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Veranstaltungsbericht zur Berichtsübersicht
01.07.2005
Tagungsbericht zur Tagung des Wenger Mühle Centrums "Kreatives Handeln in Feldern systemischer Beratung und Therapie" in Rot an der Rot 2.-5.6.2005
Elisabeth Liebhardt:

Eigentlich sollten es für mich und meinen Partner ein paar gemeinsame Tage werden. Fern ab vom alltäglichen Stress. Zusammen neue Anregungen und Ideen erhalten, abends in der Kellerschenke vergnügt den Tag ausklingen lassen und angefüllt mit neuen Impulsen und Gesprächen mit lieben Menschen, nach vier Tagen wieder fit für den Alltag sein. So waren meine Vorstellungen, bis wir in Rot an der Rot ankamen.
Dann aber kam es etwas anders als geplant. Wir hatten noch nicht einmal unsere Koffer richtig ausgepackt, da wurde mein Liebster von extremem Schwindel erfasst und konnte nichts mehr tun, als nur noch im Bett zu liegen. Allein, aber keineswegs einsam, ging ich zum Mittagessen (Wie anders könnte eine Veranstaltung ausgerichtet unter Gisals Leitung beginnen?).
Danach folgte ich der Eröffnungsveranstaltung bei der Gisal Wnuk-Gette und Werner Wnuk in ihrer gewohnten Gesprächsaufteilung (Gisal - Geschichten, Werner - geschichtliche Fakten) es auf Anhieb schafften, eine ganz persönliche Atmosphäre zu schaffen.
Vorgestellt von Michaela Herchenhan traten dann nacheinander Große der systemischen Landschaft Deutschlands im kleinen Rot an der Rot auf die Bühne. Angeführt von Dr. Kurt Ludewig, Münster,  der das von ihm mit entwickelte Familienbrett vorstellte. Ihm folgte Dr. Carmen Beilfuß, Magdeburg,  die mit ihrem anschaulichen Vortrag über das Leben von Paaren nach der 1001 Nacht so gut referierte, dass die leisen Seufzer und "Ahh’s"  und "Ohh’s" aus den Reihen um mich keiner weiteren Kommentierung bedürfen.
Kein logistisches Problem stellten die Kekse in der Pause dar. Sie waren zwar nicht in der berühmten Dose (wie in Wengen), aber doch in jeder Pause dabei und in zwanglos um die Bistrotische verteilten Gruppen, unterstützten sie die Entstehung von Gesprächen und neuen Kontakten. Ganz anders als bei den medizinischen Kongressen und Tagungen, die ich bisher kennen gelernt hatte, waren hier die Menschen der verschiedenen Berufe bunt gemischt. Es gab nicht diesen unterschwellig dominierenden Konkurrenzkampf zwischen den Professionen und einzelnen Menschen. Im Gegenteil, es hatte keine Auswirkungen auf die Wahl der Gesprächspartner, wer welche Abschlüsse und Doktortitel vorzuweisen hat. Ich war nicht wenig überrascht, mich in den ganzen vier Tagen nicht einmal allein gefühlt zu haben und das obwohl ich mich noch immer als Neuling auf dem systemischen Boden fühle und nur wenige Menschen auf der Veranstaltung kannte. Welch ein Geschenk!
Ist es denen, die dabei waren, so bewusst wie mir? Was macht es aus? Hat es mit Wengen zu tun? Sind es die beinahe unendlichen Arbeitsgebiete, in die die systemische Idee noch Einzug halten kann und die so im Moment jede Konkurrenz lächerlich machen würden? Ist es die gemeinsame Arbeit in einem offiziell nicht anerkannten Bereich, an dessen Wirksamkeit wir alle jedoch zu hunderten und tausenden Male teilnehmen durften. Eine Gemeinschaft von Verschwörern, eine Untergrundorganisation an der Oberfläche, die das Leben an allen Ecken und Enden infiltriert? Wir alle mitten drin als Teil einer großen Gemeinschaft zu Gunsten von mehr Wertschätzung und Achtung und für mehr Menschlichkeit in den
unterschiedlichsten Systemen unseres Lebens.
Ich habe es genossen! Habt ihr es auch gespürt?
Diese Stimmung der Neugier und Offenheit hat nicht nur die Pausen, sondern auch die Workshops beherrscht, an denen ich teilgenommen habe. Lernen mit und von einander. Persönlichkeiten ganz persönlich. Dr. Satuila Stierlin, Heidelberg, mit dem Thema :"Lerne wie man stirbt und du lernst wie man lebt",  Dr. Wilhelm Rotthaus, Viersen, mit "Familiengewalt, die von Kindern ausgeht",  Dr. Carmen Beilfuß  mit "Therapeutischen Interventionen bei Kindern" und Dr. Kurt Ludewig noch einmal mit einer Vertiefung zum Thema "Familienbrett".
Dieser Tag endete für die Referenten in der Wenger Mühle, für einige andere im Klosterkeller, wieder andere sind nach Hause gefahren, so wie ich.
Der Freitag begann mit Dr. Gunthard Weber, Wiesloch, und  seinen zuerst theoretischen  Ausführungen über Aufstellungen mit Paaren. Ihm lauschten ca. 70 Teilnehmer in spürbarer Achtung. Mit derselben achtsamen Aufmerksamkeit ließ er uns an zwei realen Aufstellungen teilnehmen und hat es in ruhiger Atmosphäre immer wieder geschafft, die Prozesse trotz Wechsel auf die Metaebene, harmonisch und zur Zufriedenheit der fragenden Personen und Zuhörer zum guten Ende zu bringen.
Der Nachmittag stand an diesem Tag ganz im Zeichen des WMC. Alle Referenten und Themen standen in Verbindung zum Wenger Mühle Centrum und den dort mit entwickelten innovativen Ideen und Projekten.
Gerlinde Fischer leitete einen Workshop zum Thema "systemische Familienschulen". Michaela Herchenhan stellte den "Cleartalk -  Neues aus der Systemischen Arbeit im Jugendamt" vor. Sabine Suhr berichtere über das Projekt "Gerichtsnahe Beratung" und Frieder Vüllers schenkte uns Hintergrundwissen zum "Systemischen Arbeiten in der Schule". An dieser Stelle sei erwähnt, dass Petra Rechenberg-Winter ihren Workshop über "Rituale" leider nicht halten konnte, da sie sich am Tag zuvor den Arm gebrochen hatte. Er hatte die meisten Anmeldungen und wäre sicher ebenfalls sehr wertvoll gewesen. Vielleicht beim nächsten Mal?!
Als letzten Vortrag hörten wir an diesem Tag Interessantes über "Liebe und Ökonomie" von Tom Levold, Köln. Seine soziologische Sicht des Themas erweiterte meinen und vermutlich auch einige andere Blickwinkel auf das Thema Liebe und die unterschiedlichen Erwartungen verschiedener Epochen an die Zumutbarkeit derselben.
Nach dem Abendessen stand dann noch die Mitgliederversammlung des WMC auf dem Plan bei dem, unter Anderem, das 100 Mitglied geehrt werden konnte und insgesamt das 103. Mitglied bis zum Abend geworben werden konnten.
Mit Kapriolen im Klosterkeller mit Annette Sändker-Rousselle und Michael Walz und spontanen Musikeinlagen von Dr. Jochen Schweitzer und Matthias Ohler, beide Heidelberg, wurde es für manche Tagungsbesucher eine recht kurze und kurzweilige Nacht.
Am Samstag kam ich verspätet in Rot a.d. Rot an, nachdem ich meinen Mann versorgt hatte und verpasste somit das Orgelkonzert in der Klosterkirche, gespielt vom Organisten Franz Framl, was laut Hörensagen sehr eindrucksvoll war.
Professor Dr. Jochen Schweitzer, Heidelberg  entführte uns danach in das SYMPA-Projekt, das meines Erachtens mit großem Gewinn für Patienten und Pflegende sowie Ärze aller Fachgebiete in entsprechenden Abwandlungen an allen Kliniken umgesetzt werden könnte. Ein weites Feld für die Zukunft.
Im Anschluss sollte eine Podiumsdiskussion zum Thema "Systemisches Arbeiten im Kontext der Jugendhilfe" stattfinden. Bis die einzelnen Podiumsteilnehmerinnen jedoch ihre Bereiche in knappen Worten erklärt hatten, war die Zeit auch leider schon um. Zu einer Diskussion kam es nicht mehr, obwohl von vielen Seiten gerne mehr erfahren worden wäre.
Vor dem Mittagessen bekamen wir mit Matthias Ohler, Heidelberg noch einen Schnellkurs in japanischer Dichtkunst, bei der unsere angefüllten Köpfe in einer schöpferische Pause unzählige Haikus zu Papier brachten.
Die Workshops des Nachmittages wurden bestritten von Tom Levold mit "Methaphern in der Systemischen Therapie",  Prof. Dr. Jochen Schweizer mit dem Thema "Systemische Therapie im institutionellen Alltag in Kombination von OE, Weiterbildung und Handlungsforschung" und Dr. Eva Strasser zeigte uns am Beispiel der "Zukunfswerkstatt Saturn" einen kleinen Einblick in Organisationsentwicklung.
Für nur drei Tage ein weites Spektrum an Themen und doch nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was systemisches Denken und Handeln bewegen können. Mir hat es Spaß gemacht. Und ich habe viele Anregungen mit genommen, die ich nach und nach umsetzen werde. Am meisten jedoch wird mir das "Familiengefühl" hängen bleiben, das ich die ganzen Tage über hatte und das noch einmal bei dem abschließenden Fest in der Wenger Mühle am Samstag Abend zum Ausdruck kam.
Hier wurden wir in bekannter Manier von Gisal und Werner fürstlich bewirtet. Die Tenne war erfüllt von Musik, Martin Modi-Keckeisen, ein WMCler, und seine Band spielten, was das Zeug hielt, und viele Teilnehmer konnten ihre Köpfe wieder frei tanzen. Gespräche wurden vertieft und die Erleichterung bei den Organisatoren, es fast geschafft zu haben war ebenfalls zu spüren.
Mit dem Shuttlebus fuhren die restlichen Teilnehmer zurück ins Kloster, um am nächsten Morgen beim gemeinsamen Jazz- Brunch (Musik: Andreas Piesch, WMCler mit Band) das Ende der Tagung noch einmal Revue passieren zu lassen.
Zusammenfassend lässt sich aus meiner Sicht nur sagen: eine gelungene Veranstaltung! Ein dickes Lob und ein herzliches Dankeschön für all die besonderen Bemühungen, mit denen frau auf einer Tagung nicht unbedingt rechnet. Auch an euch alle, die ihr da wart und die ihr jede/r Einzelne mit verantwortlich wart für diese besondere Stimmung. Ich hoffe wir sehen uns wieder in Rot an der Rot, wenn voraussichtlich im Jahre 2008 (Jubiläum 30 Jahre WMC) die nächste Tagung stattfinden wird.



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