Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Neuvorstellung |
zur Übersicht |
07.07.2005
Margot Berghaus: Luhmann leicht gemacht
|
|
|
2. Auflage 2004
302 S., flex. Einband
ISBN: 3825223604
Preis: 19,90 € |
|
UTB Verlag
Tom Levold, Köln:
Ein berühmtes Verdikt von Albert Einstein lautet: „Mache die Dinge so
einfach wie möglich - aber nicht einfacher!“. Dies ist nun in Bezug auf
die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die zwar die Reduktion von
Komplexität als eine wesentliche Leistung von Systemen herausstellt,
selbst aber durch ihren außerordentlich eindrucksvollen Aufbau von
Eigenkomplexität berühmt geworden ist, keine leichte Aufgabe. Margot
Berghaus, Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der
Universität Mannheim, hat sich dieser Aufgabe gestellt, und das
ziemlich erfolgreich, wenn man den jeweils tagesaktuell ermittelten
Verkaufsrang bei Amazon.de betrachtet: mit dem sensationell guten Platz
6.765 überrundet Berghaus sogar das berühmteste Buch des Meisters
(Soziale Systeme auf Rang 8.257), ihre in das Werk Luhmanns einführende
Konkurrenten lässt sie weit hinter sich (ab den 100.000er Plätzen).
Die Reduktion von Komplexität ist ihr Programm: „Es ist alles getan, um
einen leichten, gut verständlichen, aber keineswegs oberflächlichen
Zugang zu schaffen. Dieser führt (1) über die Interpretation des Autors
im Text, (2) über Veranschaulichungen in Abbildungen, Schaubildern,
Tabellen, Karikaturen und (3) über zusammengestellte, eingerückte
Zitatpassagen“ (S. 12). Auf diese Weise - und durch zahlreiche
Auszeichnungen, Einrückungen, Zwischenüberschriften im Text - ist ein
sehr strukturiertes Lehrbuch entstanden, das es dem Leser ermöglicht,
schnell zu bestimmten Inhalten oder Schlüsselwörtern zu gelangen. Diese
Strukturiertheit tröstet auch ein wenig über das fehlende
Stichwortregister hinweg.
Die Abbildungen lockern den Text zwar auf, was ihn für Studenten in den
ersten Semestern oder theorieentwöhnten Professionals besonders
geeignet erscheinen lassen mag, ich selbst hatte beim Lesen allerdings
einen sehr zwiespältigen Eindruck. Neben zahlreichen Fotos und Tabellen
handelt es sich nämlich vor allem um Cartoons, die - da eine
Copyright-Angabe nicht zu finden ist - offensichtlich der Feder der
Autorin entstammen, ihrem Ansehen als Illustratorin aber nicht
unbedingt förderlich sind. Oft fühlte ich mich an Zeichnungen aus
Schülerzeitungen erinnert.
Das damit verknüpfte Unbehagen bei der ersten Inaugenscheinnahme legte
sich bei der Lektüre dann aber schnell. Nach einem kurzen Einstieg über
die Person, die theoriegeschichtlich bedeutsame
Habermas-Luhmann-Kontroverse und sein berühmtes Arbeitsinstrument
„Zettelkasten“ geht es sogleich in die Grundlagen der Systemtheorie
hinein, so wie sie sich seit der konstruktivistischen Wende Luhmanns
1984 darstellen (siehe Inhaltsverzeichnis unten).
Die Hauptbegriffe (Systeme, System-Umwelt-Differenz, Beobachtung als
Systemoperation, Autopoiesis, Evolution, Kommunikation,
Interprenetation, Sinn, Medien usw.) werden kurz und bündig
vorgestellt, anhand von Beispielen aus dem (Medien-)Alltag erläutert
und immer über eine ordentlich zusammengestellte Auswahl von
Luhmann-Zitaten abgesichert, die hoffentlich die Motivation wecken, die
Stellen im Original selbst nachzulesen.
Auf diese Weise orientiert sich Berghaus immer dicht am Werk des
Porträtierten und bietet damit einen rundum gelungenen Einstieg für
alle, die endlich einmal wissen wollen, was eine Luhmann-Lektüre zu
bieten hat, ohne aber gleich den Mut aufzubringen, sich ins Original
hineinzubegeben. Aufgrund seiner vergleichsweise offenen Struktur
ermuntert der Band auch zum Vor- und Zurückblättern, eine Leseweise,
die der zirkulär und rekursiv angelegten Theoriekonstruktion Luhmanns
durchaus angemessen ist.
Eine Rezeption der Luhmann-Kritik findet in diesem Band nicht statt,
und das geht völlig in Ordnung, da es ja in erster Linie nicht um einen
Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion der Systemtheorie, sondern
darum geht, das Werk Niklas Luhmanns selbst zur Darstellung zu bringen.
Da die Leser von systemagazin überwiegend den beratenden Berufen
angehören dürften, sollte noch auf eine weitere inhaltliche Engführung
hingewiesen werden: Als Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin hat
sich Margot Berghaus nach der Einführung in die Grundlagen der
Systemtheorie ganz auf die Medientheorie Luhmanns konzentriert,
deren Gegenstand mehr als die Hälfte des Buches ausmachen. Ausgehend
von der Evolution der „Verbreitungsmedien“ Sprache, Schrift und
Buchdruck geht es im letzten Teil des Buches vor allem um die
gesellschaftlichen Implikationen der Verbreitung der heutigen -
elektronischen - Massenmedien (Nachrichten, Werbung, Unterhaltung) -
und ihre Folgen, die Margot Berghaus übrigens nicht so pessimistisch
beurteilt. Sie schließt mit den Worten: „Anders als die
Kulturpessimisten behaupten ist die nahe, interpersonelle Kommunikation
- die Interaktion unter Anwesenden - zu Zeiten der globalen,
universellen Kommunikationserweiterung nicht auf der Verliererseite,
sondern im Gegenteil: als die älteste und evolutionär bewährteste Form
wird sie zu einer Selektionsinstanz über neue Kommunikationsformen
aufgewertet. Je mehr die medialen Angebote ausgeweitet werden, desto
größere Bedeutung bekommt die außermediale Kommunikation“ (296).
Das erste Kapitel ist als PDF auf der Website des Verlages veröffentlicht
Die Website von Margot Berghaus finden Sie hier.
Weitere Rezensionen im Internet:
von Christoph Reinfandt für IASL München
von Doris Gutting für den Deutschen Fachjournalistenverband (PDF)
Einige Leserkommentare aus der Zielgruppe
Verlagsinfo:
"Luhmanns Theorie zu kennen ist ein Gewinn – sowohl für das
wissenschaftliche Denken als auch für das Verständnis von Kommunikation
und Medien im Alltag. Dieses Einführungsbuch ermöglicht den Zugang auf
leicht verständliche Art und Weise – auch und gerade für Leser ohne
Luhmann-Vorkenntnisse. Hierzu verhelfen zahlreiche Schaubilder und
Zeichnungen sowie eine klare didaktische Aufbereitung des Stoffes in
überschaubare Schritte. Der Text ist bewusst einfach formuliert, aber
auch Luhmann selbst kommt in vielen Zitaten zu Wort."
|
|
|