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29.09.2006
John M. Gottman: Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe
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Ullstein Taschenbuch-Verlag 2002
319 Seiten, kartoniert
Preis: 7,95 €
ISBN: 3548363369 |
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Ullstein Taschenbuch-Verlag
Tom Levold, Köln:
John Gottman, emeritierter Psychologieprofessor der Universität Washington, hat sein wissenschaftliches Leben damit verbracht, die Kommunikation von Paaren empirisch zu untersuchen. Empirisch zu untersuchen, heißt in diesem Zusammenhang nicht, Fragebögen auszuteilen und auszuwerten, sondern (in seinem sogenannten „love-lab“) Paaren bei Diskussionen und Gesprächen, beim Frühstück und bei der Zusammenarbeit zuzuschauen, Videoaufzeichnungen zu machen, physiologische Daten zu erheben, und diese mikroanalytisch auszuwerten. Die Beobachtung von Hunderten von Paaren lässt Gottman zu dem Schluss kommen, dass ein positiver, konstruktiver Umgang mit Kommunikationssituationen für Paare lernbar ist. Die theoretischen und praktischen Grundlagen hierfür hat er in zahllosen wissenschaftlichen Büchern und Aufsätzen niedergelegt. Mit dem vorliegenden Buch wendet er sich direkt an Paare, die ihre Beziehung verbessern wollen, ein Anliegen, dass er auch mit Kursen und Workshops für Paare an seinem „Gottman Institute“ verfolgt. Für Interesse und Verblüffung sorgt Gottman mit seiner Aussage: „Ich kann in 96 Prozent der Fälle vorhersagen, ob ein ehelicher Konflikt gelöst werden wird oder nicht, nachdem ich nur drei Minuten dem Streit zugehört habe“ (S. 57). Das ist nicht gerade eine bescheidene Formulierung und viele Textstellen lassen erkennen, dass Gottman ein Meister in Sachen Selbstvermarktung ist und eine gehörige Portion Chuzpe besitzt, aber das tut dem Buch keinen wirklichen Abbruch, das ich daher gerne allen ans Herz lege, die mit Paaren arbeiten bzw. selbst ihre Paarbeziehung verbessern wollen. Es bietet eine Reihe von Regeln und Vorschlägen, wie Paare miteinander im Konflikt wie im Alltag umgehen sollen. Diese Regeln stellen die Quintessenz seiner zahlreichen empirischen Untersuchungen dar. Sie bauen auf der Annahme auf, dass affektive Kommunikation nicht eine sich ausschließlich spontan und unwillkürlich vollziehende Angelegenheit ist, sondern mit ein wenig Wissen darum, worauf es bei erfolgreicher Beziehungsgestaltung geht, gelernt und verfeinert werden kann. Ein bedeutsamer Punkt dabei ist zunächst, lösbare von unlösbaren Problemen zu unterscheiden. Viele grundsätzlichen Uneinigkeiten über Lebensstile, Persönlichkeit oder Wertvorstellungen sind nicht wirklich lösbar. Entscheidend für einen Fortbestand der Beziehung ist dann, einen respektvollen Umgang mit diesen Unterschieden zu entwickeln. Dass dieser nicht besteht, macht Gottman an folgenden „Zeichen“ fest, die sich in einer problematischen Kommunikation beobachten lassen:
- Ein grober Auftakt: eine Gespräch fängt mit einer Kritik, einer sarkastischen Bemerkung o.ä. an.
- Die vier „apokalyptischen Reiter“ Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und „mauern“, die einen negativen Kommunikationsstil hervorbringen
- Affektive Überflutung: eine Überwältigung durch das Maß von Negativität, das sich Partner entgegenbringen.
- Körperliche Stresssignale wie hoher Puls, Schweissausbrüche etc., wobei Männer und Frauen recht unterschiedliche körperliche Reaktionen auf Stress aufweisen.
- Scheiternde Rettungsversuche, also missglückende Reparaturhandlungen in der Kommunikation sind besonders gravierend, ihr Vorherrschen ist Gottman zufolge ein sicheres Zeichen für eine bevorstehende Trennung.
- Schlechte Erinnerungen an die Beziehungsgeschichte dominieren die positiven Erinnerungen.
Sind diese Zeichen zu beobachten, steht es nicht gut um die Beziehung. Gottman bietet nun unterschiedliche Hilfsmittel an, um Paaren in Krisen zu helfen, wieder neues Interesse füreinander zu gewinnen und das Maß der negativen Reziprozität einzudämmen. Seine „sieben Geheimnisse“ sind:
- Die Partner-Landkarte auf den neuesten Stand zu bringen: Die Paare werden eingeladen, ihr Wissen über das, was ihre Partner interessiert und beschäftigt, zu überprüfen und ggf. zu erneuern.
- Partner sollten Zuneigung und Bewunderung füreinander zum Ausdruck bringen, d.h. auf die positiven Seiten des Anderen fokussieren und mit entsprechenden Rückmeldungen nicht geizen.
- Partner sollten sich im Zweifel für Kommunikationsangebote entscheiden, die als Zuwendung und nicht als Abwendung erfahren werden: „Partner, die die Eigenschaft haben, sich einander eher zuzuwenden, als sich voneinander abzuwenden, zahlen etwas auf ihr gegenseitiges Gefühlskonto ein. Sie schaffen sich eine emotionale Spareinlage, die ihnen als Rücklage dienen wird, wenn die Zeiten einmal schlechter werden. Weil sie all diesen guten Willen gesammelt haben, wird es ihnen leichter fallen, grosszügig miteinander zu sein, wenn ein Konflikt entsteht. Sie können sich eine positive Einstellung zueinander bewahren und so ihre Ehe auch in schweren Zeiten erhalten.“ (S. 102f.)
- Partner sollten sich nicht nur von ihren Partnern beeinflussen, sondern diese das auch spüren lassen.
- Paare sollten auf die Lösung von lösbaren Problemen fokussieren (z.B. Stress im Beruf, Schwiegereltern, Geld, Sex, Hausarbeit, Kinder). Dabei betont Gottman die Wichtigkeit folgender Aspekte: „1. Beginnen Sie in sanftem Ton. 2. Lernen Sie, Rettungsversuche zu unternehmen und anzunehmen. 3. Beruhigen Sie sich selbst und einander. 4. Gehen Sie Kompromisse ein. 5. Tolerieren Sie die Fehler des anderen“ (188).
- Überwindung von Pattsituationen: „Das Ziel, wenn es darum geht, eine Pattsituation zu überwinden, ist nicht, das Problem zu lösen, sondern eher, aus der Zwickmühle ins Gespräch zu kommen. Der unüberwindbare Konflikt wird in Ihrer Ehe immer ein ständiges Thema sein, doch eines Tages werden Sie imstande sein, darüber zu reden, ohne einander zu verletzen. Sie werden lernen, mit dem Problem zu leben. Um den Weg aus einer Pattsituation zu finden, müssen Sie zuerst einmal begreifen, wo die Ursachen dazu liegen.“ (257).
- Die Schaffung eines gemeinsamen Sinns: „eine Kultur zu entwickeln heißt nicht, dass ein Paar Auge in Auge mit jedem Aspekt seiner Lebensphilosophie lebt. Es findet eine Mischung statt. Die Partner finden einen Weg, die Träume des anderen zu respektieren, auch wenn sie sie nicht immer teilen. Die Kultur, die sie gemeinsam schaffen, enthält die Träume von beiden. Und sie ist flexibel genug, verändert werden zu können, wenn Mann und Frau sich weiterentwickeln. In einer Ehe, die dieses gemeinsame Gefühl von Sinn hat, werden Konflikte nicht so stark hervortreten, und ewige Probleme werden wahrscheinlich nicht zu Pattsituationen führen“ (288).
Die Rezepte von Gottman sind durchweg plausibel, gut begründet und mit zahlreichen Fallbeispielen unterfüttert. Vor allem aber bringt das Buch nicht nur schlaue Sprüche (die natürlich immer wohlfeil sind), sondern eine Fülle von praktischen Übungen, Fragebögen, Checklisten zu den einzelnen Themen, die nicht nur von Paaren in Eigeninitiative benutzt werden können, sondern auch in der paartherapeutischen Praxis sinnvoll eingesetzt werden können. Andere Literatur zum Thema ignoriert Gottman vollständig, allerdings verfolgt dieses Buch auch nicht das Anliegen, eine wissenschaftliche Abhandlung zu sein. Dagegen spricht schon, dass Gottman als Ko-Autorin Nan Silver hinzugezogen hat, Journalistin und Herausgeberin einer amerikanischen Elternzeitschrift. Alles in allem aber ist es ein in jeder Beziehung hilfreiches Buch, eben auch für Paare selbst.
Ein Interview mit John Gottman
Die website des Autors
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