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10.10.2006
Gerda Mehta, Erik Zik (Hrsg.): Systemische Grenzgänge. Wirksames und Wirkendes im Zwischenmenschlichen
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Krammer Verlag Wien 2006
350 S., broschiert
Preis: 29,90 €
ISBN: 3-901811-20-6 |
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Krammer-Verlag Wien
Andrea Brandl-Nebehay, Wien:
Grenzüberschreitungen, Gratwanderungen mit Sichtung der vielfältigen systemischen Territorien „diesseits und jenseits“ sind die Leitmetaphern dieses Sammelbandes, der anlässlich des 20jährigen Bestehens der ÖAS (Österreichische Arbeitsgemeinschaft für systemische Therapie und Systemische Studien) erschien. Überschritten wird auch die übliche Trennlinie zwischen Schreibenden und KonsumentInnen der Fachliteratur. Gerahmt durch Geleitworte von Corina Ahlers, Joseph Duss-von Werdt, Jürgen Hargens und Tom Levold breiten neben etablierten Autoren (u.a. Kurt Ludewig, Harry Merl) vor allem erfahrene PraktikerInnen aus unterschiedlichsten Arbeitsfeldern sowie Studierende in verschiedenen Stadien systemischer Ausbildung eine farbenfrohe Landkarte ihrer jeweils eigenen Zugänge zum „Systemischen“ aus. In einem ersten Abschnitt werden unter der treffenden Überschrift „Systemisches ist immer wieder neu zu definieren und konkretisieren“ Grundpfeiler systemischer Weltsicht aktualisiert und kritisch differenziert. Hier finden sich anschauliche Beiträge über Einzeltherapie (wo bleibt das System?), Familiensysteme weit jenseits bürgerlicher Vorstellungen („Auch das kann Familie sein...“) und Reflexionen zum Thema „Systemisch im Alltag und Alltag im Systemischen“. Das nächste Kapitel beleuchtet ausgewählte systemischen Leitideen (Neugier), setzt sich mit ethischen Fragen auseinander, erläutert den Bezug zur Chaostheorie und zeichnet im Feld der Supervision den Entwicklungsweg vom Begriff der Feldkompetenz zur Kontextsensibilität und Felderkundung nach. Völliges Neuland eröffnete sich für mich mit dem Beitrag „Eine Reise hinter das Sichtbare“, in dem Diversity-Ansätze in Queer-Theorien und ihre Bedeutung für die politische Positionierung systemischer Therapie dargestellt werden. Wer an klinischen und praktischen Anwendungsmöglichkeiten systemischen Handelns interessiert ist, wird in den nächsten beiden Kapiteln fündig. Sie zirkulieren um Wirksames und Wirkendes im Zwischenmenschlichen, wie der Untertitel des Buches verspricht und spätestens hier einlöst; in bunter Reihe geht es um genuin systemische wie auch die Grenzen zu anderen Heilverfahren (bis hin zum Schamanismus) überschreitende Referenzmodelle und methodische Zugänge, inhaltlich um Paartherapie, Träume und deren Performance, um Psychoonkologie, Resilienz und das sich Einlassen mit Kindern. GrenzgängerInnen zwischen therapeutischen und wirtschaftlichen bzw. pädagogischem Gefilden berichten über Organisationsberatung und Mobbing, über Gruppentherapie mit Jugendlichen und die kultursensitive Arbeit mit MigrantInnen. „Herausforderungen der und durch Systemumwelten“ ist der letzte Abschnitt betitelt und wirft aus der Adlerperspektive einen kritischem Blick auf gesellschaftliche Institutionen, auf sozialarbeiterische Praktiken und Traditionen der Systemtheorie. „Gegen Dogmen und Tabus“ wendet sich der letzte Beitrag, eigentlich aber das gesamte Buch, das sich auch als Plädoyer für ein unerschrocken schöpferisches Gestalten des Zwischen-Menschlichen in- und außerhalb des Therapieraums lesen lässt. Es ist kein Band, den ich systematisch von der ersten bis zur letzten Seite lesen würde. Der Reiz liegt für mich darin, mich von den poetischen Titeln der einzelnen Beiträge verführen zu lassen, zu blättern, zu schmökern, mich über das zu freuen was ich zu kennen und verstehen meine, um dann wieder auf ganz neue, unvertraute Erweiterungsmöglichkeiten des systemischen Denken und Handelns zu stoßen. Meine warme Empfehlung dieses vielschichtigen, gehaltvollen, ungewöhnlichen Buches möchte ich mit Sophie Freud´s Kommentar unterstreichen, der sich am Klappentext findet: „Mit Zufriedenheit sehe ich in diesen vielfältigen und anregenden Beiträgen, dass unsere Weltanschauung ihre theoretischen und praktischen Flügel weit ausgebreitet hat, mit der wohl berechtigten Hoffnung in diesem neuen schwierigen Jahrhundert einen positiven Unterschied zu machen."
Inhalt:
Gerda Mehta & Erik Zika: Einleitung. S. 17-26 Traude Trauber: Zum Begriff des "Systemischen". S. 29-34 Imre Remenyi: Der Mensch im Mittelpunkt Systemischer Therapie. Systemische Familientherapie ohne System. S. 35-38 Michaela Mühl: Auch das kann Familie sein…. S. 39-48 Monika Fenz: Systemisches im Alltag - Alltag im Systemischen. S. 49-58 Eva Gruber: Die Neugier in der systemischen Psychotherapie. S. 61-70 Kurt Ludewig: "Ist Systemisch an sich ethisch?" - Vom Sinn und Unsinn dieser Frage. S. 83-90 Guido Strunk: Über den Berg oder mitten hindurch? S. 91-108 Gudrun Perko & Leah Carola Czollek: Eine Reise hinter das Sichtbare… Diversity-Ansätze in Queer-Theorien und ihre Bedeutung für die systemische (Familien)Therapie. S. 109-126 Peter F. Herdina: Das Konzept der dritten Lösung oder: der analytische Patch zur Systemischen Familientherapie. S. 129-138 Harry Merl: Systeme schaffen Lebenswelten. S. 139-154 Manfred Wiesner, Margit K. Epstein & Eugene Epstein: Von der Manipulation zur Kooperation, von der Moderne zur Postmoderne. S. 155-168 Tselikas, Elektra: Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind…. S. 169-178 August Thalhammer: Jenseits von Luhmann. Über den Systembegriff unserer Vorfahren und seine mögliche Anwendung heute. S. 179-194 Dietmar Golth: Forschungsergebnisse als Grundlage für die Entwicklung einer systemisch-integrativen Psychoonkologie. S. 195-214 Petra Pribil: Nach dem Winkelmaß gerecht. Von angepassten und unangepassten Kindern. S. 217-227 Clemens Stieger: Organisationen beraten – Versuch einer Überlebensstrategie. S. 229-245 Theresia Gabriel: Mobbing. Übertriebenes Modethema? Inhumane Personalstrategie? Therapeutisches Arbeitsfeld? S. 247-257 Helga Fasching: Systemische Gruppentherapie mit Jugendlichen im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme – erweiterte Perspektiven für die integrative Pädagogik. S. 259-269 Sabine Schmid-Sipka: Resilienz und Familienresistenz. S. 271-282 Ruth Kronsteiner: Systemische Therapie und Ethnopsychoanalyse – die Ressourcen des methodenübergreifenden, interdisziplinären Denkens in migrations-, trauma- und kulturspezifischer Psychotherapie. S. 283-296 Waltraud Horeth: Gestalten wir unsere Umwelt – oder bestimmt sie uns? Die Interdependenz zwischen Individuum und Umwelt. S. 299-310 Christian Reininger: Jeder ist seines Glückes Konstrukteur! – Oder war da noch mehr? Ein Plädoyer für den Blick auf die Systemumwelt. S. 311-324 Christoph Mandl: Und auf einmal waren Personen da, die das übernommen haben. Dialogisches Interview mit Wanda Moser-Heindl und Friedrich Moser, Unruhe Privatstiftung. S. 325-336 Carmen Unterholzer: Gegen Dogmen und Tabus. Ein Interview mit Rita Vogel. S. 337-344
Vorwort von Tom Levold:
"Dass das systemische Denken und Handeln nach etwa einem viertel Jahrhundert in den unterschiedlichsten Praxisbereichen bestens verankert ist und über ein stabiles theoretisches und praxeologisches Fundament verfügt, mag man daran ablesen, dass sich der Fokus in der systemischen Literatur allmählich wandelt: die redundante Reformulierung und Entfaltung systemischer Grundbegriffe verliert an Gewicht, stattdessen nimmt die Lust zu, den sprachlichen und konzeptuellen Raum systemischen Denkens – auch an seinen Rändern – auszuloten. Der Titel des Buches, „Systemische Grenzgänge“, verwörtert genau diese Möglichkeit auf treffliche Weise, geht es doch im vorliegenden Band darum, nach beiden Seiten der Grenzen zu schauen, Aufgegebenes wieder zu entdecken, bereits Gedachtes zu erweitern und Anschlussfähigkeit an unterschiedliche Sprachgebräuche und Handlungsdispositionen herzustellen. Das Konzept des Grenzgangs ist dabei nicht auf Systematik, sondern auf die Prinzipien von Offenheit, Vielfalt und Überraschung angelegt. Neue Gebiete erschließen sich, nicht jeder Schritt führt zu einem Ziel, manchmal landet man auch im Nirgendwo – aber immer gibt es etwas zu entdecken. Die Lektüre fordert uns als Leserinnen und Leser jedenfalls nicht nur heraus, uns mit unseren eigenen konzeptuellen Möglichkeiten und Grenzen zu beschäftigen, sondern bringt uns auch in vielen Beiträgen in die Auseinandersetzung mit unseren ethischen, professionellen und politischen Haltungen – ein Aspekt, der allzu lange eine allzu kleine Rolle im systemischen Diskurs gespielt hat und der in der Zukunft mit Sicherheit einen größeren Stellenwert einnehmen wird. Gleichzeitig stellt der Band einmal mehr die Kreativität und Aufgeschlossenheit der Österreichischen Systemischen Szene im Allgemeinen, der ÖAS im Besonderen unter Beweis– An dieser Stelle sei ein herzlicher Glückwunsch zum 20jährigen Jubiliäum der ÖAS, dem Anlass dieses Buches, erlaubt."
Über die Herausgeber:
Gerda Mehta, geb. 1955, Mediatorin, Psychologin, Systemische Familientherapeutin. Studium in Salzburg, Memphis, Tenn, Wien, Houston. Langjährig tätig im Amt für Jugend und Familie in Wien, lehrte hauptsächlich Mediation, Traumatologie und Systemische Familientherapie in Österreich, Italien, Serbien, Moskau, Sibirien, Indien. Verheiratet mit einem Inder kanadischer Staatsbürgerschaft, beide leben in Österreich. Interesse an dem, wie Menschen miteinander tun und tun wollen oder leichter miteinander tun können.
Erik Zika, Systemischer Famlientherapeut in Ausbildung unter Supervision, Studium der Psychologie. Tätig im Verein Dialog (ambulante Drogenberatungsstelle) und in freier Praxisgemeinschaft (Lösungsraum). |
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