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Neuvorstellung zur Übersicht
28.07.2005
Peter Fuchs: Der Eigen-Sinn des Bewusstseins. Die Person, die Psyche, die Signatur
Fuchs: Bewusstsein transcript Verlag 2003

kartoniert, 122 S.

ISBN: 3-89942-163-9

Preis: 12,80 €
transcript Verlag





Roland Schleiffer, Bonn:

Wir haben es wirklich schwer. Das, was uns unsere unverwechselbare Individualität garantieren sollte, nämlich unsere Psyche und unser Bewusstsein, droht uns nun vollends abhanden zu kommen. Ließ sich das Unterfangen der Neurowissenschaften, unseren freien Willen und andere Idiosynkrasien als eine Illusion zu entlarven, noch als Ausdruck eines letztlich doch zu simplen biologistischen Reduktionismus abtun, werden diese uns tragenden Überzeugungen und Hoffnungen nun intellektuell ungleich anspruchsvoller auch von soziologischer Seite in Frage gestellt.
Peter Fuchs, mit dem Etikett eines vom Meister selbst hochgeschätzten „Luhmann-Schülers“ versehen, erweist sich – wieder einmal – selbst als Meisterdenker. Mit den elaborierten theoretischen Mitteln der differenztheoretischen Systemtheorie Bielefelder Provenienz konfrontiert er uns mit der Erkenntnis, dass unser Bewusstsein immer schon durch soziale Prozesse überformt wird. Damit wird aber keineswegs behauptet, dass sich das Bewusstsein letztlich „nur“ als sozialer Artefakt verstehen ließe. Im Gegenteil: das Bewusstsein hat durchaus „Eigen-Sinn“. Wie es sich diesen Eigen-Sinn verschafft, ist Thema des Buches. Es geht also um die Frage, „wie in einem psychischen System (in einer Wahrnehmungsorganisation) die Vorstellung reifen und sich durchsetzen kann, dass ebendieses System eine Art originären Eigentums sei, die Quelle einer Welt, die eine je besondere und einmalige wäre, individuell und einzigartig“ (16).
Es handelt sich um ein sehr anspruchsvolles Buch. Bei aller Neigung des Autors zum Ornamentalen ist seine Argumentation ausgesprochen dicht, weshalb sich der Inhalt kaum referieren lässt. An anderer Stelle (Fuchs, Das Gehirn ist genau so doof wie die Milz, Weilerswist 2005, 76) lässt der Autor sich über seine Schreibgewohnheiten aus: „Ich schreibe Bücher zur linken Hand und zur rechten Hand. Die Bücher zur rechten Hand, das sind diejenigen, von denen ich behaupte, dass der Komplexitätsgrad sehr hoch ist. Alle diese Bücher kennen die Lust am Spiel, an der Assoziation, der Spekulation, aber sie sind dennoch asketisch, bemüht um jede Formulierung und, wie ich meine, ziemlich unkonziliant. Die Bücher zur linken Hand, das sind dagegen Versuche, auch einer breiteren Öffentlichkeit die Wirkung einer solchen Theorie nahezubringen.“ Das vorliegende Buch ist zweifellos rechtshändig verfasst. Dementsprechend dürfte seine Lektüre nur etwas für in Sachen Systemtheorie fortgeschrittene Leser sein.
Der 1. Teil („Die soziale Adresse und die Person“) befasst sich mit der strukturellen Kopplung zwischen dem psychischen System und der Kommunikation. Damit Kommunikation funktioniert, benötigt sie zu ihrer eigenen Irritation die Form Person. Für das Bewusstsein bedeutet dies allerdings eine Zumutung, handelt es sich bei dem Schema Person doch um der einzelnen Psyche attribuierte Verhaltensseinschränkungen. Dieser kommunikativen Adressierung kann sie sich nur schwer entziehen. Zumindest zeitweise mag ihr dies gelingen unter Zuhilfenahme des Körpers. Aber auch eigenartiges und eigentümliches (griech. = idios!) Verhalten ist geeignet, sich des individuellen Eigen-Sinns zu versichern. In diesem Zusammenhang wäre zu diskutieren, inwieweit überhaupt psychopathologisch relevantem Verhalten nicht gerade eine solche Funktion zukommt. Auch in diesem Zusammenhang erweisen sich die Fuchsschen Ausführungen als ungemein anschlussfähig.
Im 2. Teil („Die Psyche und das Bewusstsein“) geht es um die Folgen einer internen Differenzierung innerhalb des psychischen Systems. Unterschieden wird zwischen dem psychischen System, das Wahrnehmungen prozessiert, und dem Bewusstsein, das als Zusammenhang dezidierter, nämlich bezeichnender Beobachtungsoperationen im Kontext nicht-dezidierter Operationen des psychischen Systems begriffen wird. Da das Bewusstsein zur Bezeichnung seiner Beobachtungen auf sozial angelieferte und somit nicht singulär zur Verfügung stehende Zeichen angewiesen ist, erweist es sich auch hier als alles andere als individuell, sondern höchst konventionell. Mit den Worten des Autors: „Das Bewusstsein ist durch und durch konventionell und alles andere als singulär.“ (71)  Bewusstsein kommt daher ohne Sprache nicht aus. In Umkehrung: Das Nichtsprachliche des psychischen Systems ist das Nicht-Bewusste. Und: Nur dem Nicht-Bewussten lässt sich Individualität zusprechen.
Der 3. Teil, euphemistisch unter der Überschrift „Aparte Theoriestücke“ angekündigt, hat es in sich. Er dürfte wohl ausschließlich rechtshändig verfasst sein. Der Autor verknüpft die komplizierten Spencer-Brown´schen Denkfiguren des paradoxalen „re-entry“ sowie des „unwritten cross“ mit der nicht minder anspruchsvollen Derridaschen Denkfigur der „différance“ in kreativer Weise. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass Individualität nur als Imagination möglich ist. Grund hierfür ist der Sachverhalt, dass das Bewusstsein als beobachtende Instanz immer im Akt des Beobachtens verschwindet und sich daher immer verfehlt, wenn es sich selbst zu beobachten versucht. Für dieses, dem Selbst nicht, sondern lediglich für andere Beobachter Erfassbare führt Fuchs den Begriff der Signatur ein, welche als etwas für das Bewusstsein Unbeobachtbares und nicht zu Kontrollierendes die Individualität ausmacht. Beispiele für diese Figur der Signatur wären etwa der rhetorische Stil oder das Charisma. Dennoch entkommt das Bewusstsein der Supervision durch die Kommunikation nicht, ist es doch in seinem Bemühen um Individualität immer auf die nachträgliche soziale Gegenzeichnung angewiesen. Dabei kann es mit einer „Generalakzeptanz für Signaturen“ rechnen und auf eine Toleranz für das Idiosynkratische von Seiten des Sozialen vertrauen. Notfalls stehen dann wir Psychotherapeuten parat, um diesem „Syndrom der Individualität“ zum Erfolg zu verhelfen.




Eine Leseprobe des Verlages (PDF)

Eine Audio-Datei eines Vortrages von Peter Fuchs zum Thema "Soziale Signatur des Bewusstseins" (Quelle: institut für theorie der gestaltung und kunst Zürich, Real Audio Player erforderlich)

Die Website von Peter Fuchs





Verlagsinfo:

"Es ist kein Geheimnis, daß das, was wir so alltäglich Person, Bewußtsein, Psyche, Individuum etc. nennen, in den avancierten Theorien der Soziologie und der Philosophie zu verdunsten scheint. Immer deutlicher wird, daß das Bewußtsein, dem die Tradition einen Eigenwert zugeschrieben hatte, überformt wird durch soziale Prozesse. Es kann sich nicht selbst beobachten, ohne sich als individuelle Allgemeinheit zu entdecken. Der instruktive Essay von Peter Fuchs setzt sich mit diesem Problem auseinander. Er erkundet das Terrain der Bewußtseinsfrage – im Zusammenhang mit wichtigen Anrainerbegriffen wie eben Person, Psyche, Individuum – auf dem Niveau und mit den Mitteln der Systemtheorie, also einer der Theorien, die den Eigenwert des Bewußtseins massiv zu bedrohen scheinen. Der Begriff der individuellen Signatur und ihrer Gegenzeichnung wird in aller Vorläufigkeit herangezogen, um den Raum der Diskussion des Problems zu öffnen."


Autor:

Peter Fuchs ist seit 1992 Professor für Allgemeine Soziologie und Soziologie der Behinderung an der FH Neubrandenburg. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. "Reden und Schweigen" (mit Niklas Luhmann), Frankfurt a.M. 1989, zuletzt "Die Metapher des Systems. Studie zur allgemein leitenden Frage, wie sich der Tanz vom Tänzer unterscheiden lasse", Weilerswist 2001, "Der Eigen-Sinn des Bewußtseins. Die Person – die Psyche – die Signatur", Bielefeld 2003, und "Theorie als Lehrgedicht. Systemtheoretische Essays I", Bielefeld 2004.

Peter Fuchs ist auch Autor von systemagazin.


Inhaltsverzeichnis:

A. Die soziale Adresse und die Person 15

1. Der basale Mechanismus der Adressenbildung (18)
2. Inklusion/Exklusion – ein Theoriemanöver (24)
3. Die Form der Person (30)
4. Die reziproke Unentbehrlichkeit der Person (33)
5. Der Körper: allein (37)
6. Die Person – ein Multiplex (42)


B. Die Psyche und das Bewußtsein (47)

1. Die elementare Einheit des Bewußtseins (48)
2. Die Differenzierung des psychischen Systems (52)
3. Dezidierte Operativität (54)
4. Die Funktion des Bewußtseins (57)
5. Konditionierte Koproduktion (61)
6. Die Zeichen (64)
7. Das konventionelle Bewußtsein (69)


C. Aparte Theoriestücke (73)

1. Der Chorismos des Beobachters (74)
2. Die Figur des Wiedereintritts und das unwritten cross (79)
3. Die Sinndimensionen und eine nachträgliche Anordnungsbegründung (84)
4. Das Individuum (89)
5. Selbstbeschreibungen zum ersten (93)
6. Selbstbeschreibungen zum zweiten (100)
7. Signatur und Gegenzeichnung (103)
8. Zwischenmenschliche Interpenetration (107)



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