Asanger
Haja (Johannes Jakob) Molter Köln:
„Seit die Menschen in Gemeinschaft
leben, gibt es Scharlatane und
Betrogene. Wir glauben leicht das,
was wir wünschen. Der Wunsch zu leben
ist eine so natürliche und so starke
Leidenschaft, dass man sich
nicht darüber wundern muss, dass die,
welche im gesunden Zustand
nur wenig oder gar kein Vertrauen
in die Geschicklichkeit eines
Geheimniskrämers setzen, sich doch
bei ernsten und schweren Krankheiten
an diesen falschen Arzt wenden, genau
wie die Ertrinkenden sich an den kleinen
Zweig klammern. Sie bilden sich ein,
bei ihm immer dann Hilfe zu finden, wenn
die tüchtigen Männer nicht unverfroren
genug waren, ihnen zuverlässige Hilfe
zu versprechen.“ (Aus: Die Welt der Encyclopédie.
Ediert von Anette Selg & Rainer Wieland. 2001 Frankfurt
am Main: Eichborn, Stichwort Scharlatan, S. 343f.)
Wenn man sich in systemischen Kreisen mit dem Phänomen Hellinger
befasst, begegnet man einer bemerkenswert unaufgeklärten Betrachtung
des Familienstellens nach Hellinger. Kollegen und Kolleginnen, die
vorgeben, ihre Arbeit in einem systemisch–konstruktivistischen Sinne
zu betreiben, lassen sich gefangen nehmen von Ordnungen und Wahrheiten
– "nur so und nicht anders". Voller unangreifbarer Entschiedenheit
verfolgen sie das Ziel für - und nicht mit den Klienten, „alte
(Familien)Ordnungen“ wieder herzustellen. Das Verhandeln von Optionen (sollte bei Systemikern eine Selbstverständlichkeit sein):
Fehlanzeige. Sie handeln nach einem immer gleichen Drehbuch. Als
Beobachter von außen weiß man sehr schnell, wie der Film ausgeht.
Dazu hat Werner Haas, der seit vielen Jahren als Praktiker im Bereich
der Familienberatung tätig ist, ein lesenswertes Buch geschrieben. Wer
sich dem Lesen der kritischen Darstellung über die „Aufstellung von
Familienkonstellationen zu einem kultisch inszenierten Selbstzweck“
(Haas, S. 9) unterzieht, kann sich einen umfassenden Überblick über das
patriarchale Weltbild Hellingers und seine Art zu arbeiten verschaffen.
Der Autor schreibt informativ, packend und detailgenau. Mir ging es
beim Lesen so, dass mir oft zum Kotzen zumute war. Schwer begreifbar
bleibt für mich die Tatsache, dass systemische Kollegen und Kolleginnen
durch die Veröffentlichung von Hellingers Glaubenslehren einer
„explizit antiwissenschaftlichen, patriarchalen, okkulten Weltsicht“
(Haas, S. 166). eine Öffentlichkeit mit bereitet haben, hinter der die
systemischen Ansätze im Bewusstsein der Hilfesuchenden keinen
Unterschied mehr machten, die einen Unterschied machen.
Die Potsdamer Erklärung der Systemischen Gesellschaft, eine deutliche,
wenn auch späte Distanzierung von Aufstellungen nach Hellinger, kann
hoffentlich dazu beitragen, anstatt der Verbindung zu einem mysteriösen
Größeren, die Hellinger in seinen Aufstellungen als Erklärung
postuliert, systemisches Arbeiten wieder mit beiden Beinen auf die Erde
zu stellen, was u. a. heißt: aus der Vielfalt der möglichen Optionen
kleine realisierbare Veränderungsschritte anzustoßen und respektvoll zu
begleiten.
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