondern über die Rekonstruktion des
jeweils gewählten Bezugsproblems, das zu lösen sich die Theorie
anbietet. Zugleich sensibilisieren solche systematischen
Vorüberlegungen für das Bezugsproblem des Vergleichens selbst, also für
ein konfrontatives, auf den Nachweis von Leistungsüberlegenheit bzw.
Untauglichkeit ausgerichtetes Vorgehen, ein koordinierendes, nach
Synergien fahndendes oder schließlich ein
hermeneutisch-individualisierendes, das Verstehen erweitern wollendes
Vorgehen. So lässt sich beispielsweise der Beitrag von Hannelore
Bublitz über den Machtbegriff von Foucault und Luhmann eher einem
hermeneutisch-koordinierenden und der Vergleich der Strukturbegriffe
von Luhmann und Giddens von Jörn Lamla einem
hermeneutisch-konfrontierenden Typus zuordnen. Obwohl die beiden
Bände auf eine Tagung der Sektion Politische Theorie und
Ideengeschichte zurückgehen, ist eine ideengeschichtliche Einordnung
von Luhmanns politischer Soziologie faktisch nicht existent. Andreas
Goebel kehrt in seinem Beitrag die Analyserichtung sogar um und
skizziert "eine systemtheoretische Perspektive auf die politische
Ideengeschichte". Lediglich v. Beyme leistet im ersten Band, zum
Beispiel mit dem Hinweis auf den demokratisierten Dezisionismus, immer
wieder wertvolle Vorarbeit. Neben der mystifizierten
Entscheidungsdimension des Politischen (verklärend "das Mysterium der
Entscheidung" genannt) wäre eine ideengeschichtliche Einordnung der
Vorstellung einer "höheren Amoralität" (Hellmann 2002: 31, 40;
Hellmann/Fischer 2003: 12) fruchtbar gewesen, drängen sich hier doch
Bezüge zur einschlägigen Semantik um Nietzsche auf (2). Eine
ideengeschichtliche Bewältigung des Phänomens Luhmann steht nach wie
vor aus. Die zentrale Herausforderung systemtheoretischen Denkens
für die Zukunft dürfte sein, den Universalitätsanspruch nicht in einen
immer neue Abstoßungsreaktionen hervorrufenden Superioritätsanspuch zu
transformieren. Die bescheidenere Option wäre, dass eine
"possibilistische" Systemtheorie (Schützeichel 2003) durch
soziologische Aufklärung die Selbstbeschreibung der Politikwissenschaft
in einer Weise zu beeindrucken sucht, dass sie deren Kontingenzen
hervorhebt und auf andere Möglichkeiten ihrer Operationen und
Strukturen hinweist, um im Spiel der Möglichkeiten ein Gespür für
politische Wirklichkeit zu entfalten. Dazu müsste sie sich
ausführlicher mit der Eigensinnigkeit politikwissenschaftlicher
Wissensbestände befassen. Die Schärfung der Konturen der
Politikwissenschaft als Wirklichkeitswissenschaft bleibt
Zukunftsaufgabe. Zugleich müsste die Frage des Lernens in einer
Bidirektionalität aufgeworfen werden, die die Systemtheorie für Lernen
von der Politikwissenschaft öffnet. Zumindest ist dadurch zu lernen,
Immunreaktionen und Brüskierungsverluste zu minimieren.
Anmerkungen:
(1) Zur Erinnerung: Für das politische System hat Luhmann eine
Vorliebe zur Lösung unlösbarer Probleme durch „symbolische Politik“
beobachtet. Es drängt sich nun die Frage auf, ob sich in der
(Politik)Wissenschaft nicht analoge Tendenzen zur „symbolischen
Wissenschaft“ feststellen lassen. (2) Durch die Frage Nietzsches
(1999: 11) „Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. Was habt
ihr getan, ihn zu überwinden?“ würde sich die Gemeinschaft der
Systemtheoretiker kaum in Verlegenheit bringen lassen und
wahrscheinlich mit dem Hinweis auf den „Beobachter zweiter Ordnung“ als
einem modernen Äquivalent des „Übermenschen“ antworten.
Literatur: Luhmann, Niklas (1968): Soziologie des politischen Systems, in: ders., Soziologische Aufklärung 1, Opladen, 154 - 177. Luhmann, Niklas (1981): Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, München. Luhmann, Niklas (1987): Staat und Politik. Zur Semantik der Selbstbeschreibung politischer Systeme, in: ders.: Soziologische Aufklärung 4, Opladen, 74-103 Luhmann,
Niklas (1995): Metamorphosen des Staates, in: ders.:
Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 4, Frankfurt a.M., 103-137. Luhmann,
Niklas (1998): Der Staat des politischen Systems, in: Beck, Ulrich
(Hg.): Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt a.M. 345-380. Nietzsche, Friedrich (1999): Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, München. Schneider,
Wolfgang L. (1999): Verschiedene Möglichkeiten, Theorien miteinander zu
vergleichen, oder: Wie vergleicht man Weber mit Luhmann?, in: Struktur
und Ereignis in theorievergleichender Perspektive, hrsg. von R.
Greshoff / G. Kneer, Opladen - Wiesbaden, 287-315. Rainer Schützeichel (2003): Sinn als Grundbegriff bei Niklas Luhmann, Frankfurt a.M. Voegelin, Eric (1999): Der Gottesmord, München.
Inhaltsverzeichnis von Kai-Uwe
Hellmann & Rainer Schmalz-Bruns (Hrsg): Theorie der Politik. Niklas
Luhmanns politische Soziologie
Hellmann, Kai-Uwe: Einleitung. S. 11-37
Nassehi, Armin: Politik des Staates oder Politik der Gesellschaft? Kollektivität als Problemformel des Politischen. S. 38-59
Bora, Alfons: "Wer gehört dazu?" Überlegungen zur Theorie der Inklusion. S. 60-84
Marcinkowski, Frank: Politische Öffentlichkeit. Systemtheoretische
Grundlagen und politikwissenschaftliche Konsequenzen. S. 85-108
Reese-Schäfer, Walter: Parteien als politische Organisationen in Luhmanns Theorie des politischen Systems. S. 109-130
Beyme, Klaus von: Der Staat des politischen Systems im Werk von Niklas Luhmann. S. 131-148
Simsa, Ruth: Strukturelle Kopplung: Die Antwort der Theorie auf die
Geschlossenheit sozialer Systeme und ihre Bedeutung für die Politik. S.
149-170
Lange, Stefan: Die politische Utopie der Gesellschaftssteuerung. S. 171-193
Giegel, Hans-Joachim: Die demokratische Form der Politik in Luhmanns Gesellschaftstheorie. S. 194-222
Wimmer, Hannes: Demokratie als Resultat politischer Evolution. S. 223-260
Halfmann, Jost: Der moderne Nationalstaat als Lösung und Problem der Inklusion in das politische System. S. 261-286
Stichweh, Rudolf: Politik und Weltgesellschaft. S. 287-296
Demirovic, Alex: Ohnmächtige Differenz und die Konstitution der Politik. S. 297-316
|
|
|