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Neuvorstellung zur Übersicht
07.08.2006
David Campbell & Marianne Grønbæk: Taking Positions in the Organization
Campbell, Groenbaek Positions Karnac Books 2006, London New York

157 S., broschiert

Preis: 24,44 €
BN: 1855753847
Karnac Books




Tom Levold, Köln:

David Campbell ist seit langem ein bekannter Name in der englischen systemischen Szene. Er ist klinischer Psychologe und Trainer für den National Health Service an der legendären Tavistock Clinc und darüber hinaus als Berater von Organisationen (überwiegend im Non-Profit-Bereich) tätig, Autor mehrerer Bücher zum Thema und ein ausgezeichneter Didaktiker in der Vermittlung systemischen Denkens und Handelns - auch hier hat er einschlägige Publikationen vorzuweisen.
Im vorliegenden Buch stellt er gemeinsam mit Marianne Grønbæk ein so einfach anmutendes wie interessantes Instrument für den Einsatz in Beratungsprozessen vor: Das Konzept der „Semantischen Polaritäten“ (semantic polarities), das er im Laufe seiner Arbeit als Berater und Consultant von Teams und Organisationen entwickelt hat. Marianne Grønbæk, Organisationsberaterin aus Dänemark, die wie Campbell über einen familientherapeutischen Hintergrund verfügt, besuchte 2001 ein Seminar bei Campbell, in dem er dieses Modell präsentierte und übernahm die Vorgehensweise in ihrer eigenen Beratungspraxis. Beide blieben darüber in Kontakt und beschlossen, gemeinsam dieses Buch über die Arbeit mit diesem Konzept zu verfassen.
Methodisch steht das Instrument in der Tradition der Arbeit mit Skalierungen, die einen festen Platz im systemischen Methodenkanon innehat. Als theoretische Grundlegung ziehen die Autoren die Diskurstheorie, die „Theorie der Positionierung“ und die Dialogtheorie (S. 13) heran, die allerdings nur insoweit ausgeführt werden, als es dem praxeologischen Zweck der Arbeit dient. Unter Diskurs wird ein „institutionalisierter Gebrauch von Sprache und sprachähnlichen Zeichensystemen“  verstanden, der sich auf unterschiedlichen Ebenen (kulturell, politisch oder organisationsbezogen) vollzieht und von spezifischen Themen wie Geschlecht, Klasse und Macht handelt (14). Innerhalb jedes Diskurses sind nun unterschiedliche Positionen möglich, die sich die Diskursteilnehmer zueigen machen können. In Bezug auf eine spezifische Fragestellung können die einzelnen möglichen Positionen nach Ansicht der Autoren auf einem Kontinuum platziert werden, das sie „semantische Polarität“ nennen. Im Grunde geht es dabei um das „Stretching“ eines kategorialen Unterschiedes zu Polen auf einer Skala, auf der die unterschiedlichen Positionen in ihrer relativen Entfernung zu den Polen eingetragen werden können. Der Unterschied verliert auf diese Weise seine kategoriale „Entweder-Oder“-Qualität und ermöglicht ein mehr oder weniger bzw. sowohl als auch.
Die Theorie der Positionierung von Langenhove und Harrè (von denen der Letztere auch das Vorwort zu diesem Buch verfasst hat) besagt, dass wir nicht nur fortgesetzt eingeladen werden, uns innerhalb eines angebotenen thematischen Bereiches zu positionieren, sondern gleichzeitig von anderen aufgrund dessen, was wir sagen, positioniert werden, und jede Position von den anderen eingenommenen Positionen entlang eines Kontinuums definiert wird (17). Die Einnahme einer Position weist also gleichzeitig den anderen Diskursteilnehmern differente Positionen zu. Positionen haben immer etwas mit Bedeutungsgebung und Bewertungen zu tun. Die eigene Positionierung impliziert also auch eine Bewertung aller anderen Positionen und die entsprechende Attribution von Bedeutungen. Die Deklaration der eigenen Arbeitshaltung als besonders wertvoll für die Organisation kann daher beispielsweise die ausgesprochene oder unausgesprochene Annahme zum Ausdruck bringen, dass die Arbeitshaltung der anderen weniger wertvoll ist (und umgekehrt). „Each time I position another person – each time I create a position-pair – I am doing several things: (1) I am defining myself in the organization along a particular value-based polarity and imply rights, duties, and responsibilities; (2) I am seeing others as ‚not me‘ and ‚not my position‘; and (3) I am supporting the values and the culture of the organization by participating in the exercise of positioning“ (18).
Die Gefahr dieser Prozesse sehen die Autoren in der Fixierung auf feste Positionen, die sich dann im Diskurs wechselseitig negativ konnotieren. Aus der Beraterperspektive geht es ihnen darum, den Klienten zu helfen, sich aus solchen Festlegungen zu befreien und ihnen zu ermöglichen, in einem klärenden Dialog zuvor eingenommene Positionen zu verlassen und neue Positionen einzunehmen: „We often conceptualize organizational problems in terms of individuals holding fixed positions from which they cannot move“ (39). Dabei geht es nicht um das Finden von Kompromissen oder einer mittleren Position zwischen den Polen, sondern darum, ein Verständnis der wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Positionen und dadurch ein größeres  „Dialogpotential“ zu ermöglichen, in welchem die Voraussetzung für die Schaffung neuer Positionen im Diskurs einer Organisation gesehen wird.
Das Instrument der semantischen Polaritäten besteht nun darin, dass in der Beratungssitzung die Pole eines spezifischen Themas auf einer Flipchart oder einem Blatt Papier  an den beiden Enden einer horizontalen Linie eingetragen und dann die verschiedenen Positionen des Klientensystems auf dieser Linie markiert werden. So trivial dieses Tool erscheinen mag, mit der Expertise und Intuition von erfahrenen Beratern wie den Autoren vermag es eine eindrucksvolle und überraschend effektive Bewegung in organisationsbezogene Klärungsprozesse bringen, wie Campbell und Grønbæk anhand von zahlreichen ausführlichen Fallbeispielen zeigen.
Dabei schlagen sie eine bestimmte Vorgehensweise vor. Zunächst geht es darum, die Anliegen des Klientensystems genau zu identifizieren und in ein Handlungsdilemma zu überführen: „by placing these ideas in a binary, dialectical form, we are introducing the notion of tension between two courses of action. This tension … is a driving force that will fuel the individual‘s change of thinking and change of behaviour“ (35). Dieser Prozess wird solange in Gang gehalten, bis die Klienten sicher sind, dass die Formulierung des Handlungsdilemmas ihre Situation trifft. Erst dann werden die positiven Wertvorstellungen, die den beiden Seiten der Dilemmata zugrunde liegen, expliziert, welche als implizite Aussagen über die Organisation verstanden werden können. Diese Wertvorstellungen werden nun polarisiert und auf den Enden der Skala eingetragen. Vor allem David Campbell erweist sich als wahrer Meister in der Konstruktion von Polaritäten, die die Anliegen der Klienten kunstvoll so reformulieren, dass sie scheinbar anstrengungslos konstruktive Auswege aus konflikthaften Dilemmata bieten: „Some polarities are better than others, not because the accurately reflect any reality but because they provide a platform for a good dialogue. It is important that polarities are not negative“ (56)!
Im nächsten Schritt werden die Klienten gebeten, ihre eigenen Positionen auf dem Kontinuum einzutragen und sie gegebenenfalls genauer zu erläutern. Allein durch die Visualisierung und Diskussion der unterschiedlichen Positionen entstehen recht schnell neue Ideen und Perspektiven, die dann in einem erweiterten Dialog aller Beteiligten weiter ausdifferenziert bzw. „ausgehandelt“ werden.
Entscheidend für die Autoren ist bei all diesen Schritten die Beachtung der „Macht der Sprache“. Die Aufgabe von Beratern liegt u.a. darin, darauf zu achten, dass bei der Arbeit mit den „semantischen Polaritäten“ keine Wörter verwendet werden, die aufgrund ihrer Implikationen eher dazu führen, dass Positionen fixiert als „geöffnet“ werden: „There are words used in our social discourses that are imbued with powerful connotations, such that when the words are used the connotations follow with them. Words such as ‚racist‘, ‚abusive‘, ‚sexist‘, ‚incompetent‘, and the like seem to represent the final word. They have the effect of closing the discussion. They are verbal trump cards after which it is difficult to offer any other point of view, and then people retreat to their own, relatively safe, positions“ (45).
Wie bei allen Methoden, hängt auch bei diesem Modell der erfolgreiche Einsatz ganz vom umsichtigen und besonnenen Vorgehen der Berater ab, die ein ausreichendes Gefühl für den Kontext,  gutes Timing und eine angemessene affektive Rahmung besitzen müssen.
Wie die zahlreichen Fallbeispiele aus der Praxis beider Autoren zeigen, handelt es sich um ein außerordentlich breit einsetzbares Beratungs-Instrument mit minimalen technischen Voraussetzungen, dass in der Hand von erfahrenen Beratern schnell und effektiv zu kreativen Problemlösungen beitragen kann. Die scheinbare Simplizität dieses Tools täuscht allerdings leicht darüber hinweg, dass die zugrundeliegenden Fragestellungen erst einmal erfahren, verstanden und neu konzeptualisiert werden müssen.
In einem eigenen Kapitel werden daher einige Übungen vorgestellt, die das Erlernen dieser Technik erleichtern sollen. Ergänzt wird der Band durch einen nützlichen Evaluationsbericht von Justine Grønbæk Pors, einer Tochter von Marianne Grønbæk. Sie hat ausführliche Interviews mit drei Klienten über den Einsatz der semantischen Polaritäten durchgeführt, aus denen sich noch einmal andere Aspekte ergeben. Ein ausführliches Register schließt den Band ab.





Verlagsinformation:

"This volume provides a positive and productive model for helping people to move out of static positions or difficult relationships in the workplace. Informed by systemic thinking and social constructionism, the authors discuss how it is possible to create realities through dialogue and to enable greater opportunities for the employee, manager and consultant alike. Taking Positions in the Organization uses a model of semantic polarities to create simple solutions to complex problems in a format which will inform and enthuse all its readers."


Über David Campbell:

H is a well-established clinical psychologist, who works as a trainer and clinician for the National Health Service at the Tavistock Clinic in London, and also as a freelance consultant to teams and small organizations. For many years he has been interested in developing techniques for working with organizations that incorporate the principles of systemic thinking. His work has led to consulting and training projects throughout the U.K. and Europe for both public and private sector institutions. He has written several articles and books on this subject and is a co-editor of the Systemic Thinking and Practice Series, containing thirty-nine books, which has promoted many new ideas in this field."



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