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Neuvorstellung zur Übersicht
05.03.2007
Nadine Reiband: Klient, Therapeut und das unbekannte Dritte. Placeboeffekte in der Psychotherapie und was wirklich wirkt
Reiband Klient Therapeut Systemische Forschung im Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2006

119 S., kartoniert

Preis: 16,95 €
ISBN-10: 3896703544
ISBN-13: 978-3896703545
Carl-Auer Verlag





Wolfgang Loth, Bergisch Gladbach:

"Ja gut, so langsam möchte man wirklich wissen, „was wirklich wirkt“ in der Psycho(sozialen)therapie, es interessiert einen ja doch, auch wenn die Versuche, das zu ergründen, ebenso Legion wie Variation von Ausschnittswissen sind. Vielleicht ist es ja mittlerweile so, dass Unterschiede, die hier einen Unterschied machen, sich weniger aus verkündeten Inhalten ergeben als aus der Art und Weise, wie jemand seinen Weg schildert, mit den Inhalten umzugehen. Und da kann man sich im vorliegenden Fall nur angenehm wundern über die sachkenntliche und beinahe ausgereifte Art, in der hier eine Diplomarbeit zum Thema verfasst wurde. Das beeindruckt mich schon, auch wenn die diskutierten Inhalte für LeserInnen, die das Thema in den letzen Jahren verfolgt haben, so neu nicht sein dürften, und das Buch von Hubble, Duncan und Miller (2001), das ebenfalls im Titel die Auflösung der hier gestellten Frage verspricht, in der Literatur nicht vorkommt. Dennoch erscheint die verwendete Literatur für eine Diplomarbeit auf einem sehr guten und aktuellen Stand, Kompliment! Und gleich das Gesamtfazit an dieser Stelle dazu: sowohl eine gut fundierte Anregung sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen, als auch gut zum Nachschlagen geeignet.
Im Kern diskutiert die Autorin ihr Thema auf der Grundlage eines positiven Bias für ein kontextbezogenes Modell der Psychotherapie im Unterschied zu einem medizinischen. Insbesondere die Arbeit von Jerome Frank bildet die Grundlage. Im Zusammenhang mit einer zwar kappen, aber fundierten Auseinadersetzung mit Forschungsfragen und den sich daraus ergebenden Friktionen unterstreicht die Autorin das Dilemma, dass die Placebofrage im Bereich der Psychotherapie nicht im strengen Sinne bearbeitet werden kann: In der Psychotherapie könne kein spezifischer Inhalt verabreicht werden, ohne  dass auch ein zufälliger Inhalt mitgeliefert werde (S. 18), und ein psychotherapeutisches Placebo beinhalte immer einen „Wirkstoff“, der notwendig sei für eine hilfreiche Behandlung (S. 32). Daher: „Die Bedingung, dass der Therapeut nicht weiß, ob er Placebo oder Wirkstoff verabreicht, ist in der Psychotherapie unmöglich. Das bedeutet, dass immer der Faktor „Erwartung“ mit dabei ist und wirkt“ (S. 34). Ich stelle mir dazu vor, was in einer Klientin vorgeht, wenn ihre TherapeutIn sagen würde: „Ich werde Ihnen jetzt einmal nicht helfen. Wir machen einfach nur Placebo!“ Ich fürchte, wer sich das nicht als irgendwie hintersinniges Hilfeangebot umdeuten würde, hätte wirklich ein ernstes Problem, vermutlich ein größeres als das, sich mit den Vertracktheiten von Effektstärken oder Seriendesigns herumplagen zu müssen. Die Autorin tut hier ihr Bestes, doch man muss es wohl mögen als LeserIn, um freiwillig mehr daraus machen zu wollen. Immerhin: es ist schon interessant, wenn man erfährt,  wie sich Effektstärken schon allein dadurch erheblich zu unterscheiden beginnen, ob betroffene Autoren in der Untersuchung involviert waren oder nicht. Grad wie im „richtigen“ Leben!
Ein wenig irritiert war ich gegen Ende des Buches dann doch, als immer deutlicher die besondere Bedeutung von Therapeutenvariablen für die Varianz von Therapieergebnissen in den Vordergrund rückten. Zwar scheint es mir sinnvoll, dass der Bereich wieder deutlicher thematisiert wird, was genau denn TherapeutInnen dazu beisteuern, dass etwas Sinnvolles in einem so nichttrivialen Unternehmen wie Therapie entstehen kann. Etwas zu pointiert schien mir dann jedoch die Formulierung: „Die Essenz einer Therapie wird durch den Therapeuten verkörpert“ (S.81). Wenn Therapie kontextbezogen betrachtet wird, kann nach meinem Verständnis nicht ein beigesteuertes Element die Essenz verkörpert, da müsste m. E. die Interaktion stärker in die Pflicht genommen werden. So war ich erleichtert und versöhnt, dann schließlich den Satz lesen zu können: „Der Faktor ’Klient’ geht Hand in Hand mit dem Faktor ‚Therapeut’ (S.99). So käme sie dann doch zusammen, die gemeinsame factory, und bis auf weiters vermute ich, dass es denn auch das ist, „was wirklich hilft“."

(mit freundlicher Erlaubnis aus Systhema 1/2006)






eine weitere Rezension von Claus Fritzsche für psychophysik.com





Verlagsinformation:

"Die Autorin beschäftigt sich mit der Frage, ob es Placeboeffekte in der Psychotherapie gibt. Dabei werden gängige Forschungsmethoden kritisch hinterfragt. Schlussendlich kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass viele wissenschaftliche Untersuchungen schlichtweg falsch sind und dass das Wort "Placeboeffekt" in der Psychotherapie keinen berechtigten Platz hat. Weder in der Theorie noch in der Forschungspraxis ist ein korrekter Placebovergleich möglich. Um die Wirkmechanismen der Psychotherapie zu erforschen, bedarf es anderer Versuchsbedingungen. Die Autorin stellt bislang unbeachtete Wirkfaktoren dar. Ihr Fazit: Es sind ganz spezielle unspezifische Faktoren, die eine Veränderung bewirken. Es ist relativ egal, welche Psychotherapie-Methode der Therapeut anwendet. Seine Kompetenz und die Überzeugungskraft, mit der er seine Methode vertritt, bewirken mehr als die Anwendung eines Manuals. Die Autorin plädiert für ein neues Modell der Psychotherapie, das sich von dem der Medizin, an welches sich die forschenden Psychologen noch immer sehr anlehnen, distanziert. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein darf sein: Psychotherapie ist kein Placebo. Psychotherapie wirkt."


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung
1.1 Definition und Begriffsklärung
1.1.1 Placebo und Placeboeffekt
1.1.2 Medizin und Psychotherapie
1.1.3 Generelle und spezifische Effekte
1.1.4 Placeboeffekte als Nebenprodukt
1.1.5 Bewertung von generellen und spezifischen Faktoren
auf einer Meta-Ebene

2 Vergleich verschiedener Modelle
2.1 Das medizinische Modell
2.2 Vergleich: Medizinisches Modell der Psychotherapie versus medizinisches Modell der Medizin
2.3 Unterschied zwischen dem medizinischen Modell der Medizin und dem medizinischen Modell der Psychotherapie
2.3.1 Annahmen des medizinischen Modells der Psychotherapie
2.3.2 Momentaner Stand des medizinischen Modells der Psychotherapie
2.4 Das kontextbezogene Modell der Psychotherapie
2.4.1. Theoretische Integration und Technischer Eklektizismus
2.4.2 Das kontextbezogene Modell

3 Psychotherapie - Ein Placebo?
3.1 Historie und Stand der Dinge

4 Placeboeffekte in der Psychotherapie
4.1 Psychotherapieforschung und ihre Methoden
4.1.1 Das vergleichende Design mit Placebo-Kontrolle
4.2 Der Begriff Placebo in der Psychotherapie
4.2.1 Die Schwierigkeit, ein psychotherapeutisches Placebo zu definieren
4.3 Placebo als „Untergruppe der zufälligen Aspekte der Psychotherapie“?
4.4 Das Generieren von Placebo-Kontrollgruppen
4.4.1 Der unmögliche Doppel-Blind-Versuch
4.4.2 Schwierigkeit des Placebos als Kontrollinstrument
4.5 Meta-Analysen und der Placeboeffekt in der Psychotherapie
4.5.1 Effektstärken und ihre Bedeutung
4.5.2 Placeboeffekte und ihre Varianzaufklärung
4.6 Spezifische Effekte und ihre Varianzaufklärung
4.6.1 Meta-Analysen
4.6.2 Entblätterungsstudien
4.6.3 Der Dodo-Bird-Effekt
4.6.4 Zweifel an den spezifischen Inhaltsstoffen

5 Wer oder was ist verantwortlich für den therapeutischen Erfolg?
5.1 Die unspezifischen Wirkstoffe
5.2 Allegiance and Adherence: Die Überzeugtheit und die Manualtreue der Therapeuten
5.2.1 Definition
5.2.2 Die Überzeugtheit als kritische Komponente
5.2.3 Die Rolle der Manualtreue im kontextbezogenen Modell
5.3 Meta-analytische Beweise für den Einfluss der Überzeugtheit der Therapeuten
5.3.1 Die Schätzung des Effekts aufgrund Überzeugtheit
5.3.2 Der Einfluss der Autoren-Quelle
5.4 Beweise für Effekte durch die Manualtreue der Therapeuten
5.4.1 Unterschied zwischen Manualtreue und Kompetenz
5.4.2 Die Bedeutung des Klienten
5.4.3 Empirische Erfassung der Manualtreue des Therapeuten
5.5 Therapeuteneffekte
5.5.1 Die Frage nach dem Therapeuten und seiner Wirkung
5.5.2 Ist der Therapeut von spezieller Bedeutung?
5.5.3 Forschungsdesigns und der Therapeutenfaktor
5.5.4 Die Größe der Therapeuteneffekte
5.5.5 Behandlungs-Therapeuten-Interaktions-Effekte
5.5.6 Therapeuten- und Behandlungseffekte
5.6 Erwartungen
5.6.1 Die Macht der Erwartungen
5.6.2 Erwartungen und die Hauptschulen der Psychotherapie
5.6.3 Die Macht der Erwartungen
5.6.4 Der Faktor Hoffnung
5.7 Sind Erwartungen alles? Oder: Das Geheimnis therapeutischer Wirkung
5.7.1 Therapeut und therapeutische Beziehung
5.7.2 Das Aufdecken/Enthüllen und darüber Reden können
5.7.3 Das Meistern der Probleme
5.7.4 Langzeittherapie – der Zeitfaktor
5.8 Das Geheimnis einer erfolgreichen Psychotherapie

6 Diskussion
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Ausblick


Vorwort von Bernhard Trenkle: Der Placebo-Effekt in der Psychotherapie

Auf die Bedeutung des Faktors "Erwartung" für Psychotherapie und Hypnose hat der amerikanische Professor Irving Kirsch immer wieder hingewiesen. Die Erwartungen der Patienten hinsichtlich der Effekte einer Behandlung spielen demnach eine große Rolle bei der Wirksamkeit von medikamentösen Therapien als auch von Psychotherapie. Schließlich bestellte ich mir in den USA das nicht ganz billige Fachbuch von Irving Kirsch: How expectancies shape experience.
Das Buch traf ein und ich blätterte kurz darin. Dann sah ich das Buch leider über zwei Jahre lang nicht mehr. Da ein Termin wartete, habe ich meiner Praktikantin Nadine Reiband das Buch in die Hand gedrückt und angemerkt, dass in diesem Buch wichtige neue Konzepte enthalten seien und es sich vielleicht lohne, dazu eine Diplomarbeit zu machen.
Gelegentlich hörte ich, dass meine Praktikantin das Buch intensiv studierte, und sie bat mich mehrfach, das Buch noch länger behalten zu dürfen. Später erzählte sie mir, dass sie eine Diplomarbeit zum Thema "Placebo-Effekt in der Psychotherapie" betreut von Dirk Revenstorf plane.
Im Mai 2005 weilte ich in Südafrika. Eines Morgens lud ich die E-Mails auf meinen Laptop. Das Herunterladen einer Mail dauerte über die langsame Datenleitung ungewöhnlich lange. Es war die fertige Diplomarbeit von Nadine Reiband. Eigentlich hatte ich an diesem Vormittag touristische Pläne und wollte nur kurz in meine E- Mails schauen. Am Ende hatte ich diese Diplomarbeit aber dann komplett gelesen und die Reize von Südafrika vergessen.
Nadine Reiband zeigt in der Diplomarbeit auf, dass die Manualtreue und spezifische Therapiemethode nur eine sehr geringe Rolle bezüglich der Wirksamkeit einer Therapie spielt. Die Überzeugtheit des Therapeuten von seiner Methode spielt dagegen eine entscheidende Rolle. Nicht die spezifische Technik scheint wichtig, sondern die Person des Therapeuten. Von daher zeigt die Autorin auch, dass viele psychotherapeutische Studien fehlerhaft sind, weil sie diese Faktoren nicht kontrollieren. Die Arbeit bezieht sich auf viele Studien, hauptsächlich aber auf das Buch "The great psychotherapy debate" vom B. Wampold, 2001.
Die Autorin kommt zum Schluss, dass Therapeut und Klient und die therapeutische Beziehung wichtiger sind als Therapietechniken und -methoden.
Wenn wir von einer wissenschaftlichen Psychotherapie und evidenzbasierter Psychotherapie sprechen, sollten die in dieser Arbeit zusammengetragenen Argumente eine wichtige Rolle spielen.
Diesem gut geschriebenen Buch und den darin enthaltenen Ideen ist eine große Verbreitung zu wünschen.
Ich habe es nicht bedauert, dass ich einen Teil von Südafrika verpasst habe und habe deshalb diese Diplomarbeit zur Publikation bei Carl-Auer vorgeschlagen. Für die Rückgabe des Buches von Irv Kirsch bedanke ich mich. Die mehrjährige Beschlagnahme ist von der Qualität ihres Buches voll gerechtfertigt.


Über die Autorin:

Nadine Reiband, Dipl.-Psych., studierte Psychologie an der Universität Tübingen. Daneben arbeitete sie als Journalistin. Ausbildung zur Hypno-Therapeutin im Milton-Erickson-Institut Rottweil. Heute in eigener Praxis tätig. Arbeitsschwerpunkte: Essstörungen, Arbeit mit Kindern und allgemeine Erwachsenenberatung.



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