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07.09.2006
Christoph Möller (Hrsg.): Drogenmissbrauch im Jugendalter. Ursachen und Auswirkungen
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Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006 (2. Aufl.)
209 Seiten mit 10 Abb. und 9 Tab., kartoniert
Preis: 19,90 €
ISBN 3-525-46228-X |
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Verlag Vandenhoeck & Ruprecht
Helmut Kuntz, Saarbrücken:
Kaum eine Familie in unserer Gesellschaft ist nicht in irgendeiner Weise vom Thema Drogen und Sucht berührt. Rauchen, Alkohol, Haschisch und Marihuana, Partydrogen, aber auch Essstörungen, Kaufsucht, selbstverletzendes Verhalten und zahlreiche weitere Verhaltenssüchte sind in derart hohem Maße Allgemeingut, dass wir alle direkt oder auf Umwegen damit zu tun haben. Der wachsende Drogengebrauch von Kindern und Jugendlichen stellt uns vor Herausforderungen menschlicher, fachlicher und allgemein gesellschaftlicher Natur. Wer mit Kindern und Jugendlichen lebt, kommt nicht umhin, sich mit der Problematik des Drogengebrauchs sowie seiner möglichen Folgen zu beschäftigen. Nicht selten sind wir sogar gleich doppelt betroffen: in unseren privaten Rollen als Mütter, Väter oder sonstige nahe Angehörige wie in unseren beruflichen Rollen als professionell Helfende. Da braucht es Beziehungs- wie Sachkompetenz. Die Sachkompetenz steigt mit dem Maße an stimmiger Information. Einen Beitrag zur Deckung des erheblichen Informationsbedarfs möchte das von Christoph Möller herausgegebene Buch: „Drogenmissbrauch im Jugendalter. Ursachen und Auswirkungen“ bieten. Der Herausgeber ist Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Leiter der Therapiestation Teen Spirit Island auf der Bult in Hannover. In dem Sammelband findet sich eine Reihe der „üblichen Verdächtigen“, sprich Fachleute für die jeweiligen Unterthemen des Buches. Es handelt sich ausnahmslos um namhafte Klinikerinnen und Kliniker unterschiedlicher Professionen und Fachbereiche. Ihr konsequent wissenschaftlicher Blick gereicht dem theoretisch interessiert Lesenden zum Vorteil, behindert aber womöglich eine weite Verbreitung des Buches. Die im Buchtitel angesprochenen Jugendlichen sowie ihre Familien und deren soziales Umfeld vermögen die Inhalte der Beiträge schwer zu erreichen. Dafür hängen die Trauben zu hoch. Doch wichtig ist, dass die in dem Buch versammelten Autorinnen und Autoren Position beziehen, sich als Vertreter aus Klinik und Wissenschaft zu Wort melden, um zumindest der Fachöffentlichkeit sowie politischen Entscheidungsträgern Wissen und Mittel an die Hand zu geben, mit welchen sie angemessener auf den ausufernden Drogengebrauch bei Kindern und Jugendlichen zu reagieren vermögen. Die im Buch zusammengestellten Texte schlagen den Bogen von den Formen und Ursachen des jugendlichen Drogengebrauchs, der Pharmakologie bevorzugter Stoffe, den kurz- und langfristigen Risiken bis hin zur Drogenabhängigkeit mit all ihren komorbiden Facetten. Wer selbst im Suchtbereich arbeitet, findet nur begrenzt Neues. Aber in den weiten Feldern der sozialen Arbeit ermöglicht das Buch eine schnelle Orientierung über aktuelle Trends und den Stand der Forschung. Zwei Beiträge möchte ich besonders hervorheben: Gerald Hüther und Lutz Ulrich Besser diskutieren den jugendlichen Drogengebrauch auf den Grundlagen der modernen Gehirnforschung. Wie sie das jeweils tun, liest sich stellenweise erfrischend und wohltuend. Da kommen auch Humor, Sprachwitz und wohl begründete kritische Einwände gegen den Mainstream unserer Gesellschaft nicht zu kurz. Für mich sind das die Highlights des Buches. Sie heben sich angenehm ab von dem bisweilen allzu fixierten Blick auf „frühe Störungen“ und Traumatisierungen. Die „schwere Grundstörung“ in Form seelischer Fehlentwicklung oder die „komorbiden Störungen“ tragen zweifelsfrei bei vielen stationär behandelten Jugendlichen zur Erklärung ihres Drogenmissbrauchs bei. Doch in weitaus mehr Fällen scheint mir die frühe Störung ein viel beschworener Mythos, der einerseits den Blick stark defizitorientiert ausrichtet und andererseits der Lebensrealität des überwältigenden Teils jugendlicher Drogengebraucher nicht gerecht wird. Der „ganz normale“ Drogenkonsum „ganz normaler“ junger Leute aus „ganz normalen“ Familien mit „ganz normalen“ Erfahrungen in unserer Gesellschaft, welche „ganz normale“ Probleme nach sich ziehen, kommt in dem Buch zu kurz, wenn man über den rein klinischen Bereich hinausschaut. So vermisse ich handfeste Textbeiträge aus der Prävention oder über die Erfahrungen von Drogenberatungsstellen, die den größten Teil der alltäglichen Suchtarbeit abdecken. Indes kann kein Sammelband alle Interessen und Bedürfnisse seiner möglichen Leserschaft abdecken. In seinem „Überblickcharakter“ ist das Buch gut zu nutzen. Es vermittelt aus seiner Sicht Aspekte jugendlichen Drogengebrauchs, die geeignet sind, die Sachkompetenz von Menschen zu stärken, die ihrerseits in helfenden Berufen tätig und auf der Suche nach Erstinformationen zu speziellen Fragen bezüglich des Drogengebrauchs von Kindern und Jugendlichen sind.
(Mit freundlicher Genehmigung aus: Kontext)
Weitere Besprechungen des Buches im Internet:
Barbara Ketelhut für socialnet.de
Kurt Eberhard für agsp.de
Oliver Bilke für scientificjournals.com (PDF)
Verlagsinformation: "Der Drogenmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen ist ein wachsendes Problem. In immer jüngerem Alter werden jugendtypische Drogen wie Cannabis, Ecstasy und andere Amphetamine in selbstschädigendem Maß konsumiert. Die Betroffenen bringen bereits ungünstige Entwicklungsbedingungen mit wie beispielsweise frühe Traumatisierungen, die eine Suchtentwicklung begünstigen. Häufig treten Persönlichkeitsentwicklungsstörungen als Komorbidität bei suchtabhängigen Jugendlichen auf. Spezifische Behandlungsangebote für drogenkonsumierende Kinder und Jugendliche können Abhilfe schaffen."
Inhalt: Rainer Thomasius: Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen – 13 Wolfgang Poser: Zur Pharmakologie der Jugenddrogen – 37 Gerald Hüther: Kurzfristige Wirkungen und langfristige Folgen der Einnahme von Psychostimulanzien und Entaktogenen auf das sich entwickelnde Gehirn von Kindern und Jugendlichen – 47 Christoph Möller: Stationäre und ambulante Therapieangebote für drogenabhängige Jugendliche - 63 Amelie Welge, Birger Dulz, Nima Forouher: Borderline-Persönlichkeitsstörung und Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen - 82 Heinz Hafner: Cannabis- und Alkoholmissbrauch als Risikofaktoren für Ausbruch und Verlauf der Schizophrenie - 102 Lutz Ulrich Besser: Psychotraumata, Gehirn und Suchtentwicklung – 122 Annette Streeck-Fischer: Adoleszenz, Delinquenz, Drogenmissbrauch - 166 Udo Schneider: Cannabisabhängigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen - 186
Über die AutorInnen:
Lutz Ulrich Besser, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie, Gründer und Ausbildungsleiter des Zentrums für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen (ZPTN) in Isernhagen bei Hannover.
Dr. Birger Dulz, Oberarzt in der IV. Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nord/Ochsenzoll in Hamburg.
Dr. med. Nima Forouher, Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Zentrum für Psychosoziale Medizin im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Prof. Dr. Dr. Dr. hc. mult. Heinz Hafner, Leiter der Arbeitsgruppe Schizophrenieforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.
Prof. Dr. Dr. Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen.
Dr. med. Christoph Möller, Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Kinderkrankenhaus auf der Bult und Leiter der Therapiestation Teen Spirit Island.
Prof. Dr. Wolfgang Poser, Arzt für Psychiatrie, Pharmakologie und Toxikologie - Klinische Pharmakologie, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Göttingen.
Prof. Dr. Udo Schneider, stellvertretender Abteilungsleiter und Professor für Neurokognition an der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort, Direktor an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Dr. med. Annette Streeck-Fischer, Chefärztin der Abteilung Klinische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Tiefenbrunn mit Lehrauftrag an der Universität Göttingen.
Prof. Dr. Rainer Thomasius, Leiter des Bereichs Persönlichkeits- und Belastungsstörungen an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Leiter der Drogenambulanz für Jugendliche und junge Erwachsene.
Dr. med. Amelie Welge, Ärztin in der IV. Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nord/Ochsenzoll in Hamburg.
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