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Neuvorstellung zur Übersicht
14.05.2005
Konrad P. Grossmann: Therapeutische Dialoge mit Paaren
ohne Abbildung facultas Verlag Wien

2002, 159 Seiten, broschiert

ISBN 3-85076-577-6,

Preis: 17,90 €/ sFr 31,70
facultas Verlag





Andrea Brandl-Nebehay, Wien:

Vor uns liegt eine Erzählung darüber, wie es drei Menschen gemeinsam gelegentlich gelingen kann, abgenutzte Texte zum Thema Lieben umzuschreiben und neue Liebesgeschichten zu entwerfen. Ein Paar, das in seinem Lieben eingefroren, in seinen häuslichen Gesprächen in engen Kommunikationsrillen steckengeblieben ist, entdeckt im Trialog mit dem Therapeuten andere, breitere Wege miteinander zu reden und das gemeinsames Leben zu gestalten. Dieses narrative Verständnis von therapeutischen Wandlungsprozessen verbindet Grossmanns erstes, im Jahr 2000 erschienenes Buch „Der Fluss des Erzählens“ mit seinem neuen Band, der das Gelingen und Scheitern von Paardialogen thematisiert. Die Metapher von Flüssen, die nicht immer sichtbar sind, manchmal unterirdisch strömen um dann wieder aufzutauchen, durchzieht auch dieses Buch. Jedes Kapitel wird mit gewässerkundlichen Fragestellungen (Ist der Inn ein Nebenfluss der Donau oder die Donau ein Nebenfluss des Inn?) und Landschaftsbildern eingeleitet. So gelangen Leser und Leserin mühelos vom Klausensystem des Reichraminger Hintergebirges, von den Mäandern des Kamp und den Quellen der Hochaist im Mühlviertel zu anregenden Vorstellungen darüber, wie Erzählungen über das Lieben sich vertiefen, verzweigen, erweitern und in neue Lebensgestaltung münden können. Eingestreute Fallvignetten und Ausschnitte aus therapeutischen Dialogen erleichtern die Übertragung in die praktische Arbeit mit Paaren.
Schwieriges Lieben, so eine der Hauptthesen des Buches, geht unweigerlich mit verengtem Erzählen einher, und umgekehrt. Verengung kommt dadurch zustande, dass im Sprechen des Paares Gelingendes ausgelassen, Momente von Nähe und Gemeinsamkeit unerzählt bleiben, die fehlende Verbundenheit hingegen hervorgehoben wird. Grossmann nimmt scheiterndes Kommunizieren innerhalb und außerhalb des Therapieraums sehr genau unter die Lupe, in dem er eine Reihe von Unterscheidungen einführt. Paare in Schwierigkeiten neigen eher zu einer internalen als zu einer externalen Erzähllogik. Die Quellen von Schwierigkeiten werden also eher in Charaktermängeln und anderen unerfreulichen Merkmalen der (anderen) Person als in „externen“ Faktoren  wie belastenden äußeren Lebensumständen festgemacht. In Kombination mit der Tendenz zu linearer (statt zirkulärer) Erzähllogik wird so in der Ursachenzuschreibung Eindeutigkeit („allein ihr Fehltritt/ sein Egoismus ist schuld)“ hergestellt, was Konsensfindung über Lösungsoptionen erheblich erschwert. Das mögliche Zusammenwirken mehrerer Ursachen sowie die zirkuläre Rückwirkung von Effekten auf die „Ursachen“ findet kaum Eingang in die Überlegungen des Paares. Ein weiteres Merkmal verengten Erzählens von Paaren ortet Grossmann in der Häufung von polarisierten (im Gegensatz zu parallelisierten) Selbst-Texten. Während das eigene Selbst als voll guter Absichten und um Verbundenheit bemüht präsentiert wird, werden dem Partner diametral entgegengesetzte Attribute zugeschrieben und oft auch die gute Absicht abgesprochen. Während die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt erscheinen, werden die des Partners als weitaus intakter eingeschätzt (er/sie könnte, wenn er/sie nur wollte...). Ferner wird nicht überraschen, dass Paare in Zeiten schwierigen Liebens das Erzählmotiv von Distanz und Ungleichheit hervorheben, während Geschichten über Nähe und Gleichheit in den Hintergrund treten. Entlang der Unterscheidungslinie zwischen monologischen bzw. dialogischen Lösungsversuchen überwiegt das Erzählen von Streit und Eskalation, von Nicht-Gefragt und Nicht-Gehört gegenüber dem Erzählen von Situationen, in denen konstruktive Dialoge möglich wurden.
Viele dieser Elemente verengten Erzählens spiegeln sich auch im Kontext der therapeutischen Erzählsituation wieder. Die Therapeutin/der Therapeut ist zu zweifachem Zuhören aufgerufen: einem Aufnehmen der im Erzählten zum Ausdruck gebrachten Erfahrungen beider Partner und einem aufmerksamen Lauschen darauf, was im Erzählen des Paares unerzählt bleibt.
Im Abschnitt „Rahmung und Herstellung des paartherapeutischen Systems“ stellt der Autor Überlegungen zu relationalen und inhaltlichen Aspekten des Therapieprozesses an. Voraussetzung für erweiterndes „Erzählen in der Möglichkeitsform“ sind stimmige und  transparente Kontrakte über Rahmenbedingungen und Setting der Paartherapie. Mit relationaler Rahmung ist die Beziehungsgestaltung im therapeutischen System gemeint: das Ringen um eine neutrale, kooperative, wertschätzende Haltung des Therapeuten, die von Bemühen um Verstehen und von der Bereitschaft getragen ist, sich von den Geschichten des Paares bewegen zu lassen und selbst Bewegung anzustoßen.
In dem mit „interventiven Wegen“ überschriebenen Kapitel stellt Grossmann die von ihm bevorzugt verwendeten Werkzeuge dar. Neben einem knapp gehaltenen Abschnitt über  systemische Fragetechniken widmet er verschiedenen Möglichkeiten des Kommentierens breiten Raum. Erörtert werden methodische Feinheiten des Umdeutens, reformulierende Übersetzungsarbeit, Techniken externalisierenden Problembeschreibens und internalisierenden Kommentierens. Die Arbeit mit Teilen und der Einsatz von Metaphern, Skulpturen, Symbolen und Schriftstücken werden ebenso skizziert wie die Arbeit mit Zeitlinien und die Kunst, Paaren anregende Empfehlungen auf den Weg zu geben.
Mein Lieblingskapitel in diesem Buch ist mit „Übergänge“ betitelt und beschreibt Möglichkeiten der Erweiterung von Erzähleingängen. Zu jeder der im „Verengungskapitel“ beschriebenen Dichotomien wird anhand eines kurzen Therapietranskripts exemplarisch eine gelingende Möglichkeit der Erweiterung oder Aufweichung beschrieben oder die Einführung eines bisher vernachlässigten Aspekts veranschaulicht. Grossmann versteht es - in Alltagssprache und doch hochelegant - externale, zirkuläre Erzähllogik in eine eingefroren wirkende Geschichte von Kälte und linearer Schuldzuschreibung zu bringen: „Manchmal gelingt es Ihnen beiden, dieser Stimmung der Gereiztheit und der Vorwürfe Widerstand entgegenzusetzen. Helfen Sie mir, dieses Kräfteverhältnis klarer einschätzen zu können...Hat diese Stimmung noch weitere Verbündete?“ (S. 128). Wird narrative Therapie als Vorgang der (Wieder)Einführung marginalisierter Möglichkeiten des Erzählens, Wahrnehmens und Handelns verstanden, so gründet „narrativer Optimismus“ in der Annahme, dass ein Wandel eines Erzählelements Implikationen für alle anderen birgt. „So gehen alternative Lösungsversuche mit einer Aktualisierung alternativer Selbst-Texte einher. Eine Erweiterung der Erzähllogik korrespondiert mit Veränderungen vorweggenommener Erzählausgänge. Das „Neuschreiben“ von Selbst-Texten im therapeutischen Dialog ermöglicht, dass alternative Erzählmotive der Nähe und Gleichheit an Bedeutung gewinnen“ (S.91).
Mein zweiter Favorit ist der Abschnitt „Brüche und ihre Auflösung“, in dem extreme Formen schwierigen Liebens und ihre Thematisierung im therapeutischen System besprochen werden. Wie lassen sich heilsame Dialoge mit Paaren führen, die besonders schmerzhafte, das weitere Beziehungsgeschehen überschattende Erfahrungen von Kränkung, Verletzung und unüberbrückbar wirkenden Brüchen des Liebens zur Sprache bringen oder – noch schlimmer–  kaum in Sprache fassen können?
Grossmann geht in seinem Erzählen über Wendungen und Wandlungen von Liebesgeschichten – wie in allen seinen Texten – sehr eigenständige Wege. Auch in seinem Erzählen gibt es (wie in jedem Diskurs) dominante und marginalisierte Geschichten, bevorzugte wie ausgesparte Zugangsmöglichkeiten. Neben seiner Liebe zu den fließenden Gewässern Mitteleuropas, John Lennon, Leo Tolstoi und den Menschen in seiner Praxis wird für mich viel Zuneigung zu ästhetischem Sprachgebrauch, zu angemessener Langsamkeit und  therapeutischer Bescheidenheit spürbar. Deutlich marginalisiert erscheinen hingegen - wozu  das Thema durchaus einladen könnte - langatmige (erkenntnis)theoretische Darstellungen oder kulturgeschichtliche Betrachtungen der Beziehungsgestaltung im Wandel der Zeiten, aber auch verkürzende, simplifizierende Auffassungen von (Paar)therapie im Stil von „alles ist machbar“. Ich bin Konrad Grossmann für diese Auslassungen sehr dankbar und möchte sein anrührendes Buch allen Menschen, die professionell mit Paaren zusammenarbeiten, wärmstens empfehlen.

(mit freundlicher Genehmigung aus systeme)


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Verlagsinfo:

"Jede Liebe hat ihre Geschichte - und ist darum immer auch eine Liebesgeschichte. Da das Erzählen schöpferisch ist, können Beziehungsschwierigkeiten als Erzählschwierigkeiten verstanden werden. Das Buch schildert, wie solche Erzählschwierigkeiten entstehen und aufrechterhalten werden und erschließt therapeutischen Interventionen zur Entfaltung erzählten und gelebten Liebens. Konrad Grossmann folgt einem narrativen Ansatz und schließt gleichzeitig an systemische und kurzzeittherapeutische Konzepte an. Zahlreiche Dialogausschnitte machen die praktische Arbeit verständlich und nachvollziehbar.
Indem das Buch neue theoretische und praktische Blickwinkel eröffnet, bietet es eine Fülle von Anregungen für die Praxis. Es wendet sich somit vorrangig an PsychotherapeutInnen, AusbildungskandidatInnen und BeraterInnen, die in den unterschiedlichsten Kontexten mit Paaren arbeiten."


Zum Autor:

Konrad Peter Grossmann, Dr. phil., Psychologe und Psychotherapeut am Institut für Familienberatung/Linz, Lehrtherapeut und Lehrbeauftragter für systemische Familientherapie in Linz und Wien. Veröffentlichungen u. a. zu den Themenbereichen Paartherapie, Interventionstheorie, Ethik und narrative Therapie.



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