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26.01.2006
Hans Keilson: Sequentielle Traumatisierung bei Kindern. Untersuchung zum Schicksal jüdischer Kriegswaisen
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edition psychosozial Oktober 2005
464 Seiten Broschur
ISBN: 3-89806-456-5
Preis:39,90 €
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Psychosozial-Verlag Gießen
Johanna Fleischhauer, Hattingen: Ein klassisches Werk der Traumapsychologie ist wieder verfügbar
Die
Originalausgabe von 1979 wurde Ende 2005 vom Psychosozial Verlag in
unveränderter Form wieder aufgelegt, lediglich der Einband ist neu,
attraktiver gestaltet. Keilsons Studie ist wissenschaftshistorisch
bedeutsam, weil in ihr die Traumatisierung durch von Menschen
organisierte Gewalt zum ersten Mal als langfristig wirksamer Prozess
aufgefasst wurde. Sie ist damit gegenwärtig interessant für die
Aufarbeitung Jahrzehnte langer Auswirkungen von Krieg,
Nationalsozialismus und Holocaust auf die Generation der europäischen
Kriegs- und Nachkriegskinder. Sie ist aber auch hoch aktuell, weil
sie nachweist, dass zeitliche Sequenzen nach dem Ende manifester
Gewalteinwirkung besonders bedeutsam für die weitere psychische
Entwicklung sind. Diese enthalten spezifische, noch immer weithin
unterschätzte Traumapotentiale – eine Erkenntnis, die unter anderem in
der Arbeit mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten von zentraler Bedeutung
ist. Für Kindertherapeuten sind Keilsons Forschungen wichtig, weil er
die jeweiligen Ausprägungen der kindlichen Traumata im Zusammenhang mit
dem Entwicklungsprozess ihrer Persönlichkeit erklärt. Die
Untersuchung ging letztlich aus dem klandestinen Engagement Keilsons
als Arzt und Psychotherapeut jüdischer Kinder hervor, die während der
nationalsozialisti- schen Verfolgung in den Niederlanden von
nichtjüdischen Familien aufgenommen wurden („hidden children“). Nach
dem Krieg war Keilson maßgebliches Mitglied einer Kommission, die über
das zukünftige Erziehungsmilieu der mehr als 2000 überlebenden,
verwaisten Kinder zu entscheiden hatte. Zu jedem Kind wurde während des
gutachterlichen Verfahrens mindestens ein Dossier angelegt; diese
Dossiers bilden das Basismaterial für die spätere Analyse. Anlass der
Untersuchung, mit der Keilson 25 Jahre nach Kriegsende begann, waren
Bitten um therapeutische Hilfe durch Angehörige der zweiten Generation,
bei deren Problemen er einen Zusammenhang mit den ihm bekannten
Traumata ihrer Eltern vermutete. Um die längerfristige Entwicklung der
Kriegswaisen zu erforschen, wurden über 200 Personen erneut aufgesucht
und befragt. Die hohe Zahl der untersuchten Fälle, der lange Zeitraum
bis zur follow-up Untersuchung und die über Jahrzehnte angesammelte
Kenntnis psychischer Entwicklungsverläufe, die der Interpretation der
Daten besondere Tiefe verleiht, machen die Studie qualitativ und
quantitativ einzigartig.
Zum Inhalt: Die Einführung gibt
Informationen zur historischen Situation der jüdischen Kinder in den
Niederlanden unter nationalsozialistischer Besatzung, zum sequentiellen
Traumabegriff, zum an der Psychoanalyse orientierten
entwicklungspsychologischen Konzept und zur Untersuchungsmethodik. Der
Hauptteil umfasst die Untersuchung der Kinderdossiers. Die Fälle werden
in sechs „Altersgruppen“ von der Geburt bis zum achtzehnten Lebensjahr
zusammengefasst, dem Alter entsprechend, in dem die Kinder zu Beginn
der manifesten Verfolgung von ihrer Mutter getrennt wurden. Die
zentralen Entwicklungsbedürfnisse dieser Altersphase definiert Keilson
in Freud’schen Kategorien. Persönlichkeitsstörungen, die in den
Untersuchungen bei Kriegsende festgestellt wurden, werden aus der
massiven Frustration dieser basic needs und der Konfrontation mit extremen Bedrohungssituationen ohne ausreichenden Schutz erklärt. Die follow-up
Untersuchung umfasst Befragungen der Herangewachsenen in den
Niederlanden und Israel zu drei Bereichen ihrer Lebensführung:
Partnerschaftsbeziehungen, Beruf und Freizeit; ein weiterer Fokus liegt
auf den Erinnerungen an die Zeit der Verfolgung und die
Nachkriegssequenz; letztere wird im Rückblick von vielen Betroffenen
als besonders belastend charakterisiert. Im Anhang ist eine detaillierte tabellarische Übersicht mit biographischen Stichworten zu den 204 Teilnehmer/innen der follow-up Studie zu finden.
eine interessante Seite über Hans Keilson mit einem Audio-Interview (mp3) Die Laudatio auf Keilson bei der Verleihung des Heinrich-Merck-Preises durch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Ein Artikel von Tilman Krause zur Preisverleihung aus der Welt vom 2.7.2005
Ein Interview mit Keilson von Adelbert Reif (PDF)
Verlagsinfo:
Hans
Keilson analysiert die massiv-kumulative Traumatisierung bei Kindern am
Beispiel der jüdischen Kriegswaisen in den Niederlanden in je einem
deskriptiv-klinischen und einem quantifizierend-statistischen
Untersuchungsgang. Zugleich prüft er damit die Hypothesen der
altersspezifischen Traumatisierung sowie einen Teil der
psychoanalytischen Theorie der Traumatisierungsintensität.
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