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Veranstaltungsbericht zur Berichtsübersicht
09.08.2005
Über Tage im Weinberg des Herrn. Bericht zum Kongress “Die Wirklichkeit der Metapher - Sprach -und Denkbilder in Therapie und Beratung.“ Veranstaltet von der IGST am 5. - 7. Mai 2005 in Heidelberg
Oliver Jernej, Frankfurt am Main:

Durch neuere theoretische Konzepte und empirische Studien hat die Metaphernforschung einen neuen Aufschub bekommen. Dieser Entwicklung widmete sich vom 5. bis 7. Mai 2005 der Metaphernkongress der IGST. In der Nachfolge des 2002 veranstalteten Kongresses „Eine Rose ist eine Rose...“ (das Buch unter selbigen Titel ist gerade erschienen), wurden in Heidelberg Erkenntnisse der interdisziplinären Metaphernforschung zu einem Dialog zusammengeführt. Renommierte Metaphernforscher fanden sich zum Thema „Sprach-und Denkbilder in Therapie und Beratung“ zusammen, um in Vorträgen und Workshops den über 200 interessierten Teilnehmern Einblicke in ihre Metaphernforschung zu geben und deren Relevanz für die psychotherapeutische Arbeit zu reflektieren. Auf dem Symposium fanden prominente Referenten zusammen: Mark L. Johnson (Eugene/USA), der wohl berühmteste Metaphernforscher unter den Anwesenden, mit Ernst von Glasersfeld (Amherst/USA), Steve Lankton (Arizona/USA), Francesca Rigotti (Lugano/Schweiz), Rudolf Schmitt (Zittau/Görlitz), Michael B. Buchholz (Göttingen), Arnold Retzer (Heidelberg) u.a..
Bei der Eröffnung bezog sich der Initiator und spiritus rector des Symposiums Hans Rudi Fischer (IGST), auf die wenige Tage zuvor in Rom stattgefundene Papstwahl Benedikts des XVI., der der Weltöffentlichkeit verkündete: “Ich bin nur ein einfacher, demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn”. Der Pontifex maximus (größter Brückenbauer) , so der Ehrenname des Papstes, bestätige eindrucksvoll die Wirklichkeit und Kraft metaphorischen Sprechens; zugleich ist "Brückenbauer" für Fischer selbst eine Metapher, für eine Metapher (eine Meta-Metapher). Sprachbilder könnten als Brücken verstanden werden, die Verbindungen zwischen weit auseinander liegenden Sinn-Kontinenten schafften. Wie sie das schaffen, wie sie neue Perspektiven eröffnen, unter denen Wirklichkeit gesehen, organisiert und erlebt wird, wie sie kreative Prozesse auslösen, wie sie bestimmte Störungsbilder (bspw. Depression, Alkoholismus) prägen etc., diese und andere Fragen standen im Fokus des diesjährigen Symposiums. Einige der Beiträge möchte ich im folgenden kommentieren.
Mark L. Johnson, der mit Georg Lakoff 1980 durch das gemeinsames Buch “Metaphors we live by” der neueren Metaphernforschung zu ihrem großen Aufschwung verholfen hat, bezog sich in seinem Vortrag auf Metaphern als handlungs- und erkenntnisleitende Schemata (Modelle), die in elementaren körperlichen, vorbegrifflichen Erfahrungen begründet sind, die bereits vor dem Spracherwerb gemacht werden. Abstrakte Begriffe werden über Metaphern mit konkretem sinnlich erleb- und erfahrbarem Inhalt gefüllt. Johnsons Vortrag zeigt sich damit vor allem für die Psychosomatik als hoch interessant.
Der Familientherapeut und Psychoanalytiker Michael B. Buchholz (Göttingen) berichtete in seinem Eröffnungsvortrag  (Metaphern der Sexualität. Die VerPuffung der Gesellschaft) von interessanten Ergebnissen eines metaphernanalytischen Forschungsprojektes mit Sexualstraftätern. Buchholz thematisierte die Fragen, die sich aus dem Projekt für entwicklungspsychologische Theorien des Selbst stellten (die Straftäter metaphorisieren sich selbst in der Gruppentherapie als Opfer u.a.) und formulierte einige provokative Hypothesen zur gegenwärtigen Verfasstheit  bzw. Konstruktion von Sexualität in unserer Gesellschaft.
Ernst von Glasersfeld, der berühmte Kognitionspsychologe und Begründer des radikalen Konstruktivismus, thematisierte in seinem Vortrag “Metaphern als Tasten des Vorstellungsklaviers” das Problem, dass die Vorstellungen, die durch eine Metapher beim Hörer hervorgerufen werden, eben sehr von seinem “eigenen Vorstellungsklavier” bestimmt sind. Glasersfeld macht Metaphern als indirekte Beschreibungen verständlich, die i.S.v. Tasten eines Vorstellungsklaviers Assoziationen beim Hörer zum schwingen bringen, d.h. einen kognitiven Gehalt erzeugen. Glasersfeld sieht in Metaphern - ähnlich wie Fischer - Schlüsse am Werk, die Neues erzeugen. Die prinzipielle Mehrdeutigkeit der Metapher ist für ihn die Quelle indirekter Beschreibungen, die mindestens eine Eigenschaft von einem Ding der Erlebenswelt auf ein anderes Ding »über-tragen«, aber die Attribution indirekt (verblümt) bleibt, weil nicht bestimmt ist, welche Eigenschaft gemeint ist. Die Selektion aus einer Fülle von möglichen Attributen muss der Rezipient der Metapher selbst vornehmen.
H.R. Fischer beschäftigte sich unter dem Titel „Ich sehe was, was Du nicht siehst. Wie Metaphern unser Wissen erweitern“ mit dem kreativen Potential von Sprachbildern. Metaphern haben - nach Fischer - einen doppelbödigen Kern der, i.S.v. Bateson´s doppelten Beschreibungen, als Ausgangspunkt für die in Metaphern liegende Kreativität angesehen werden kann. Metaphern verfügen über ein Potential, dass irrational und rational zugleich, das Sinnreservoire entfaltet und damit Neues schafft. Insofern können sie Denkänderungen erzeugen, eine neue Art des Denkens und Beschreibens. Metaphern verändern die Landkarte unseres Denkens (das »system of believes«) mehr oder minder fundamental und sind als Veränderung zweiter Ordnung zu begreifen, als Veränderung der Art und Weise, wie wir die Welt sehen.
Steve Lankton (USA), der bekannte Schüler Milton H. Erickson´s, stellte aus dem Feld der Hypnotherapie die Entwicklung der therapeutischen Metaphernarbeit vor. In seinem Vortrag präsentierte Lankton die zumeist bekannten Positionen der Metaphernarbeit von Erickson. Der in seinem Workshop vermittelte Umgang mit zielgerichteten Metaphern, verschaffte den Teilnehmern aber zumindest praktische Einblicke in die therapeutische Arbeit mit Metaphern.  Rudolf Schmitt, der zu den prominentesten Forschern in Deutschland zählt, vermittelte anhand einer laufenden Studie den Teilnehmern Einblicke in die metaphorisch strukturierte Welt der Alkoholiker. Mit Interviewbeispielen illustrierte er die Möglichkeiten einer metapherngestützen Beratung. Darüber hinaus präsentierte Schmitt eine Methode zur systematischen Rekonstruktion metaphorischer Konzepte. Die Psychologin Judith Barkfelt, zeigte charakteristische Sprachbilder depressiver Episoden auf. Ihre metaphernanalytische und -synthetische Untersuchung aus retrospektiven Berichten Depressiver bieten neue Einsichten in die metaphorische Konstruktion depressiver Wirklichkeiten. Francesca Rigotti, Philisophin und Politologin, beschäftigte sich in ihrem Vortrag "How to tell stories with metaphors. Metaphern, Wirklichkeit und Alltagsleben” mit der Frage, worin das sinnstiftende Potential der Metapher zu suchen ist.  Rigotti schilderte, wie aus Sicht der Erzählphilosophie die Metapher als ein Ort der Implosion einer Geschichte dargestellt werden kann, die nur darauf wartet, erzählt zu werden. Dabei begeisterte sie mit ihren metaphorischen Kurzgeschichten über Alltagsobjekte. Arnold Retzer fokussierte in seinem Beitrag “Die Metapher der Leiche” metaphorische Paradoxien des Todes. In seinem Vortrag wurden die im Bild der Leiche liegenden paradoxen Kommunikationsformen herausgestellt, deren Zeichen auf Leben und Tod zugleich verweisen. Retzer zeigte Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Abschiednehmens auf und wie sie für Therapie nutzbar zu machen sind. In seinem Workshop präsentierte Retzer therapeutische Verfahrensschritte im Umgang mit Metaphern und Affekten der systemischen Therapie.
Die hier gezwungenermaßen nur selektiv und verkürzt dargestellten Beiträge des Symposiums lassen jedoch die Vielfältigkeit des Programms und die Reichhaltigkeit der angestossenen Diskussionen erahnen. Drei Tage lang beeindruckte der Kongress durch ein breites Spektrum von Themenschwerpunkten, neuen Denkansätzen und praktischen Vorgehensweisen in der Arbeit mit Metaphern. Aus der Fülle der verschiedenen Beiträge folgte allerdings auch eine zeitlich recht enge Struktur, die den interaktiven Prozessen zwischen Referenten und Teilnehmern oft zu wenig Raum ließ. Trotzdem überzeugte das Symposium durch Highlights aus  der aktuellen Forschung, und praxisnahe Einsichten im Umgang mit Sprach- und Denkbildern in Therapie -und Beratung. Für alle, für die Kommunikation das Kerngeschäft darstellt, glich der Metaphern-Kongress einem köstlichen Wein, in dem, glaubt man dem lateinischen „Volksmund“, sogar Wahrheit liegen könnte.



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