Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Veranstaltungsbericht |
zur Berichtsübersicht |
02.01.2005
"Die Zukunft der Supervision zwischen Person und Organisation. Neue Herausforderungen - Neue Ideen" - Tagung des Verbändeforums Supervision in Schloss Montabaur vom 26. - 27.11.2004
|
|
|
Schloss Montabaur. Quelle: www.wikipedia.de (Wikimedia Foundation Inc.) |
|
Im Januar 2003 trafen sich auf Einladung der Deutschen
Gesellschaft für Supervision (DGSv) in Köln verschiedene Fachverbände
für Supervision zu einem ersten - und durchaus kontroversen -
Meinungsaustausch über die Lage der Supervision und die Interessen der
jeweiligen Verbände.
Ein erstes Ergebnis dieses Treffens war die Gründung eines informellen
„Verbändeforums Supervision“, das diese Tagung ausrichtete. Mitglieder
dieses Forums sind der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und
Psychologen (BDP)/Deutsche Psychologen Akademie (DPA), der Deutsche
Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (DAGG), die
Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP), die Deutsche
Gesellschaft für Supervision (DGSv), die Deutsche Gesellschaft für
Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), die Ev. Konferenz
für Familien- und Lebensberatung (EKFuL), die Gesellschaft für
wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG) und die Systemische
Gesellschaft (SG).
Die Initiative für diese Tagung lag zunächst bei DGSv und BDP/DPA, bei
denen auch die organisatorische Durchführung und wirtschaftliche
Abwicklung verblieb, während die inhaltliche Konzeption und die
Zusammenstellung des Programms von den Vertretern des Verbändeforums
gemeinschaftlich geleistet wurde.
Das Ergebnis zeigte, dass es der Vorbereitungsgruppe - Jörg Fellermann
(DGSv), Hella Gephart (DAGG), Wolfgang Kinzinger (EKFuL), Helmut
Kreller (DGfP), Tom Levold (SG), Anni Michelmann (DGSF), Gerd Schweers
(GwG) und F.-W. Wilker (BDP/DPA) - gelang, die teilweise recht
unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Verbände und Personen
ganz gut unter ein Dach zu bringen.
Leitvorstellung war dabei, nicht die berufspolitischen (Streit-)Fragen
in den Mittelpunkt zu rücken, sondern die unterschiedlichen
inhaltlichen Akzente der Supervisionskonzepte zu präsentieren, und in
der Tat ist daraus eine bunte Mischung geworden.
Das Ambiente war ausgesprochen angenehm, Schloss Montabaur ist ein
kleiner, aber feiner Veranstaltungsort (für max. 200 Teilnehmer, was
dazu führte, dass viele Interes–senten sich nicht mehr anmelden
konnten!), der mittlerweile im Eigentum der Akademie der Deutschen
Genossenschaften ist und deren zentrale Weiterbildungsstätte geführt
wird.
Am Freitagabend, dem 26.11.04, wurde die Tagung mit einem Vortrag von
Stefan Kühl zur Professionalisierung der Supervision mit anschließender
Diskussion eröffnet. Kühl ist Soziologe: Studium in Bielefeld u.a. bei
Niklas Luhmann, verschiedene Auslandsaufenthalte, Assistenz bei Ulrich
Beck in München und nun Professor an der Bundeswehr-Hochschule in
Hamburg. Dieser Programmpunkt erwies sich als voller Erfolg. Kühls
Vortrag, frei gehalten, war die spritzige, intellektuell anregende wie
unterhaltende Eröffnung, die eine solche Tagung braucht, um in Fahrt zu
kommen. Das zeigte auch die lange Diskussion im Anschluss, die
schließlich nur durch den aufkommenden Appetit auf das Buffet ein Ende
fand.
Kühl stellte zunächst den überraschenden Erfolg der Supervision (als
"Parasit der Sozialarbeit") dar, der seiner Meinung nach nicht zuletzt
darin besteht, dass sich die Supervision von der eigenen
Herkunftsdisziplin hat unabhängig machen können und dass es ihr
gelungen sei, ein eigenes Interventionsfeld zu spezifizieren, ohne
anderen Disziplinen damit auf die Füße zu treten. Freilich machte er
zugleich die Schwäche der SV deutlich, die darin liege, dass es ihr
nicht gelinge, die Coaching-Szene erfolgreich einzubinden, gerade weil
sie den Stallgeruch der Sozialarbeit nicht richtig loswerde und sie
nunmehr Gefahr laufe, auf dem Markt einer Coaching-Dominanz zu
unterliegen, die sich bislang noch an keinen wirklichen
Professionalisierungsbedingungen orientieren müsse.
Im dritten Teil beschrieb er einige interessante
Professionalisierungsdilemmata der Supervision, die gerade darin zu
finden seien, dass die SV verführbar sei, ihr angestammtes Territorium
zu verlassen und im Bereich der Organisationsberatung (als "Supernanny
der Organisation") zu wildern, was ihr einerseits die Offenheit für
neue Entwicklungen erhalte, andererseits aber die Gefahr mit sich
brächte, dass damit das allen Professionen eigene Gefühl für die
eigenen Grenzen verloren ginge. Umgekehrt könnte die
Selbstbeschränkungen auf das selbstdefinierte professionelle Feld dazu
führen, dass man sich von neueren Entwicklungen abschottet. Die SV
müsste selbst entscheiden, welchen Professionalisierungsgrad sie
anstrebe, und welchen Preis sie dafür zu entrichten bereit wäre.
Kein Wunder, dass sich an diesen Vortrag eine äußerst lebhafte und sehr
spannende Diskussion in einem äußerst heterogen zusammengesetzten
Plenum gab. Anne Dudler hatte in ihrer Eingangsmoderation zu Anfang
gebeten, dass sich die Mitglieder aller teilnehmenden Verbände einmal
durch Aufstehen outen, und ich war überrascht, wieviele Teilnehmer
entweder der DGSF oder der SG (oder beiden) bei sonst deutlicher
Dominanz der DGSv angehörten. Aber auch alle anderen Verbände waren
erkennbar gut vertreten. Insgesamt schien mir das eine repräsentative
Mischung zu sein.
Nach einem angenehmen Abend gab es am nächsten Morgen zwei
Plenarvorträge, bevor zwei Workshop-Staffeln den Nachmittag bestritten.
Sabine Scheffler, FH-Professorin aus Köln, hielt einen leider missglückten Vortrag über "Frauenwelten - Männerwelten in
der Supervision" - aggressiv und klagend im Ton, argumentativ schwach
(reihenweise apodiktische Behauptungen ohne eine einzige Herleitung -
Zitate erspare ich mir an dieser Stelle, da man das noch im
Zusammenhang wird nachlesen können) und von der Präsentation her im
schlechtesten Sinne akademisch (Ganzseitentexte als OHP-Folien usw.).
Zudem fehlte im gesamten Vortrag jeder Zusammenhang mit dem
Supervisionsthema, der erst in der Diskussion im Nachhinein ansatzweise
deutlich wurde. Insgesamt eine verschenkte Chance der
Auseinandersetzung mit dem Gender-Thema.
Der zweite Vortrag von Michael Klessmann, Professor an der
evangelischen Hochschule in Wuppertal, versuchte die Notwendigkeit zu
verdeutlichen, in Supervisionen jenseits der Herbeiführung
auftragsbezogener Handlungskompromisse Raum (und vor allem auch:
Zeit) für die Reflexion von Sinn-Annahmen zu schaffen, die sowohl dem
Organisationshandeln als auch dem Handeln der einzelnen Supervisanden
zugrunde liegen. Er schlug vor, das altbekannte Schema von Wolfgang
Weigand, der Supervision in einem Spannungsfeld zwischen Person, Beruf,
Klient und Organisation verortete, um die Sinndimension zu erweitern,
die allerdings nicht als 5. Bezugspunkt, sondern als umfassende
Metaperspektive zu sehen sei. Dies fand in der Diskussion die spontane
Zustimmung von Weigand selbst, aber wiederum nicht die vom ebenfalls
anwesenden Kurt Buchinger, der die Auffassung dagegensetzte, dass die
Sinndimension implizit ohnehin schon in allen Supervisionsprozessen
angelegt sei.
Alle Vorträge haben nachhaltig das Diskussionsklima der Tagung geprägt
- überhaupt wurde angesichts der kurzen und vollgepackten Zeit sehr
konzentriert gearbeitet und intensiv diskutiert.
Am Nachmittag fanden zwei Workshopstaffeln statt, von denen ich leider
nicht berichten kann, die Zusammenfassungen finden sich im
ausführlichen Programm.
Die Tagung wurde von einem launigen Reflexionsdialog zwischen Wolfgang
Weigand und Kurt Buchinger abgeschlossen, die es nach den Workshops
noch einmal allen Teilnehmern ermöglichte, im Plenum zusammenzukommen
und mit einem - so empfand ich es - sehr zufriedenen Gefühl nachhause
zu fahren.
Fazit: Das geplante Konzept ist voll aufgegangen. Der Verzicht auf
berufspolitische Themen hat ermöglicht, dass man sich gegenseitig in
der Vielfalt unterschiedlicher Ansätze auch persönlich begegnen konnte,
ohne sich sogleich wieder abgrenzen zu müssen. Als vorherrschende
emotionale Qualität habe ich Neugier und Wohlwollen wahrgenommen.
Insofern war es die richtige Veranstaltung zur richtigen Zeit - und
alle an der Veranstaltung Beteiligten sind mit den individuellen
Interessen ihrer Verbände ostentativ hinter die gemeinsame Sache
zurückgetreten. Eine Haltung, für die es auch zum Abschluss viel
Beifall gab. Wenn das Ganze als berufspolitisches Forum veranstaltet
worden wäre, hätte es sicher einen anderen Verlauf nehmen können, aber
das war auch Allen klar.
Der Stand der Dinge ist nun: Es gibt verschiedene Verbände mit je
eigenen Standards für Supervision, die ein eigenes inhaltliches Profil
zu bieten haben, diese Tatsache auch respektieren und die willens und
imstande sind, gemeinsame Projekte durchzuführen. Dahinter geht es
nicht mehr so leicht zurück.
Die Veranstalter haben beschlossen, die Dokumentation nicht einer
Fachzeitschrift zu überlassen, sondern selbst im Eigenverlag (bei
Kostenteilung) eine Broschüre zu erstellen, in der ein
Tagungsbericht sowie alle Plenarvorträge veröffentlicht werden. Diese
Broschüre wird an alle Teilnehmer der Tagung versandt, die Restauflage
wird an die beteiligten Verbände zur Nutzung für eigene Zwecke
verteilt. Auch dies ein Ausdruck der partnerschaftlichen
Organisation und der Gleichwertigkeit der Verbände.
Tom Levold |
|
|