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Neuvorstellung zur Übersicht
07.07.2005
Margot Berghaus: Luhmann leicht gemacht
Berghaus: Luhmann 2. Auflage 2004

302 S., flex. Einband

ISBN: 3825223604

Preis: 19,90 €
UTB Verlag





Tom Levold, Köln:


Ein berühmtes Verdikt von Albert Einstein lautet: „Mache die Dinge so einfach wie möglich - aber nicht einfacher!“. Dies ist nun in Bezug auf die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die zwar die Reduktion von Komplexität als eine wesentliche Leistung von Systemen herausstellt, selbst aber durch ihren außerordentlich eindrucksvollen Aufbau von Eigenkomplexität berühmt geworden ist, keine leichte Aufgabe. Margot Berghaus, Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim, hat sich dieser Aufgabe gestellt, und das ziemlich erfolgreich, wenn man den jeweils tagesaktuell ermittelten Verkaufsrang bei Amazon.de betrachtet: mit dem sensationell guten Platz 6.765 überrundet Berghaus sogar das berühmteste Buch des Meisters (Soziale Systeme auf Rang 8.257), ihre in das Werk Luhmanns einführende Konkurrenten lässt sie weit hinter sich (ab den 100.000er Plätzen).
Die Reduktion von Komplexität ist ihr Programm: „Es ist alles getan, um einen leichten, gut verständlichen, aber keineswegs oberflächlichen Zugang zu schaffen. Dieser führt (1) über die Interpretation des Autors im Text, (2) über Veranschaulichungen in Abbildungen, Schaubildern, Tabellen, Karikaturen und (3) über zusammengestellte, eingerückte Zitatpassagen“ (S. 12). Auf diese Weise - und durch zahlreiche Auszeichnungen, Einrückungen, Zwischenüberschriften im Text - ist ein sehr strukturiertes Lehrbuch entstanden, das es dem Leser ermöglicht, schnell zu bestimmten Inhalten oder Schlüsselwörtern zu gelangen. Diese Strukturiertheit tröstet auch ein wenig über das fehlende Stichwortregister hinweg.
Die Abbildungen lockern den Text zwar auf, was ihn für Studenten in den ersten Semestern oder theorieentwöhnten Professionals besonders geeignet erscheinen lassen mag, ich selbst hatte beim Lesen allerdings einen sehr zwiespältigen Eindruck. Neben zahlreichen Fotos und Tabellen handelt es sich nämlich vor allem um Cartoons, die - da eine Copyright-Angabe nicht zu finden ist - offensichtlich der Feder der Autorin entstammen, ihrem Ansehen als Illustratorin aber nicht unbedingt förderlich sind. Oft fühlte ich mich an Zeichnungen aus Schülerzeitungen erinnert.
Das damit verknüpfte Unbehagen bei der ersten Inaugenscheinnahme legte sich bei der Lektüre dann aber schnell. Nach einem kurzen Einstieg über die Person, die theoriegeschichtlich bedeutsame Habermas-Luhmann-Kontroverse und sein berühmtes Arbeitsinstrument „Zettelkasten“ geht es sogleich in die Grundlagen der Systemtheorie hinein, so wie sie sich seit der konstruktivistischen Wende Luhmanns 1984 darstellen (siehe Inhaltsverzeichnis unten).
Die Hauptbegriffe (Systeme, System-Umwelt-Differenz, Beobachtung als Systemoperation, Autopoiesis, Evolution, Kommunikation, Interprenetation, Sinn, Medien usw.) werden kurz und bündig vorgestellt, anhand von Beispielen aus dem (Medien-)Alltag erläutert und immer über eine ordentlich zusammengestellte Auswahl von Luhmann-Zitaten abgesichert, die hoffentlich die Motivation wecken, die Stellen im Original selbst nachzulesen.
Auf diese Weise orientiert sich Berghaus immer dicht am Werk des Porträtierten und bietet damit einen rundum gelungenen Einstieg für alle, die endlich einmal wissen wollen, was eine Luhmann-Lektüre zu bieten hat, ohne aber gleich den Mut aufzubringen, sich ins Original hineinzubegeben. Aufgrund seiner vergleichsweise offenen Struktur ermuntert der Band auch zum Vor- und Zurückblättern, eine Leseweise, die der zirkulär und rekursiv angelegten Theoriekonstruktion Luhmanns durchaus angemessen ist.
Eine Rezeption der Luhmann-Kritik findet in diesem Band nicht statt, und das geht völlig in Ordnung, da es ja in erster Linie nicht um einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion der Systemtheorie, sondern darum geht, das Werk Niklas Luhmanns selbst zur Darstellung zu bringen.
Da die Leser von systemagazin überwiegend den beratenden Berufen angehören dürften, sollte noch auf eine weitere inhaltliche Engführung hingewiesen werden: Als Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin hat sich Margot Berghaus nach der Einführung in die Grundlagen der Systemtheorie ganz auf die Medientheorie Luhmanns  konzentriert, deren Gegenstand mehr als die Hälfte des Buches ausmachen. Ausgehend von der Evolution der „Verbreitungsmedien“ Sprache, Schrift und Buchdruck geht es im letzten Teil des Buches vor allem um die gesellschaftlichen Implikationen der Verbreitung der heutigen - elektronischen - Massenmedien (Nachrichten, Werbung, Unterhaltung) - und ihre Folgen, die Margot Berghaus übrigens nicht so pessimistisch beurteilt. Sie schließt mit den Worten: „Anders als die Kulturpessimisten behaupten ist die nahe, interpersonelle Kommunikation - die Interaktion unter Anwesenden - zu Zeiten der globalen, universellen Kommunikationserweiterung nicht auf der Verliererseite, sondern im Gegenteil: als die älteste und evolutionär bewährteste Form wird sie zu einer Selektionsinstanz über neue Kommunikationsformen aufgewertet. Je mehr die medialen Angebote ausgeweitet werden, desto größere Bedeutung bekommt die außermediale Kommunikation“ (296).






Das erste Kapitel ist als PDF auf der Website des Verlages veröffentlicht

Die Website von Margot Berghaus finden Sie hier.


Weitere Rezensionen im Internet:

von Christoph Reinfandt für IASL München

von Doris Gutting für den Deutschen Fachjournalistenverband (PDF)

Einige Leserkommentare aus der Zielgruppe






Verlagsinfo:

"Luhmanns Theorie zu kennen ist ein Gewinn – sowohl für das wissenschaftliche Denken als auch für das Verständnis von Kommunikation und Medien im Alltag. Dieses Einführungsbuch ermöglicht den Zugang auf leicht verständliche Art und Weise – auch und gerade für Leser ohne Luhmann-Vorkenntnisse. Hierzu verhelfen zahlreiche Schaubilder und Zeichnungen sowie eine klare didaktische Aufbereitung des Stoffes in überschaubare Schritte. Der Text ist bewusst einfach formuliert, aber auch Luhmann selbst kommt in vielen Zitaten zu Wort."



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