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Veranstaltungsbericht |
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11.09.2006
"Von der Dämonisierung zum Dialog. Autorität ohne Gewalt in der Schule"
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Tagung mit Haim Omer, Jürgen Kriz, Michael Grabbe und Arist von Schlippe und dem Verein ahimsa.
Martin Lemme, Bramsche:
Vom 15.-17. März 2006 fand die bereits dritte Tagung der Universität Osnabrück und dem IFW mit Haim Omer sowie Arist von Schlippe statt. Ging es in den ersten beiden Tagungen 2002 und 2004 noch verstärkt um die Vermittlung der Methodik und der Grundlagen, standen diesmal Grundhaltungen im Mittelpunkt. Dies wurde schon beim Lesen der Tagesüberschriften deutlich: „Der Mythos der Macht und die Dämonisierung des anderen“ für den 15.03. und „Von der Dämonisierung zum Dialog“ für den 16.03. Auch zum ersten Mal: die Tagung wurde in zwei Teile differenziert. So wurde der dritte Tag, der 17.03., zu einer stärker regionalen Veranstaltung genutzt: „Autorität durch Beziehung in der Schule“. 230 TeilnehmerInnen für die ersten beiden Tage und 140 TeilnehmerInnen für den dritten Tag belegen die Bedeutung und das Interesse an der Möglichkeit des gewaltfreien Widerstandes bei hoch eskalierten Konflikten. Gleich im Einleitungsreferat stellte Jürgen Kriz Fragen, die aufzeigten, welche Risiken und Möglichkeiten in der Betrachtung von Dämonen und Dialogen liegen. Dabei machte er deutlich, dass wir offensichtlich sehr schnell verführt sind, auch dämonisierende Dialoge zu dämonisieren, die Dämonisierung möglicherweise eine uns innewohnende Dynamik ist. Haim Omer beschrieb, warum von einer andere Menschen abwertenden, dämonisierenden Sicht eine starke Kraft ausgeht. Er skizzierte ein Bild, das deutlich werden ließ, dass die Beschreibung von Dämonen jeden Menschen persönlich entlastet, einen konkreten Gegner schafft, den es auch gemeinsam zu überwinden und zu besiegen gilt – mit allen Mitteln. Dieses destruktive Modell gehe von der Möglichkeit der Kontrolle des anderen aus. Und genau dies sei die Illusion, so Omer. Demgegenüber stellte er die tragische und akzeptierende Sicht. Diese Sicht akzeptiert Gegebenheiten und Grenzen des eigenen Einflusses, zeigt Möglichkeiten des Begleitens, des kontroversen Zusammensein und des Trostes auf. Einige KollegInnen arbeiten schon seit Jahren mit dem Konzept der Elterlichen Präsenz. Sie berichteten von Beispielen ihrer Arbeit. Am Nachmittag des ersten Tages verdeutlichten die Workshops, in welchen Bereichen mittlerweile das Modell der Elterlichen bzw. Professionellen Präsenz Einfluss genommen hat: in der Arbeit mit Schulen und Lehrer-Kollegien, mit Migrationsfamilien und auch in Gruppen-Coaching-Ansätzen. Im Werkzeugseminar und im Life-Rollenspiel konnten die Techniken selbst erlebte werden. Zudem ergänzten Workshops zur Bündnisrhetorik als Möglichkeit, Widerstand zu erleichtern, eine Falldarstellung und –aufarbeitung sowie die Betrachtung der Geschlechterperspektive bei Elterlicher Präsenz das Angebot. Den inhaltlichen Teil des ersten Tages schloß Arist von Schlippe ab, der in seinem Vortrag den Mythos der Macht gerade auch hinsichtlich systemischer Erkenntnistheorie und systemischen Arbeitens beschrieb. Abends wurde dann geladen zum Vortrag von Wolf Biermann: „Großer Gesang des Jizchak Katzenelson vom ausgerotteten Jüdischen Volk“. Am zweiten Tag stellte Haim Omer Vorannahmen von konstruktiven und destruktiven Kämpfen und Konflikten dar. Diese „Psychologie der Dämonisierung“ machte deutlich, dass in der Entgegnung auf einen Kampf häufig nicht der Dialog ausreicht, da dieser nicht immer zu einer Lösung führt. Dann wird konstruktiver Widerstand notwendig. Gewaltfreier Widerstand hat mehr Energie in sich, ist von Handeln, nicht vom Reden geprägt. Seine Thesen erläuterte Haim Omer u.a. mit Beispielen und Erfahrungen aus dem Abzug der Siedler aus den besetzten Gebieten des Gazastreifens. Er hatte die Militärs und die Polizei auf ihre Einsätze vorbereitet, ihnen Möglichkeiten an die Hand gegeben, den konfliktträchtigen Situationen deeskalierend zu begegnen. Michael Grabbe stellte die Möglichkeiten der Bündnisrhetorik vor, welche Widerstand gegen ein destruktives Verhalten und konstruktive Lösungen für alle Beteiligten erleichtern, z.T. erst ermöglichen. Als Ergänzung zu den Fallbeschreibungen des Vortages wurden Videoaufnahmen von Interviews mit den beteiligten Eltern gezeigt. In diesen Interviews berichteten die Eltern, dass sich, unabhängig vom Ausmaß der Verhaltensänderungen bei ihren Kindern, ihr eigenes Verhalten und ihre eigenen Grundannahmen deutlich verändert haben, letztlich die Grundlage für die Veränderungen. Idan Amiel stellte Erfahrungen und Ergebnisse eines Projektes mit Eltern ängstlicher Kinder und Kindern mit Schulverweigerung vor. Deren Verhalten sei häufig von großer Vorsicht und Rücksichtnahme geprägt. Auch hier kann gut Elterliche Präsenz durch die Methoden des Gewaltlosen Widerstandes hergestellt werden. Der dritte Tagungstag stand im Fokus der Möglichkeiten, die Strategien und Interventionen des Gewaltfreien Widerstandes an Schulen zu nutzen. Dieser Teil der Tagung wurde mitorganisiert durch den Verein ahimsa, der seit 2004 ein Modellprojekt mit vier Schulen aus der Stadt und dem Landkreis Osnabrück ins Leben gerufen hat, um ein Konzept zum Coaching von LehrerInnen zu entwickeln. Haim Omer beschrieb, welche Chancen ein Bündnis zwischen Eltern und LehrerInnen hat. Demgegenüber machte er deutlich, dass die gegenseitige Abwertung den Grundstock für den möglichen Verlust der eigenen Präsenz darstellt. Idan Amiel berichte von Ergebnissen im Coaching von LehrerInnen. Dabei beschrieb er anschaulich, dass allein das Training der eigenen Körpersprache einen ersten Ausschlag darüber gibt, ob eine LehrerIn in seiner/ihrer Präsenz von den SchülerInnen anerkannt wird oder nicht. In einem Markt der gewaltfreien schulischen Möglichkeiten stellten sich dann die am ahimsa-Projekt beteiligten Schulen mit Ihren Erfahrungen vor. Dabei standen der Austausch und die Kommunikation über mögliche Projekte im Vordergrund. Von der Darstellung schon durchgeführter Interventionen, Fallbeispielen, der Selbst-Darstellung der einzelnen Schulen sowie des Vereins ahimsa als auch einer „Werte-Bibliothek“ war Anreiz zur Diskussion und persönlichen Auseinandersetzung möglich. Auch zwei Mütter, die an einer Schule an Interventionen beteiligt waren, stellten ihre Vorstellungen von Kooperationen vor. Nach der Mittagspause wurde in 3 der 5 Workshops die bisherige Arbeit des ahimsa-Projektes dargestellt. Die Möglichkeiten einer Ankündigung in der Schule, die notwendige Vernetzung unter den KollegInnen und die Vielfalt der Methoden waren Ansatzpunkte dieser Angebote. Darüber ergänzten das Methodenseminar zur Elterlichen Präsenz und die Chancen und Möglichkeiten der Bündnisrhetorik das vielfältige Angebot. Die Rückmeldung der Teilnehmerinnen war von großer Zufriedenheit, Interesse, weiterer Neugier und zielstrebigem Fragen an weiterer Zusammenarbeit geprägt. Haim Omer machte in seinem Abschlussvortrag deutlich, wie wichtig das Bündnis zwischen Eltern und LehrerInnen ist. Eine gute Kooperation zwischen eben diesen beiden reduziere den Raum für eskalierende Konflikte, während gegenseitige Abwertung und Infragestellung auch für die Jugendlichen eine Kultur erlaube, die sich gegen beide richten könne und Eskalationen erlaube. Im Abschlussplenum, in dem auch eine Mutter aus einer der Projektschulen beteiligt war, wurde deutlich, welche Notwendigkeit und große Anfrage an die Übertragung auf das System Schule existiert. Zu prüfen bleiben die Möglichkeiten der Finanzierung. Eine gelungene, informative und anregende Tagung, wie sowohl die VeranstalterInnen als auch die überwiegende Mehrzahl der TeilnehmerInnen erklärte. Neben den Anregungen und erfolgreichen Beispielen in der Arbeit mit Eltern wird zunehmend auch die Auseinandersetzung über die Verwendung der Methodik in Institutionen wichtig und hilfreich. Ausgangspunkt bleibt die persönliche Veränderung, um destruktivem Verhalten und Gewalt begegnen zu können. Deswegen erscheint mir gerade die Auseinandersetzung mit den Grundannahmen des Gewaltlosen Widerstandes notwendig und hilfreich, denn das macht im Umgang mit Elterlicher und Professioneller Präsenz für mich den Unterschied.
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