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Veranstaltungsbericht zur Berichtsübersicht
16.04.2005
Bericht über einen Vortrag von Michael Meuser über "Die widersprüchliche Modernisierung von Männlichkeit - Kontinuität und Veränderung im Geschlechterverhältnis"

Monika Schimpf, Berlin
:


Unter dem Titel „Die widersprüchliche Modernisierung von Männlichkeit-Kontinuität und Veränderung im Geschlechterverhältnis“ hielt der Soziologe und Männerforscher Michael Meuser am Institut für Systemische Therapie  IST  in Berlin am 20. Jan. 2005 einen engagierten und beeindruckenden Vortrag, den ich hier kurz in den Hauptideen zusammenfassen möchte.
Michael Meuser, Privatdozent für Soziologie, arbeitet als wiss. Mitarbeiter an der Universität Essen-Duisburg und hat eine Gastprofessur an der Universität Wien. Einige seiner Ideen möchte ich hier, durch meine subjektive Brille aufgenommen, kundtun – in der Hoffnung, dass die Männerforschung immer stärker zum Thema von Fort- und Weiterbildungen der verschiedenen Richtungen wird:
Die Männerforschung hat sich in Deutschland erst etwa Mitte der 90er Jahre stärker ihren wissenschaftlichen Platz erobert. Die Männer als wissenschaftlicher Forschungsgegenstand sind erst durch die Infragestellung ihrer privilegierten Positionen entdeckt worden. Michael Meuser bezieht sich auch auf den Soziologen Georg Simmel, der schon vor 100 Jahren zu diesen Themen geschrieben hat, und nach dessen Thesen die Herrschaft der Männer auch auf der Prämisse beruht, dass der Mann als Vertreter der übergeschlechtlichen Norm gilt, während die Frau in ihrem Handeln als nur durch das Geschlecht bestimmt gesehen wird, weshalb sie nicht das „Allgemeine“, sondern das „Besondere“ vertritt. So wird dem Mann vor diesem Hintergrund im allgemeinen die Vernunft und der Frau das Emotionale zugeschrieben. Georg Simmels Ideen würden erst jetzt in ihrer Fortschrittlichkeit in der Fachwelt anerkannt, offenbar sei er seiner Zeit zu sehr voraus gewesen. Doch auch Rousseau, der bekannte Philosoph der Aufklärung, ging noch vom Mann als die Gleichbedeutung mit Mensch aus. Durch die Männerforschung bekommen auch die Männer ein Geschlecht, werden – wie bisher nur die Frauen – zu geschlechtlichen Wesen. Doch „die Männlichkeit“ verändert sich, es kommt zu Gegenläufigkeiten und Widersprüchlichkeiten. Meuser geht aufgrund seiner Studien davon aus, dass die sozialen Veränderungen eher von den nachwachsenden Generationen ausgehen und hat sich besonders mit den Vorstellungen der heute 20 – 30 Jahre alten Männer auseinandergesetzt. Die Väter und Großväter dieser Männer haben noch ganz andere Erfahrungen mit den Bildern über Frauen und Männer gemacht. Die jetzt 20-30jährigen sind schon zur Zeit der 2. Frauenbewegung aufgewachsen, halten die Berufstätigkeit ihrer Mütter für viel  selbstverständlicher,  als ihre Väter und erleben, dass ihre Schwestern und Freundinnen im gesellschaftlichen Maßstab größere Bildungserfolge als sie selbst aufweisen. Die Eindeutigkeiten und Polaritäten der Geschlechterordnung werden jetzt in Richtung zunehmender Gleichheit transformiert: es gibt Bus-Fahrerinnen und Polizistinnen, die Berufsbereiche von Frauen- und Männerberufen sind keine polaren Gegensätze mehr. Es hat sich die Kultur der Körperpflege verändert, Männer nutzen Kosmetika – die lange Zeit nur den Frauen vorbehalten waren – selbstverständlicher als ihre Väter das taten usw. Männliche Herrschaftsansprüche müssen immer stärker verteidigt und begründet werden, weil sie nicht mehr als selbstverständlich gelten.
Obwohl die Partnerschaftsbeziehungen und – normen sich am Ideal der Gleichheit ausrichten sollen, findet sich in der alltäglichen Lebenspraxis immer noch die traditionelle Arbeitsteilung. Die Rhetorik  der Gleichheit und die Verhaltensstarre können nach Meuser als Phänomene einer widersprüchlichen Modernisierung bezeichnet werden.
Er bezieht sich auf verschiedene Untersuchungen, u.a. eine Arbeit von Zulehner und Volz aus dem Jahre 1998, die sich u.a. mit den  20-30jährigen Männern beschäftigt. Danach würden 18 – 19  %  eher traditionellen  Rollen, 25 %  eher einem pragmatischen,  37 %  einem unsicheren Rollenverhältnis und etwa  20 %  einem neuen Männerbild zuzuordnen sein.
Diese letzte Gruppe vertritt danach eher egalitäre Werte, eine Abkehr von traditionellen Orientierungen und sieht stärker die Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern. Dennoch würden die Einstellungen und die alltägliche Praxis auseinander klaffen.
Meuser erwähnt darüber hinaus den australischen Männerforscher Bob Connell, der die hegemoniale Männlichkeit gegenüber Frauen und gegenüber anderen Männern sowie das Einüben in Machtspiele bei Männern im Rahmen ihrer Sozialisation erforscht. Er analysiert am Beispiel des früheren Duells die Geschlechternorm der Verteidigung der männlichen Ehre, deren Bedeutung eher im Standhalten gegenüber den allgemeinen geschlechtsspezifischen Anforderungen als im Sieg über den individuellen Gegner lag.  Soziale Räume männlicher Sozialisierung zeichnen sich durch das Merkmal der Homosozialität aus. In ihnen würden Männer mit abweichenden Tendenzen quasi „eingefangen“, um die Hegemonialität des Mannes gegenüber der Frau zu stärken und zu erreichen, dass der Mann in der Beziehung zur Frau dominiert. Hier wird dem Mann vermittelt, Machtspiele zu lieben. So stehen junge Männer heute im Konflikt, sich einerseits in ihrer heterosexuellen Partnerschaft unter  der Prämisse von Gleichheit auseinandersetzen, andererseits aber auch in ihrer Männer-Gruppe bestehen zu wollen. So reden junge Männer im Einzelgespräch offensichtlich anders als in ihrer gleichgeschlechtlichen Peergroup. In Einzelinterviews bewerten diese jungen Männer ihre private Partnerschaft höher, als sie dies in Gruppeninterviews tun. Sie scheinen eine Krise der Männlichkeit zu erfahren und müssen zunehmend mit Ambivalenzen umgehen. Anteil von Frauen in Führungspositionen (so beträgt der Frauenanteil in den USA auf der Ebene des mittleren Managements 44 % , der nächsthöheren nur 5 %, während in den Top-Positionen der Anteil geringer als 1 %  ist ) scheint darauf hinzudeuten, dass eine analoge homosoziale Orientierung, die sowohl Konkurrenzstreben als auch Identifikation mit geschlechtsspezifischen Überlegenheitsansprüchen verbindet, fehlen könnte.





Eine Kurzvita von Michael Meuser und eine Publikationsliste mit dem Stand von 2000 finden Sie hier.

Einen Artikel von Meuser mit dem Titel "Männerwelten. Zur kollektiven Konstruktion hegemonialer Männlichkeit" ist als PDF hier zu lesen.

Eine Rezension des Buches von Cornelia Behnke & Michael Meuser (1999) "Geschlechterforschung und qualitative Methoden" von Nicola Döring für das Forum qualitative Sozialforschung

Eine Information zur Verleihung des Helge-Pross-Preises 2004 an Michael Meuser



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