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08.05.2008
Hartmut Epple: Hinter den Spiegeln… Jubiläumstagung des BIF und der SG vom 18. - 19.4.2008
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Hartmut Epple, Berlin:
Viel versprechend war bereits die Einladung: Es sollten Utensilien mitgebracht werden, die nicht zur Standardausrüstung einer Fachtagung gehören: Sonnenbrille, schwarz-weiße Kleidung und einen Spiegel(rest). Angekündigt wurde gar eine Spiegelaffäre! Außerdem ein Tagungs“format“, das „Gespräche über Gespräche“ ermöglichen sollte. Schade nur, dass ich als Person nicht gleichzeitig überall sein konnte, denn die Auswahl der Workshops fiel mir nicht leicht. Aber beginnen wir von vorne: In einem für die Teilnehmerinnen angenehmen Tagungsrahmen in der katholischen Akademie in Berlin (v.a. das Foyer habe ich als äußerst kommunikativen Ort für die Gespräche über die Gespräche über Gespräche (oder andere) erlebt) startete die Tagung mit einem Vortrag von Harlene Anderson. Ihr gelang es, unprätentiös und klar strukturiert ihre Grundannahmen der therapeutischen Arbeit darzulegen. Alles klang so einfach aber niemals platt, eine konsequente Klienten- (oder besser Menschen)orientierung, aus der viel Erfahrung, Klugheit und Liebe sprach. Nach dieser Einstimmung erlebte ich die einzige echte Enttäuschung dieser Tagung. Entpuppte sich doch die von K. Deissler und T. Friedrich-Hett angekündigte Ideenplattform als ein Powerpointvortrag über das Reflecting Team von T. Andersen mit einer „angehängten“ Demonstration einer Weiterentwicklung, deren mögliches Potenzial sich nach dem Vortrag leider nicht mehr entwickelte. Alle Workshops, die ich besucht habe, erlebte ich in unterschiedlicher Weise anregend: In die Diskussion von Jochen Schweitzer, Arist von Schlippe, Wolfgang Loth und Tom Levold um die Systemische Therapie als „Krankenbehandlung“ konnte ich anhand der Darlegung der Entstehungsgeschichte des „Lehrbuches der systemischen Therapie und Beratung II“ gut gedanklich einsteigen. Ich hoffe sehr, dass die Frage der Anpassung an bzw. „Unterwanderung“ des herrschenden Gesundheitssystems in allen relevanten Facetten engagiert und - vom vorgetragenen Geist kollegialer Streitfreude getragen - weitergeführt wird. Hier ist m.E. eine der zentralen Auseinandersetzungen der systemischen „Bewegung(?)“ angestoßen, deren lebhafte Weiterführung ich mir wünsche. Im Übrigen: Wie die Anerkennung der systemischen Therapie sich auf die Sprachspiele auswirkt und umgekehrt, kann im Kleinen bereits im KJHG-Rahmen in Berlin studiert werden. Im Workshop „Systemische Psychiatrie in der BRD – Traum oder Wirklichkeit?“ wurden aus verschiedenen Blickwinkeln der aktuelle Stand systemischer Psychiatrie (eher inselartig vorhanden), aber auch Perspektiven systemischer Arbeit in diesem Feld der Gesundheitsversorgung diskutiert. Für mich neu und spannend waren dabei die Informationen über mögliche Veränderungen der Finanzierung von Gesundheitsleistungen im Rahmen regionaler Budgets. Da hätte ich Ellis Huber gerne noch etwas ausführlicher gelauscht. Außerdem toll: Vor den Toren der Stadt Berlin im Landkreis Nauen gibt es erste fundierte Erfahrungen mit Modellen bedürfnisorientierter Psychiatrie, die in Finnland seit 25 Jahren praktiziert werden, nun auch in der Region! Max van Trommel, den ich bei dieser Tagung zum ersten Mal erlebte, beeindruckte mich in seinem Workshop über Therapie in Gewaltbeziehungen durch die klare Linie seiner Vorgehensweise und die freundliche Hartnäckigkeit, mit der er zunächst verhandelt, wie die Gewalt in Paarbeziehungen aufhören kann, bevor er mit „der Therapie“, also den Gesprächen über die Zusammenhänge beginnt. In einem lebensechten Rollenspiel konnten wir dieses Vorgehen live erleben. Gehört habe ich noch von Freude an Michael Grabbes und Jim Wilsons Workshop über die Kooperation mit Kindern und Jugendlichen in der Familientherapie. Auch die Gespräche über verschiedenen Formen der Kundenorientierung im Rahmen der Jugendhilfe mit dem SIT-Ansatz von Michael Biene, den Family-Group-Conferences (Andreas Hampe-Grosser) und den (u.a.) in Aufsuchender Familientherapie erfahrenen KollegInnen Josie Wieland und Bernd Räde vom FIT-Team des BIF waren nach Teilnehmerberichten sehr anregend. Besonders hervorheben möchte ich noch den Workshop, den Dörte Foertsch, Klaus Lübke, Max van Trommel in Zusammenarbeit mit einer Familie durchgeführt haben, die bei Klaus und Dörte in Therapie war. Diese Arbeit im Live-Kontext kennzeichnet ja auch die Weiterbildung zur systemischen Therapeutin am BIF und ist m.W. (mit Ausnahme noch des STIF) im Umfang der Live-Supervision einmalig im Lande. Für mich nach wie vor ein hohes Qualitätsmerkmal. Von dem Workshop „Systemisch wird historisch“ von Tom Levold und Wolfgang Loth hoffe ich in Zukunft noch zu hören, wenn diese Gruppe weiterarbeitet und an die Öffentlichkeit tritt. Die Spiegelaktion war eine interessante Idee, die zu vielen Gesprächen und Späßen geführt hat (und zu versetzten Blumenkübeln). Saukalt, aber immerhin trocken trat die Tagung damit aber auch den Nachweis an, dass Chaotisierung (zumindest in einer Stadt wie Berlin) nicht so leicht zu erreichen ist. Im Film auf der Fete wirkte die gesamte Aktion deutlich spektakulärer, auch wie der flexible Spiegel je nach Agitationsgrad Bilder, Zerrbilder oder nur noch Strukturen des Gespiegelten abbildete. Eine schöne analoge Ergänzung zu den Gesprächen, ebenso wie im Übrigen der sehr gelungene Tagungsabschluss mit der Improvisationstheatergruppe. Fazit: Eine durchdringende Selbstbespiegelung, den Untertitel eingelöst und mehr, nämlich auch praktisch Relevantes ausgetauscht. Ein fröhliches Familientreffen dazu (ist bei mir überwiegend positiv konnotiert). Mein Eindruck allerdings insgesamt auch: so wie mit der Spiegelaktion keine nennenswerte Provokation der Öffentlichkeit einherging, so sind auch systemische Ideen inzwischen nicht mehr so provokant und von hohem Neuigkeitswert. Man könnte dazu auch sagen: Willkommen in der Ebene. Insofern war die Tagung auch ein erfolgreicher Ausdruck des Standes der systemisch-therapeutischen Reflexion in Deutschland.
Hartmut Epple, Praxisgemeinschaft A.m.S.e.l., Berlin
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