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Veranstaltungsbericht zur Berichtsübersicht
05.05.2007
systemagazin Tagungsbericht: Zum Glück. Wissen und Wunder(n) in der Systemischen Praxis
Tagung Zum Glück
Helga Brüggemann, Düsseldorf: Glücks-Kaleidoskop. Kurzbericht zu dem 5. Weinheimer Symposion „Zum Glück, Wissen  und Wundern in der systemischen Praxis“

An drei Tagen, vom 17.-19. Mai 2007, konnte man im Mainzer Schloss mannigfaltige Zugänge zu dem Thema „Glück“ finden. Das Symposion bewegte die Teilnehmer alleine schon durch wechselnde Tagungsformate von Plenarvorträgen und Teilplenen über Workshops, der Methodeninseln, dem Rahmenprogramm bis hin zu Abendveranstaltungen. Auf dem Symposion wurde das Gücks-Kaleidoskop in vielfältiger Weise gedreht, beispielsweise aus systemischer, psychotherapeutischer, hirnphysiologischer, ökonomischer, konstruktivistischer, medizinischer, existenzanalytischer, kabarettistischer, multimedialer und musikalischer Perspektive. Der Tagungsteilnehmer hatte reichlich Gelegenheit, das Thema seiner Schwerpunktinteressen und Arbeitsbereiche entsprechend zu vertiefen. Ein Kaleidoskop des Glücks eröffnete sich bezogen auf nahezu alle Lebensbereiche, von der Geburt bis zum Tod.

Tagungsformate und – inhalte

Plenarvorträge

Die Fachärztin und Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft, Cornelia Oestereich, nahm Metaphern und Redewendungen zum Ausgangspunkt, das Thema Glück aus der Innen- und Außensicht zu beleuchten. Alfried Längle erörterte das Thema existenzanalytisch. Arist von Schlippe und Michael Grabbe gaben eine Anleitung zum Glücklich sein aus konstruktivistischer Sicht.  Danach hatte man die Wahl, sich dem Glück entweder hirnphysiologisch in einem Vortrag von Günter Schiepek oder ökonomisch in einem Vortrag von Tilman Cornelius Becker zu widmen.  Die Bühne wurde zu einem „Spielplatz der Übung“ durch Jim Wilson, der einen Vortrag über Improvisation bei der systemischen Arbeit mit Kindern hielt.
Am Samstagmorgen bündelte Tom Levold die Energien in kürzester Zeit mit Hilfe eines multimedialen Streifzuges durch soziale Wirklichkeiten. Kommunikationstheoretisch brachte Jürgen Kriz das Glück, sich und den anderen zu verstehen, mit dem Wort „Synlogisation“ auf den Punkt, einem neu kreierten Begriff, mit dem er analog der Bewegung (Synchronisation) das sinngemäße zeitgleiche Abgestimmtsein im Gespräch bezeichnet.
Rolf Verres rührte die Herzen der Teilnehmer mit einem Vortrag über den „Traum vom anderen Leben – Sehnsucht und Erfüllung“, in dem er die Suche nach dem Glück als solches würdigt, und mit Hilfe musikalischen Liveeinlagen auf etwas Höheres verwies.

Die Methodeninseln

Am Donnerstagnachmittag wurde erstmalig ein gelungenes Experiment durchgeführt: Die Methodeninseln. Die Teilnehmer hatten die Qual der Wahl. Sie waren eingeladen, einen Streifzug durch 25 Räume zu machen, in denen zeitgleich unterschiedliche Methoden in zehnminütigen Impulsvorträgen vorgestellt und diskutiert wurden. Die Referenten gaben Einblick in ihre systemischen Schatzkisten. Konkret erfahrbar wurden beispielsweise die Arbeit mit
  • besonderen Hilfsmitteln, wie Gummibändern, Seilen oder Pferden,
  • speziell bezogen auf das Thema Glück fruchtbar gemachten Methoden, wie die Zeitlinie oder das Genogramm,
  • Metaphern, wie das Familienschiff, das Glücksmenü oder die Wolke 17

Teilplena

Unterschiedliche Lebensbereiche wurden in Teilplenen thematisiert. Am Freitag hatte man die Wahl zwischen den Themen Kindheit, Sucht und Depression. In dem Teilplenum „Das Schwere und das Glück“ wurde beispielsweise das Thema Depression erkenntnisreich und unterhaltsam aufgerollt anhand eines konkreten Falls aus verhaltenstherapeutischer, psychoanalytischer und systemischer Perspektive.

Workshops

In fünfundfünfzig zumeist parallel laufenden Workshops hatte man die Möglichkeit, unterschiedliche Teilaspekte des Thema Glücks zu vertiefen. Man hatte die Wahl zwischen systemischen Methoden, die auf das Tagungsthema zugeschnitten erlebbar gemacht wurden,  wie die Arbeit mit Ressourcen, Aufstellungen oder Timeline. In anderen Workshops konnte man eine bestimmte Rolle fokussieren, wie Eltern, Kinder, Therapeuten. An der Weiterentwicklung des systemischen Ansatzes Interessierte konnten sich durch experimentelle Herangehensweisen inspirieren zu lassen, wie beispielsweise durch die Arbeit mit Fotos oder mit einem Clown. Andere Workshops waren wiederum unterschiedlichen Anwendungsfeldern gewidmet, wie beispielsweise dem Coaching von Führungskräften, der Berufsfindung oder der Beratung von Familienunternehmen.
 
Abendveranstaltungen

Nehmen wir das Lachen als einen Indikator für Glück, dann machten Weber und Beckmann das Publikum abends unter dem Titel „AusverSehnsucht“ glücklich.
Auf der Party zum 32. Geburtstag des IF Weinheim kam das Gesamtsystem in Bewegung. Es wurde nach Livemusik heftig das Tanzbein geschwungen - bis tief in die Nacht.

Rahmenprogramm

Während der Tagung wurden die Teilnehmer durch Clownereien von Christoph Posselt zum Lachen gebracht. Heide Wellershoff zeigte die Ausstellung „Bremer Kinder malen und schreiben zum Glück“. Was Glück wurde in Form einer Filmschleife von Haja Molter, Karin Nöcker und Mohammet El Hachimi vorgeführt.

Abschlussveranstaltung

Den krönenden Abschluss machte Purple Schulz mit einem Konzert, in dem Schlüsselthemen der Tagung musikalisch pointiert wurden. Kabarettistische Einlagen wechselten sich mit mitreißenden und einfühlsamen Liedern ab. Dieses von Haja Molter initiierte Konzert war ein musikalischer Abschlusskommentar besonderer Güte.

Zusammenfassung in Form möglicher Glücksbeschreibungen

Und was habe ich mitgenommen? Die drei erfüllenden Tage, die wie im „flow“ vorübergingen, habe ich als „geeignetes Resonanzfeld erlebt, in dem Suchbewegungen stimuliert wurden“ (nach Rolf Verres) erlebt.

Hier meine Zusammenfassung in Form fünfzehn möglicher Glücksbeschreibungen:

1.    Glück ist eine Frage der Perspektive (Cornelia Oestereich)

Aus der Innenperspektive beschreiben wir Glück in Anbetracht einer Lebensphase im Verhältnis zum Vorher und Nachher. Hingegen wird Glück aus der Außenperspektive eher in Beziehung zu anderen definiert.
„Das ist der Lauf der Welt, dass andere man für glücklich hält.“ Eugen Roth

2.  Glück ist eine Fähigkeit (Cornelia Oestereich)

Glücklich bezeichnen sich Menschen, die fähig sind, einer Beschäftigung nachzugehen, die sie lieben und die in der Lage sind zu spüren, anderen nützlich zu sein.
„Viele Menschen sind glücklich, aber die wenigsten wissen es.“ Stephan Zweig

3.    Glück ist Sinnfindung (Alfried Längle)

Im existenziellen Sinne ist Glück das zu tun, was mir möglich ist, im ontologischen, den Sinn einer Sache (an)erkennen.
„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Friedrich Nietzsche.
Existenzieller Sinn kann nicht er-funden werden, er muss ge-funden werden. Er liegt nach den drei Sinnstraßen von Victor Frankl in wertvollem Erleben, schöpferischem Tun oder im Einnehmen einer versöhnlichen Haltung zu dem, was ist.

4.    Glück ist eine Haltung (Arist von Schlippe, Michael Grabbe)

Glück ist, mit innerer Zustimmung leben können. Glück kommt nicht zu uns, es ist in uns.

5.    Glück ist eine Beschreibung (Arist von Schlippe, Michael Grabbe)

Beschreibungen haben Risiken und Nebenwirkungen, wenn beispielsweise Glück verabsolutiert wird oder an äußere Umstände gekoppelt wird.

6.    Glück ist eine Konstruktion (Arist von Schlippe, Michael Grabbe)

Glück hat man nicht, man konstruiert es. Ingredienzien für Glückskonstruktion sind selbstbestimmt zu leben, Andere glücklich machen, Verantwortung übernehmen für das, was ist und Lösungen konstruieren.

7.    Glück ist ein leeres Konzept (Tom Levold)

Was wir unter Glück verstehen hängt davon ab, wie wir es metaphorisch füllen. Glück können wir kategorisierend beschreiben als eine Empfindung (einen Genuss, einen Affekt oder auch das Ergebnis eines chemischen Prozesses), eine Anschauung (Tugend, Schicksal, Vorsehung), eine Praxis (Flow, Meditation). Flow- oder Meditationserfahrungen zeigen:
„Glücklich ist, wer in der Gegenwart lebt, nicht in der Zeit.“  Wittgenstein

8.    Glück kann man auf die Sprünge helfen (Jürgen Singer)

Bringen Sie das Gegenüber zum Lachen und helfen Sie, den Blick nach vorne zu richten mit Hilfe konkreter und erreichbarer Ziele.

9.    Glück ist Verstehen (Jürgen Kriz)

Für eine gelungene Kommunikation ist es hilfreich, Sinnkategorien (Konzepte, Begriffe, Metaphern) wieder aufzulösen in Kaskaden von Möglichkeiten.
Fachsprachlich formuliert verstehen sich Menschen, wenn zwischen ihnen „Synlogisation“ im Gespräch erfolgt, d.h. sie Bedeutungsfelder sinngemäß zeitgleich aufeinander abstimmen.

10.     Glück liegt in der Familie (Gunthard Weber)

... wenn jedes Familienmitglied (Kernfamilien inkl. Großeltern, Onkel und Tanten) ein Gefühl von Vollständigkeit hat, frei von Verstrickungen ist, anderen zustimmt und eine Haltung von Dankbarkeit empfinden kann.

11.    Glück ist zeitgebunden (Rolf Verres)

Glück ist abhängig von dem Bewusstsein für Kairos, den richtigen Zeitpunkt.

12.    Glück ist der Weg und nicht das Ziel (Rolf Verres)

Glück liegt in der Suchbewegung. Es gilt, das Suchen als Solches zu würdigen. „Vorfreude ist die halbe Freude.“ Fachsprachlich formuliert ist das Finden von Sinn auf ein geeignetes Resonanzfeld angewiesen, in dem Suchbewegungen stimuliert werden.

13.    Glück liegt in der Musik (Rolf Verres)

Musik ist ein elementares Schwingungsgeschehen zwischen Tonerzeuger, Resonanzfeld und Ohr. Sie verweist mit Dissonanzen und Harmonien auf etwas Höheres. „Wer das Paradies sucht, muss es in sich finden.“

14.    Glück ist ein Kompositum (Tom Levold)

Glück setzt sich aus vielen Mikroerlebnissen zusammen, die Gefühle auslösen, beispielsweise das Interesse, das eine Mutter durch einen liebevollen Blick zum Ausdruck bringt.

15.    Glück kann man sehen (Johannes Beck)

„Glück ist, wenn mein Gesicht von alleine lächelt.“  Statement eines befragten Bremer Kindes





Das ausführliche Programm der Tagung mit allen abstracts ist hier zu finden



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