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18.07.2006
Malcolm MacFarlane (Hrsg.): Family Treatment of Personality Disorders - James Marley: Family Involvement in Treating Schizophrenia
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The Haworth Press 2004
409 S., broschiert
Preis: 30,10 €
ISBN: 0789017903 |
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James A. Marley: Family Involvement in Treating Schizophrenia: Models, Essential Skills, and Process Haworth Press 2004 157 S., broschiert
Preis: 22,50 € ISBN: 0789012502
The Haworth-Press
Jochen Schweitzer, Heidelberg:
Diese beiden amerikanischen Bücher versuchen Ähnliches: zwei klinische Problembereiche, von denen sich die systemische Therapie in den USA zurückgezogen hat (Schizophrenie) oder in dem sie noch nie sehr prominent tätig war (Persönlichkeitsstörungen) für die systemische Therapie neu zu erschließen: „It is time for family therapy approaches to be more integrated into the mental health field“ (Malcom Mc Farlane, S. 4) Man muss sich als sozialpolitischen Hintergrund beider Bücher die derzeitige nordamerikanische Psychotherapielandschaft denken: dominiert von Managed-Care-Companys, die Psychotherapie nur in recht limitiertem Umfang finanzieren und am liebsten nur für evidenzbasierte Verfahren; dominiert vom diagnostischen Denken des DSM (Diagnostic and Statistical Manual, dem amerikanischen Geschwister der ICD); dominiert von täglich angeblich neuen neurobiologischen Erkenntnissen. Für Amerikaner als Empiristen war theoriebezogene Abgrenzung noch nie so wichtig wie für uns in Deutschland. Sie gehen von „Family Intervention“ als Grundkonzept aus, das vom Rahmen und von vielen Techniken her fast immer als „systemisch“ gesehen wird, in dessen praktische Arbeitsweisen aber immer wieder ohne Bedenken psychodynamische, kognitiv-behaviorale und biologische Theorie- und Behandlungselemente integriert werden. In Abgrenzung zu den Arbeiten der alten Familientherapie-Pioniere (Bateson, Lidz, Wynne, Stierlin u. a.) und vielleicht auch zu der Mailand-Heidelberger Tradition buchstabieren sie zirkuläres Denken in der Weise, dass sie immer wieder in erster Linie fragen: „Wie bewältigt eine Familie die psychische Krankheit eines Mitgliedes? (die Grundfrage aller psychoedukativen und kognitiv-behavioralen Ansätze) und dann aber auch: „Was kann die Familie zu Verbesserung oder Verschlimmerung der psychischen Krankheit eines Mitgliedes beitragen?“ (die Grundfrage der systemischen Therapie bis in die Achtzigerjahre hinein). In der uralten Debatte darüber, ob hauptsächlich die Familiendynamik die psychische Krankheit eines Mitgliedes oder die psychische Krankheit eines Mitgliedes die aktuell beobachtbare Familiendynamik determiniert, streben die Autoren einen Sowohl-als-auch-Kurs an. Es gibt aber in beiden Büchern keine Versuche, Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörungen als soziale Konstrukte und Etikettierungen zu dekonstruieren und zu hinterfragen. James Marleys „Family Involvement in Treating Schizophrenia“ stellt nach zwei einführenden Kapiteln („Overview of Schizophrenia“ und „Families and Schizophrenia“) insgesamt 11 familientherapeutische „Schulen“ (psychodynamisch, nach Bowen, experientiell, strukturell, strategisch, systemisch, Mailänder Ansatz, narrativ, lösungsorientiert, Multi-Familien-Gruppen, psychoedukativ) und deren „Leistungsfähigkeit“ für die Schizophrenie-Therapie nach einem einheitlichen dreiteiligen Gliederungsschema vor: „Overview and application to schizophrenia“, „Essential skills and techniques“, „The process of family therapy“. Am Ende wird die Praxis amerikanischer Selbsthilfe- und Lobbygruppen beschrieben, die Forschungslage dargestellt, Anregungen für eine systematische Familienorientierung in Einrichtungen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung gegeben und die Annahmen des Autors über erwartbare Zukunftsentwicklungen geäußert. Seine differenzierten Resümees über die Nützlichkeit der einzelnen Schulen für die Schizophrenie-Therapie gehen mir persönlich weitgehend gegen den Strich. Er sieht die besten Perspektiven für die psychoedukativen Ansätze, die kognitiv-behavioralen Ansätze und (ein Lichtblick) die Multi-Familien-Gruppentherapie. Für perspektivreich, aber in der Schizophrenie-Therapie noch zuwenig genutzt hält er die narrativen Ansätze und die strukturelle Familientherapie. Haleys strategische Therapie sieht er als vom lösungsorientierten Ansatz de Shazers weitgehend beerbt und als altmodisch diskreditiert an, den lösungsorientierten Ansatz für überarbeitsbedürftig („too simplistic … for families stressed out “). Schlecht kommen bei ihm alle Ansätze weg, die irgendwie als „Beschuldigung der Familie, speziell der Eltern“ missverstanden werden könnten: der systemische Ansatz im Mailänder Stil, am schlimmsten aber die psychodynamische Familientherapie. Das von Malcom Mc Farlane herausgegebene „Family Treatment of Personality Disorders“ gibt zunächst in drei Einführungskapiteln einen Überblick über Geschichte und Perspektiven der Familientherapie von Persönlichkeitsstörungen, gefolgt von zwei Arbeiten der Therapie-Pioniere Lorna Smith Benjamin (SASB) und Charles McCormack (Object Relations Theory) über ihre jeweiligen Ansätze. Kapitel 4 -12 handeln dann die Familientherapie bei jeweils einer anderen Persönlichkeitsstörung ab – von „Borderline“ über „histrionic-obsessive“ und „dependent“ bis zu „narcissistic“und „paranoid“. Das Buch, besonders das mich am meisten interessierende Kapitel 7: „Systemic Treatment of Borderline Personality Disorder: An integrative Approach“ hält nicht so recht, was es zu versprechen schien. Zwar wird systemische Therapie in der von Karl Tomm vertretenen, v. a. von Boscolo und Checchin und von Michael White beeinflussten Variante dargestellt – das zirkuläre Fragen, die Dekonstruktion negativer Selbstbeschreibungen und die respektvoll Neutralität werden betont –, aber der schließlich beschriebene Fall atmet einen sehr pädagogisch-moralischen Geist und ist frei von irgendwelchen kreativen systemischen Interventionen. Mein ambivalentes Fazit: Die Autoren haben mit beiden Büchern wichtige Vorarbeiten für die (gedankliche) Nutzbarmachung der systemischen Therapie für diese beiden Störungsbilder geleistet. Aber es braucht aus Sicht der systemischen Therapie kreativere und offensivere Therapien und Therapieprogramme als die hier beschriebenen. Hier ist ein Feld, in dem gute systemische Kliniker/innen gerade im deutschen Sprachraum in den nächsten Jahren viele Entfaltungsmöglichkeiten finden können. (mit freundlicher Genehmigung von Kontext).
Inhaltsverzeichnis von MacFarlane: Family Treatment of Personality Disorders
Magnavita, Jeffrey J., & MacFarlane, Malcolm M.: Family Treatment of Personality Disorders: Historical Overview and Current Perspectives. S. 3-39.
Smith Benjamin, Lorna, & Cushing, Gretta: An Interpersonal Family-Oriented Approach to Personality Disorder. S. 41-69.
McCormack, Charles C.: An Object-Relations Approach to the Treatment of Personality-Disordered Marriages. S. 71-113.
Kreisman, Judith K., & Kreisman, Jerold J.: Marital and Family Treatment of Borderline Personality Disorder. S. 117-148.
Sperry, Len: Family Therapy with a Histrionic-Obsessive Couple. S. 149-172.
Nichols, William C.: Integrative Marital and Family Treatment of Dependent Personality Disorders. S. 173-204.
MacFarlane, Malcolm M.: Systemic Treatment of Borderline Personality Disorder: An Integrative Approach. S. 205-240.
Carlson, Jon, Melton, Kimberly A., & Snow, Kim: Family Treatment of Passiv-Aggressive (Negativistic) Personality Disorder. S. 241-272.
McLean, Peter D., & McLean, Carmen P.: Family Therapy of Avoidant Personality Disorder. S. 273-303.
Lawson, Christine Ann: Treating the Borderline Mother: Integrating EMDR with a Family Systems Perspective. S. 305-334.
Harman, Marsha J., & Waldo, Michael: Relationship Enhancement Family Therapy with Narcissistic Personality Disorder. S. 335-359.
Links, Paul S., & Stockwell, Michelle: Couples Therapy with a Paranoid Personality-Disordered Client. S. 361-380.
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