Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Veranstaltungsbericht |
zur Berichtsübersicht |
09.08.2005
Über Tage im Weinberg des Herrn. Bericht zum Kongress “Die Wirklichkeit der Metapher - Sprach -und Denkbilder in Therapie und Beratung.“ Veranstaltet von der IGST am 5. - 7. Mai 2005 in Heidelberg
|
Oliver Jernej, Frankfurt am Main:
Durch neuere theoretische Konzepte und empirische Studien hat die
Metaphernforschung einen neuen Aufschub bekommen. Dieser Entwicklung
widmete sich vom 5. bis 7. Mai 2005 der Metaphernkongress der IGST. In
der Nachfolge des 2002 veranstalteten Kongresses „Eine Rose ist eine
Rose...“ (das Buch unter selbigen Titel ist gerade erschienen), wurden
in Heidelberg Erkenntnisse der interdisziplinären Metaphernforschung zu
einem Dialog zusammengeführt. Renommierte Metaphernforscher fanden sich
zum Thema „Sprach-und Denkbilder in Therapie und Beratung“ zusammen, um
in Vorträgen und Workshops den über 200 interessierten Teilnehmern
Einblicke in ihre Metaphernforschung zu geben und deren Relevanz für
die psychotherapeutische Arbeit zu reflektieren. Auf dem Symposium
fanden prominente Referenten zusammen: Mark L. Johnson (Eugene/USA),
der wohl berühmteste Metaphernforscher unter den Anwesenden, mit Ernst
von Glasersfeld (Amherst/USA), Steve Lankton (Arizona/USA), Francesca
Rigotti (Lugano/Schweiz), Rudolf Schmitt (Zittau/Görlitz), Michael B.
Buchholz (Göttingen), Arnold Retzer (Heidelberg) u.a..
Bei der Eröffnung bezog sich der Initiator und spiritus rector des
Symposiums Hans Rudi Fischer (IGST), auf die wenige Tage zuvor in Rom
stattgefundene Papstwahl Benedikts des XVI., der der Weltöffentlichkeit
verkündete: “Ich bin nur ein einfacher, demütiger Arbeiter im Weinberg
des Herrn”. Der Pontifex maximus (größter Brückenbauer) , so der
Ehrenname des Papstes, bestätige eindrucksvoll die Wirklichkeit und
Kraft metaphorischen Sprechens; zugleich ist "Brückenbauer" für Fischer
selbst eine Metapher, für eine Metapher (eine Meta-Metapher).
Sprachbilder könnten als Brücken verstanden werden, die Verbindungen
zwischen weit auseinander liegenden Sinn-Kontinenten schafften. Wie sie
das schaffen, wie sie neue Perspektiven eröffnen, unter denen
Wirklichkeit gesehen, organisiert und erlebt wird, wie sie kreative
Prozesse auslösen, wie sie bestimmte Störungsbilder (bspw. Depression,
Alkoholismus) prägen etc., diese und andere Fragen standen im Fokus des
diesjährigen Symposiums. Einige der Beiträge möchte ich im folgenden
kommentieren.
Mark L. Johnson, der mit Georg Lakoff 1980 durch das gemeinsames Buch
“Metaphors we live by” der neueren Metaphernforschung zu ihrem großen
Aufschwung verholfen hat, bezog sich in seinem Vortrag auf Metaphern
als handlungs- und erkenntnisleitende Schemata (Modelle), die in
elementaren körperlichen, vorbegrifflichen Erfahrungen begründet sind,
die bereits vor dem Spracherwerb gemacht werden. Abstrakte Begriffe
werden über Metaphern mit konkretem sinnlich erleb- und erfahrbarem
Inhalt gefüllt. Johnsons Vortrag zeigt sich damit vor allem für die
Psychosomatik als hoch interessant.
Der Familientherapeut und Psychoanalytiker Michael B. Buchholz
(Göttingen) berichtete in seinem Eröffnungsvortrag (Metaphern der
Sexualität. Die VerPuffung der Gesellschaft) von interessanten
Ergebnissen eines metaphernanalytischen Forschungsprojektes mit
Sexualstraftätern. Buchholz thematisierte die Fragen, die sich aus dem
Projekt für entwicklungspsychologische Theorien des Selbst stellten
(die Straftäter metaphorisieren sich selbst in der Gruppentherapie als
Opfer u.a.) und formulierte einige provokative Hypothesen zur
gegenwärtigen Verfasstheit bzw. Konstruktion von Sexualität in
unserer Gesellschaft.
Ernst von Glasersfeld, der berühmte Kognitionspsychologe und Begründer
des radikalen Konstruktivismus, thematisierte in seinem Vortrag
“Metaphern als Tasten des Vorstellungsklaviers” das Problem, dass die
Vorstellungen, die durch eine Metapher beim Hörer hervorgerufen werden,
eben sehr von seinem “eigenen Vorstellungsklavier” bestimmt sind.
Glasersfeld macht Metaphern als indirekte Beschreibungen verständlich,
die i.S.v. Tasten eines Vorstellungsklaviers Assoziationen beim Hörer
zum schwingen bringen, d.h. einen kognitiven Gehalt erzeugen.
Glasersfeld sieht in Metaphern - ähnlich wie Fischer - Schlüsse am
Werk, die Neues erzeugen. Die prinzipielle Mehrdeutigkeit der Metapher
ist für ihn die Quelle indirekter Beschreibungen, die mindestens eine
Eigenschaft von einem Ding der Erlebenswelt auf ein anderes Ding
»über-tragen«, aber die Attribution indirekt (verblümt) bleibt, weil
nicht bestimmt ist, welche Eigenschaft gemeint ist. Die Selektion aus
einer Fülle von möglichen Attributen muss der Rezipient der Metapher
selbst vornehmen.
H.R. Fischer beschäftigte sich unter dem Titel „Ich sehe was, was Du
nicht siehst. Wie Metaphern unser Wissen erweitern“ mit dem kreativen
Potential von Sprachbildern. Metaphern haben - nach Fischer - einen
doppelbödigen Kern der, i.S.v. Bateson´s doppelten Beschreibungen, als
Ausgangspunkt für die in Metaphern liegende Kreativität angesehen
werden kann. Metaphern verfügen über ein Potential, dass irrational und
rational zugleich, das Sinnreservoire entfaltet und damit Neues
schafft. Insofern können sie Denkänderungen erzeugen, eine neue Art des
Denkens und Beschreibens. Metaphern verändern die Landkarte unseres
Denkens (das »system of believes«) mehr oder minder fundamental und
sind als Veränderung zweiter Ordnung zu begreifen, als Veränderung der
Art und Weise, wie wir die Welt sehen.
Steve Lankton (USA), der bekannte Schüler Milton H. Erickson´s, stellte
aus dem Feld der Hypnotherapie die Entwicklung der therapeutischen
Metaphernarbeit vor. In seinem Vortrag präsentierte Lankton die zumeist
bekannten Positionen der Metaphernarbeit von Erickson. Der in seinem
Workshop vermittelte Umgang mit zielgerichteten Metaphern, verschaffte
den Teilnehmern aber zumindest praktische Einblicke in die
therapeutische Arbeit mit Metaphern. Rudolf Schmitt, der zu den
prominentesten Forschern in Deutschland zählt, vermittelte anhand einer
laufenden Studie den Teilnehmern Einblicke in die metaphorisch
strukturierte Welt der Alkoholiker. Mit Interviewbeispielen
illustrierte er die Möglichkeiten einer metapherngestützen Beratung.
Darüber hinaus präsentierte Schmitt eine Methode zur systematischen
Rekonstruktion metaphorischer Konzepte. Die Psychologin Judith
Barkfelt, zeigte charakteristische Sprachbilder depressiver Episoden
auf. Ihre metaphernanalytische und -synthetische Untersuchung aus
retrospektiven Berichten Depressiver bieten neue Einsichten in die
metaphorische Konstruktion depressiver Wirklichkeiten. Francesca
Rigotti, Philisophin und Politologin, beschäftigte sich in ihrem
Vortrag "How to tell stories with metaphors. Metaphern, Wirklichkeit
und Alltagsleben” mit der Frage, worin das sinnstiftende Potential der
Metapher zu suchen ist. Rigotti schilderte, wie aus Sicht der
Erzählphilosophie die Metapher als ein Ort der Implosion einer
Geschichte dargestellt werden kann, die nur darauf wartet, erzählt zu
werden. Dabei begeisterte sie mit ihren metaphorischen Kurzgeschichten
über Alltagsobjekte. Arnold Retzer fokussierte in seinem Beitrag “Die
Metapher der Leiche” metaphorische Paradoxien des Todes. In seinem
Vortrag wurden die im Bild der Leiche liegenden paradoxen
Kommunikationsformen herausgestellt, deren Zeichen auf Leben und Tod
zugleich verweisen. Retzer zeigte Möglichkeiten und Notwendigkeiten des
Abschiednehmens auf und wie sie für Therapie nutzbar zu machen sind. In
seinem Workshop präsentierte Retzer therapeutische Verfahrensschritte
im Umgang mit Metaphern und Affekten der systemischen Therapie.
Die hier gezwungenermaßen nur selektiv und verkürzt dargestellten
Beiträge des Symposiums lassen jedoch die Vielfältigkeit des Programms
und die Reichhaltigkeit der angestossenen Diskussionen erahnen. Drei
Tage lang beeindruckte der Kongress durch ein breites Spektrum von
Themenschwerpunkten, neuen Denkansätzen und praktischen Vorgehensweisen
in der Arbeit mit Metaphern. Aus der Fülle der verschiedenen Beiträge
folgte allerdings auch eine zeitlich recht enge Struktur, die den
interaktiven Prozessen zwischen Referenten und Teilnehmern oft zu wenig
Raum ließ. Trotzdem überzeugte das Symposium durch Highlights aus
der aktuellen Forschung, und praxisnahe Einsichten im Umgang mit
Sprach- und Denkbildern in Therapie -und Beratung. Für alle, für die
Kommunikation das Kerngeschäft darstellt, glich der Metaphern-Kongress
einem köstlichen Wein, in dem, glaubt man dem lateinischen „Volksmund“,
sogar Wahrheit liegen könnte.
|
|
|