Gerhard Stumm, Alfred Pritz (Hrsg.) Wörterbuch der Psychotherapie.
Springer Wien New York 2000
854 S., fester Einband
Preis: 96,95 € ISBN: 3211832483
Springer Verlag Wien New York
Johannes Herwig-Lempp, Halle:
Ein gutes Lexikon ist nicht nur Nachschlagewerk, sondern auch eine Einladung zum Schmökern. Im besten Fall schlägt man erst nach und liest sich dann fest – indem man Querverweisen folgt, Assoziationen nachgeht oder einfach nur blättert. Das Personenlexikon der Psychotherapie erfüllt die Ansprüche an ein sehr gutes Lexikon. Es ist informativ, macht neugierig und lädt manchmal ein, noch mal an den Bücherschrank zu gehen und sich an längst Gelesenes zu erinnern, und es ist gut gestaltet. Der Band enthält 286 ein- bis zweiseitige Artikel zu Persönlichkeiten, „die – jede auf ihre Weise – substanzielles zur Entwicklung und Ausdifferenzierung der Psychotherapie beigetragen haben“ (S. V). Die Zahl 286 klingt nicht besonders umfangreich – und wenn man erst einmal ins Suchen gekommen ist und merkt, dass sowohl längst verstorbene als auch noch lebende Personen, und nicht nur Psychotherapeutinnen und -therapeuten, sondern auch Philosophen, Sozialarbeiterinnen, Ärzte, Kybernetiker, Soziologen, Praktiker und Forscher, Vertreter der verschiedensten Schulen und Gruppen aufgenommen worden sind, wundert man sich noch mehr: wie groß, weit und vielfältig das Feld ist, wie viele Verflechtungen und Bezüge es gibt zu den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und unter den „Schulen“ gibt. Jeder Artikel beginnt mit einem Foto und einer kurzen schlagwortartigen Kennzeichnung („Hauptvertreterin des triadischen Psychodramas; entwickelte das Genosoziogramm“ S. 15, „Begründer des Hypnotismus, der den animalischen Magnetismus Mesmers ablöste“, S. 70, „Philosoph, Psychologe, Wissenschaftshistoriker, Kultur- und Psychiatriekritiker, einer der bedeutendsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts“, S. 148, „Psychoanalytischer Sozialarbeiter, politischer Psychologe und Historiker der Psychoanalyse“, S. 133, „Wichtige Persönlichkeit beim Aufbau eines medizinischen und psychotherapeutischen Versorgungssystems in der ehemaligen DDR“, S. 217, „Einer der Gründerväter der Familientherapie, der die aktive Rolle des Therapeuten sowie die Mehrgenerationenperspektive in der Therapie betonte und als einer der ersten mit Ko-Therapeuten arbeitete“, S. 506). Schnell bleibt man schon beim Durchblättern hängen und möchte mehr wissen. Es folgen dann ausführlicher eine Darstellung der „Stationen seines/ihres Lebens“ sowie eine Zusammenfassung der „wichtigen theoretischen Beiträge und Orientierungen“. Die biographischen Daten erlauben einen kleinen Einblick in den sozialen Kontext, in dem das „Werk“ oder „die Beiträge“ entstanden sind. Ergänzt wird das mit Verweisen auf die wesentlichen Publikationen des Vorgestellten und auf Literatur zu Werk und Person. Die Artikel sind gut geschrieben, verständlich – und natürlich viel zu kurz und unvollständig, wenn man mit der dargestellten Persönlichkeit vertrauter ist. Selbstverständlich ist ein Lexikon immer unvollständig, auch (zu wünschende) spätere erweiterte Neuauflagen werden daran nichts ändern. Wenn einem während des Lesens noch weitere Personen einfallen, die auch noch aufgenommen werden könnten, kann man das jedoch auch als gutes Zeichen sehen: man wird angeregt weiter zu denken. Vielleicht können die Autoren zukünftig jeweils noch einen oder zwei Hinweise auf relevante Web-Seiten geben und am Ende ein Namensregister einfügen, damit man auch diejenigen finden kann, die zwar mit aufgeführten Personen zusammengearbeitet haben und dort mit erwähnt werden, denen aber kein eigener Artikel gewidmet ist. Und der Verlag könnte die hervorragende Ausstattung noch mit 3 Lesebändchen krönen. Im Gegensatz zu einem Personenlexikon wird ein Wörterbuch noch mehr das Gefühl der Unvollständigkeit erzeugen. Doch gilt auch bei dem etwas früher erschienenen „Wörterbuch der Psychotherapie“ der gleichen Herausgeber: Es wurde von einer Vielzahl von Autorinnen und Autoren zusammen gestellt, es berücksichtigt unterschiedliche Psychotherapieschulen in ihrer Verschiedenheit, es lädt zum Blättern und Weitersuchen ebenso ein wie es am Ende jedes der über 13.000 Textstichworte auf relevante weiterführende Literatur verweist und es liegt angenehm in der Hand. Einige Stichworte werden mehrfach geführt – so findet man z. B. unter „Abwehr“ jeweils einen Artikel aus Sicht der Psychoanalyse, aus Sicht der Individualpsychologie, aus Sicht der Klientenzentrierten Psychotherapie und aus Sicht der Bioenergetischen Analyse. Diese Zusammenschau der verschiedenen Ansätze ist äußerst fruchtbar – man blickt über den Tellerrand hinaus und wird neugierig auf die anderen Konzepte, von denen man vielleicht doch noch viel zu wenig weiß. Lexika nur als „Nachschlagewerke“ zu verstehen, greift zu kurz: sie sind anregend und können, nimmt man sie erst einmal zur Hand und sich dabei nur ein wenig Zeit für sie, Appetit machen auf noch viel mehr. Dies gilt in besonderem Maße für diese beiden Bände. Sollten sie Ihnen zu „preisintensiv“ sein, empfehlen Sie sie doch ihrer Bibliothek zur Anschaffung – und gehen dann hin und wieder zum Schmökern in den Lesesaal. (mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 2006)
Leseprobe aus dem Wörterbuch der Psychotherapie (Constructive Psychotherapy - Containing - Coping - Copingreaktion - Core-Energetik)
Verlagsinformationen über das Wörterbuch der Psychotherapie Das Wörterbuch der Psychotherapie beschreibt methodenübergreifend und methodenbezogen die wesentlichen Begriffe der modernen Psychotherapie. Die Begriffe sind mit Querverweisen vernetzt und bieten 4500 weiterführende Quellenangaben. Das Wörterbuch der Psychotherapie ist ein wertvolles Nachschlagewerk für alle, die im psychotherapeutischen bzw. psychosozialen Bereich tätig oder sich dafür interessieren.
Unter anderem haben als Autoren/innen und Koordinatoren/innen mitgearbeitet: Aiello, Atwood, Bahne-Bahnson, Bartosch, Bauriedl, Benedetti, Berliner, Biermann-Ratjen, Boadella, Brandl-Nebehay, Canacakis, Caspar, Ciompi, Clifford, Cöllen, Condrau, Datler, Dornes, Eckert, Fengler, Finke, Fosshage, Frischenschlager, Fuhr, Gastaldo, Geißler, Gheorghiu, Grossmann, Heuft, Hirsch, Hutterer, Hutterer-Krisch, Kast, Keil, Kleber, Kriz, Laireiter, Längle, Lemche, Lieberz, Litaer, G. & U. Lehmkuhl, Lichtenberg, Loewit, Maertens, Mentzos, Morschitzky, B. Nitsch, Ochsmann, Orange, A. & P. Ornstein, Ottomeyer, Peseschkian, Petermann, Petzold, Pfeiffer, Pieringer, Pöldinger, Revenstorf, Ringler, Sachse, Sasaki, Scheffler, R. Schindler, P. Schmid, Schmitz, Senger, Söllner, A. Springer, Springer-Kremser, Sonneck, Stolorow, Swildens, Titze, Tschuschke, van der Hart, Vetter, Walch, Wallnöfer, H.-J. Walter, Willi, Wiltschko, E. Wolf, Wucherer-Huldenfeld, E. Zundel
Fachbereiche und Koordinatoren/innen: Analytische Körperpsychotherapie (Peter Geißler), Analytische Psychologie (Andreas von Heydwolff), Atemarbeit und Atemtherapie (Wilfried Ehrmann), Autogenes Training (Heinrich Wallnöfer), Bewegungstherapie (Markus Hochgerner), Bioenergetische Analyse (Peter Geißler, Susanna Schenk), Daseinsanalyse (Hans-Dieter Foerster), Diagnosen (Werner Brosch), Dynamische Gruppenpsychotherapie (Maria Majce-Egger), Existenzanalyse und Logotherapie (Alfried Längle), Familientherapie (Andrea Brandl-Nebehay), Feministische Psychotherapie (Traude Ebermann), Focusing (Johannes Wiltschko), Funktionelle Entspannung (Gisela Gerber), Gerontopsychotherapie (Rolf Hirsch), Gestalttherapie (Integrative) bzw. Gestalttheoretische Psychotherapie (Kathleen Höll, Dieter Zabransky), Gruppenpsychoanalyse (Michael Ertl), Hypnose (Hans Kanitschar), Individualpsychologie (Wilfried Datler), Integrative Therapie (Hilarion G. Petzold), Katathym-Imaginative Psychotherapie (Josef Bittner)
Verlagsinformationen zum Personenlexikon:
In diesem Band werden über 280 Gründerpersönlichkeiten und Personen, die einen nennenswerten Einfluss auf die Psychotherapie gehabt haben und aufgrund ihrer Beiträge für die Psychotherapie Anerkennung in der Fachwelt gefunden haben, von Experten aus den jeweiligen Fachbereichen vorgestellt. Es werden Persönlichkeiten aus verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen und Arbeitsfeldern beschrieben, die für die Entwicklung der Psychotherapie in theoretischer Hinsicht bzw. für ihre praktische Bedeutung (Verankerung, Verbreitung, Versorgung, Forschung sowie mediale Wirkung) einen signifikanten Beitrag geleistet haben. Die Darstellungen umfassen jeweils im ersten Abschnitt Lebensdaten und Schaffensperioden sowie in einem zweiten Teil theoretische Schwerpunkte und Verdienste (auch in Bezug auf die Praxis). Ausführliche Bibliografien zu jeder Persönlichkeit ergänzen deren Charakterisierung. Die Persönlichkeiten werden in alphabetischer Reihenfolge und jeweils mit Foto dargestellt.
Vorgestellte Personen, die für systemisch interessierte LeserInnen von besonderem Interesse sind:
Nathan Ackerman, Mary Ainsworth, Tom Andersen, Richard Bandler, Gregory Bateson, Eric Berne, Ivan Boszormenyi-Nagy, Pierre Bourdieu, Murray Bowen, John Bowlby, Luc Ciompi, Steve de Shazer, George Devereux, Mony Elkaim, Milton H. Erickson, Frank Farrelly, Heinz von Foerster, Peter Fonagy, Michel Foucault, Harold Goolishian, Klaus Grawe, John Grinder, Jay Haley, Don Jackson, Ronald D. Laing, Kurt Ludewig, Niklas Luhmann, Michael J. Mahoney, Humberto R. Maturana, Salvador Minuchin, David Orlinski, Burkhard Peter, Dirk Revenstorf, Horst-Eberhard Richter, Ernest Rossi, Virginia Satir, Raoul Schindler, Mara Selvini-Palazzoli, Fritz B. Simon, Daniel Stern, Helm Stierlin, Hans Strotzka, Hans Strupp, Harry S. Sullivan, Francisco Varela, Matthias Varga von Kibed, Paul Watzlawick, John H. Weekland, Carl Withaker, Michael White, Jürg Willi, Jeff Zeig u.v.a.
Es fehlten mir in dieser Reihe u.a. Maurizio Andolfi, Luigi Boscolo, Michael Buchholz, Gianfrancho Cecchin, Lynn Hoffman, Evan Imber-Black, Jürgen Kriz, Chloe Madanes, Peggy Papp, Ludwig Reiter, Wilhelm Rotthaus, Eckhard Sperling, Gunthard Weber, Gerald Weeks, Michael Wirsching, Rosmarie Welter-Enderlin usw. Auf eine Neuauflage darf man gespannt sein (Tom Levold)
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