Start
Bücher
Neuvorstellungen
kurz vorgestellt
Klassiker
Vorabdrucke
Zeitschriften
Familiendynamik
Konfliktdynamik
Journ. of Fam.Ther.
Family Process
Kontext
OSC
perspekt. mediation
Psychoth. im Dialog
Psychother.Soz.Wiss.
rpm
Soziale Systeme
systeme
System Familie
systhema
ZSTB
Links
Beiträge
Feldpost
Salon
Interviews
Nachrufe
Glossen
Luhmann-Special
Kongressgeschichten
"Das erste Mal"
Begegnungen
Blinde Flecke
Mauerfall 1989
Von Klienten lernen
Bibliothek
edition ferkel
Berichte
Nachrichten
Kalender
Newsletter
Konzept
Institute
Info
Autoren
Kontakt
Impressum
Druckversion Druckversion
Copyright © 2013
levold system design
Alle Rechte vorbehalten.
systemagazin logo
Veranstaltungsbericht zur Berichtsübersicht
10.04.2007
Tagungsbericht: Supervision in sich verändernden Organisationen - zwischen Anbieterkompetenz und Nutzererwartung
Rudolf Wimmer














Der Wiener Organisationsberater Prof. Dr. Rudolf Wimmer während seines Einführungsvortrages
Am 2. und 3. März 2007 versammelten sich im Berliner Hotel Alexanderplatz, das sich irritierenderweise nicht am Alexanderplatz, sondern allenfalls in seiner „näheren Umgebung“ befindet, ansonsten aber ein für den Zweck dieser Tagung bestens geeignet war, über 200 Supervisorinnen und Supervisoren der unterschiedlichsten Fachverbände zur zweiten Tagung des „Verbändeforum Supervision“. Das Verbändeforum ist ein lockerer Zusammenschluss mehrerer Berufs- und Fachverbände, der zur Förderung des Austausches über Verbandsperspektiven hinweg dienen soll. Mitglieder sind der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)/Deutsche Psychologen Akademie (DPA), der Deutsche Arbeitskreises für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (DAGG), die Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP), die Deutsche Gesellschaft für Supervision (DGSv), die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), die Ev. Konferenz für Familien- und Lebensberatung (EKFuL), die Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG) und die Systemische Gesellschaft (SG).
Das Tagungsformat, an einem Freitagabend mit einem Vortrag und Diskussion zu beginnen und den Abend gesellig ausklingen zu lassen und den folgenden Samstag zur Vertiefung und Differenzierung der Themen zu nutzen, hatte sich schon bei der ersten Veranstaltung dieser Art vom 26.-27.11.2004 in Montabaur bewährt. Ging es damals noch inhaltlich um die „Zukunft der Supervision zwischen Person und Organisation“, atmosphärisch aber vor allem um die Blicke über den Zaun des eigenen Verbandes hinweg, waren dieses Mal etwaige Berührungsängste zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Ansätze nicht mehr zu spüren.
Das Programm dieser Tagung war dem Thema „Supervision in sich verändernden Organisationen - zwischen Anbieterkompetenz und Nutzererwartung“ gewidmet. Als Eröffnungsredner war der renommierte Wiener Organisationsberater Rudolf Wimmer eingeladen, der den Wandel der Organisationen aus einer Perspektive beleuchten sollte, die sich hinreichend von der Praxis der meisten anwesenden SupervisorInnen unterschied, um damit Raum für Diskussionen auch am Folgetag zu schaffen. Mit einer dezidiert systemtheoretisch ausgerichteten Analyse betonte Wimmer, dass der  Wandel der Organisationen nicht nur in Unternehmen zur ganz normalen, dauerhaften Gestaltungsaufgabe des Managements geworden ist, sondern dass zunehmend auch Rationalitätskonzepte und Managementphilosophien der Wirtschaft in Nichtwirtschaftsorganisationen übertragen werden, da diese ebenfalls unter massivem ökonomischen und sozialen Veränderungsdruck stehen. Wimmer stellte heraus, dass es sich dabei nicht um ein vorübergehendes Krisenphänomen, sondern um eine irreversible Entwicklung handele, auf die sich auch die gesamte Beraterzunft einstellen müsse, da mit dieser Entwicklung auch „ein grundlegender Musterwechsel in der Nutzung organisationsbezogener Beratungsdienstleistungen“ einhergehe.
Dieser Musterwechsel beinhalte u.a., dass Auftraggeber zunehmend die Vergabe von Beratungsaufträgen rationalisieren und wie Einkäufe anderer Dienstleistungen und Produkte standardisieren, gleichzeitig die Konkurrenz der Anbieter in aufwendigen Akquisitionsprozessen ausnutzen. Einer solchen Konkurrenz, die immer mit großen Kosten der Selbstdarstellung (ohne Auftragssicherheit) verbunden sei, seien Markteinsteiger bzw. Anbieter ohne Reputation oder „Marke“ kaum gewachsen. Gleichzeitig beschrieb Wimmer eine zunehmende Tendenz des „Insourcings“ von Beratungsleistung in die Organisationen hinein, d.h. zur Übernahme vormals externer Beratungsdienstleistungen durch qualifizierte Subsysteme der Organisation mit dem entsprechend ausgebildeten Personal. Pessimistisch beurteilte Rudolf Wimmer die Bereitschaft von Organisationen, sich auf aufwendigere Beratungsprozesse überhaupt noch einzulassen. Aufgrund der allgemeinen aller Leistungsprozesse finde die erforderliche Eigenzeit von Veränderungen immer weniger Berücksichtigung.
Als mögliche Strategien für Beratung in Bezug auf diese Entwicklungen legte Wimmer ein stärker individualisiertes Eingehen auf die Besonderheiten des Kundensystems nahe, was auch die Verbindung von inhaltlicher Expertenberatung mit der klassischen Prozessberatung zu einem dritten Beratungsmodus einschließe, der mehr als eine bloße Addition sei. Hierfür sei ein Begriff aber eher noch zu kreieren. Dieser neue Typ der Organisationsberatung gewinne „seine professionelle Orientierung aus einer intensiven systemtheoretischen Beschäftigung mit Organisationen, mit ihren inhaltlichen Überlebensfragen, mit den Möglichkeiten und Grenzen ihrer Steuerbarkeit angesichts hoher Eigenkomplexität und unkalkulierbar gewordenen Umwelten“. Grundsätzlich fände aber auch die klassische Prozessberatung nach wie vor in der Konzentration auf ihre Kernkompetenzen Betätigungsmöglichkeiten: dabei  skizzierte Wimmer als Themen vor allem Entwicklung und Handhabung außergewöhnlicher Kommunikationssettings, die Bearbeitung der wachsenden Interkulturalität (z.B. bei interkulturell zusammengesetzten Teams) im Aufbau einer tragfähigen Kooperationsbasis), Konfliktbearbeitung und Mediation, Coaching von Schlüsselpersonen bei Veränderungsprozessen.
Die nachfolgende Diskussion kam zunächst etwas zögerlich in Gang, gewann aber in dem Maße an Fahrt, als auch moralische, z.T. auch moralisierende Kritik geäußert wurde. Einige Teilnehmer kritisierten, dass Rudolf Wimmer zu sehr auf die Organisation und zu wenig auf die Menschen fokussiert habe und forderten, dass sich Supervision und Beratung stärker auch gegen die Organisationen positionieren müsse, wenn Menschen in diesen leiden oder gar aus ihnen herausfallen. Wimmer hielt dagegen daran fest, dass die Organisationen aus systemischer Sicht nicht dazu da seien, den Menschen zu dienen, sondern vielmehr als selbstorganisierte Systeme eigene Zwecke verfolgen, Menschen aber auch einen Raum geben müssen, in denen diese ihre eigenen Möglichkeiten und Potentiale im Sinne der Organisationsziele einsetzen können. In dem Maße, in dem dies nicht geschieht oder beachtet wird, werde auch die Überlebensfähigkeit der Organisation geschwächt. Die Systemtheorie stelle Beschreibungsmöglichkeiten für diese Entwicklungsdynamik zur Verfügung, die man zwar bedauern, aber nicht wirklich ändern könne. Zwar enthebe die Beobachtung dieser Dynamik Berater nicht von der Verantwortung eigener ethischer Positionen, aber daraus ergebe sich noch kein prinzipieller moralischer Auftrag für Beratung und Supervision.
Die Diskussion zeigte auf spannende Weise, wie unterschiedlich die Arbeitsphilosophien und Sprachspiele im Supervisionsdiskurs der im Saal versammelten Kolleginnen und Kollegen waren, die sich natürlich den verschiedensten theoretischen und praktischen Hintergründen verdanken. Insofern war durch den Vortrag ein wichtiges Anregungspotential für Diskussionen geschaffen, das sowohl die Tischgespräche am Abend (bei hervorragendem Essen und einem stets aufmerksamem, unaufdringlichem Service) beflügelte als auch eine gute Grundlage für den folgenden Tag abgab.
Der Samstagmorgen hatte eine enttäuschende Nachricht vom Vortage zu absorbieren, dass der Vortrag von Wolfgang Looss als Tagesauftakt wegen einer kurzfristigen Erkrankung ausfallen musste. Heidi Möller, Psychoanalytikerin und ausgewiesene Supervisionsexpertin von der Universität Innsbruck, die mit der Moderation der Podiumsdiskussion und einem Workshop im Programm vertreten und gerade erst am Vortage von einem längeren Aufenthalt in Neuseeland nach Europa zurückgekehrt war, sprang spontan für Wolfgang Looss ein. Sie meisterte die Aufgabe (sowie ihren Jetlag) mit der gelungenen Improvisation einer Präsentation, die am Vorabend noch schnell aus Innsbruck besorgt werden konnte (dem Internet sei dank), auf eine souveräne Weise, die ihr großen Beifall des Publikums einbrachte. Gleich im Anschluss moderierte sie dann die Diskussion über „Anbieterkompetenz und Nutzererwartung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Organisationskulturen“, die angesichts der Erfahrungen und des rhetorischen Potentials der DiskutantInnen eindeutig zu kurz angesetzt war. Es diskutierten auf der „Nutzerseite“ Joachim Heinlein (Verwaltungschef der Rheinischen Kliniken Düsseldorf) Susanne Kahl-Passoth (Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg) und Lutz Siebert (Leiter PE/ OE Fraport AG), auf der Anbieterseite Renate Rieger (Supervisorin DGSv und Organisationsberaterin) sowie Cornelia Seewald (Geschäftsführerin C.O.S.T. Concept). Für den erkrankten Wolfgang Looss sprang der Geschäftsführer der DGSv, Jörg Fellermann, ein.
Die Diskussion bot inhaltlich mehr als reichlich Stoff für Fragen und Debatten der unterschiedlichsten Art, die dann aber aufgrund des etwas linearen Rahmens, der eben in unterschiedlichen Reihenfolgen Statements versammelte, nicht wirklich diskutiert wurden. Das war insofern bedauerlich, weil alle Beteiligten substanzielle Aussagen zum Thema machen konnten, dies aber jeweils sofort auf Kosten der Rednerzeit der anderen Diskutanten ging. Eine Beteiligung des Publikums kam dann zur Enttäuschung vieler gar nicht mehr in Frage.
Der Nachmittag teilte sich in zwei Workshop-Staffeln zu je 90 Minuten auf, in denen sich jeweils verschiedene Themen unter die Überschriften Nutzererwartung und Anbieterkompetenz gliederten. Themen waren unter anderem: „Beratungsanlässe in der Strategieentwicklung“, „veränderte Anforderungen an Führungskräfte“, „Personalentwicklung mit älteren ArbeitnehmerInnen“, „Empathie im Diagnoseprozess: Einstellung auf das Kundensystem“, „Personenzentrierter Ansatz im Change-Management“, „Auftrag: Fusionieren!“, „Gesundheitsförderung als Organisationsaufgabe“ und „Multikulturelle Kooperation“. Dies ermöglichte den TeilnehmerInnen noch einmal in verdichteter Form, Aspekte des Tagungsthemas für sich zu vertiefen.
Zum Abschluss gab es an beiden Tagen ein Playback-Theater der Theatergruppe PurPur aus Kassel, sechs Künstlern, die aus Stimmungseindrücken aus dem Publikum auf der Bühne bewegte audiovisuelle Skulpturen formten und die Teilnehmer überraschten, erheiterten und entspannt in den Abend bzw. die Heimfahrt entließen.
In der Auswertung gaben 90 % der antwortenden Personen an, dass sie eine Tagung dieser Art wieder besuchen würden. Das darf man wohl als Hinweis verstehen, dass Anspruch und Durchführung der Tagung im großen und ganzen gut gelungen sind.



Suche
Heute ist der
Aktuelle Nachrichten
15.06.2014
Die Systemische Gesellschaft sucht zum 1. Januar 2015 neue Geschäftsführung
10.04.2014
W 3 Endowed Professorship for Systemic Family Therapy in Freiburg
08.04.2014
Gesundheitsausgaben 2012 übersteigen 300 Milliarden Euro
28.01.2014
Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt
17.12.2013
Diagnose Alkoholmissbrauch: 2012 wieder mehr Kinder und Jugendliche stationär behandelt

Besuche seit dem 27.1.2005:

Counter