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systemagazin-Adventskalender: "Von Klienten lernen"

Andreas Wahlster: Schweigen ist auch Kontakt

Was für ein Geschenk zum 4. Advent: Gestern hatte ich ein Gespräch mit einer Familie, bestehend aus Mutter, Vater und der 19-jährigen Tochter Julia (einziges Kind). Vor 1,5 Jahren fand bereits ein Gespräch nur mit den Eltern statt, zentrales Thema war damals ihr Umgang mit der Sorge um die (berufliche) Zukunft von Julia.
Nun kam Julia mit und ich begann mit den klassischen Fragen zu Anliegen, guten Zielen und den Gründen, dass die Familie nun heute komplett hier ist etc. Julia antwortete anfangs auf diese Fragen mit einem wiederholten „weiß nicht“. Die Eltern wünschten sich Ideen, wie sie wieder zu einem normalen Familienleben kommen könnten, ihre Gedanken würden nur noch um die Zukunft von Julia kreisen. Auf meine  weiteren Fragen nach guten Ergebnissen/Zielen für dieses Gespräch antwortete Julia nur noch mit ganz leiser Stimme, sie können auf solche Fragen keine Antwort geben. Ihr Blick ging  immer wieder hilfesuchend zur Mutter. Zwar nicht recht überzeugt - aber es muss ja weitergehen - sprach ich in die Runde, wie sich wohl Julia als Tochter fühlen würde, wenn drei Erwachsene, die sich zudem schon aus einem Gespräch kennen würden, hoch gespannt auf Antworten warten würden. Gleichzeitig verspürte ich aufkeimende Hilflosigkeit und Ärger darüber, keinen Zugang zu Julia zu bekommen. Ich verschärfte (Gruß an die Neutralität!) die Fragen und sprach aus, dass sich hier jetzt die Frage stellen könnte, welchen guten Grund die Eltern noch haben könnten, die Tochter weiter bei sich zuhause wohnen zu lassen. Julia krümmte sich mehr und mehr zusammen, antwortete nicht mehr und fing leise an zu weinen. Ohne es womöglich zu wissen, hat sie mir damit sehr geholfen. Ich merkte, dass ich einem Prinzip gefolgt war, nämlich nur mit Kunden im de Shazer‘schen Sinne zu arbeiten und das hatte ich u.a. daran festgemacht, dass ich auf meine Fragen Antworten bekomme. Wie töricht.
Ohne genau zu wissen wie, änderte ich mein Vorgehen. Dabei half mir ein Satz von Manfred Prior: „ Sprache ist  ein gänzlich unzulängliches Mittel. um Probleme und Lösungen zu beschreiben“. Ich versuchte einen neuen Kontrakt mit Julia zu basteln. Ich äußerte, dass ich es bedauern würde, falls sie sich durch meine Fragen bedrängt gefühlt hätte, auch erwachsene Therapeuten würden Fehler machen. Ich schlug vor, ihr Ja-/Nein-Fragen stellen (haben wir nicht gelernt, man soll nur offene Fragen stellen!!??) und sie würde mir durch Nicken oder Kopfschütteln antworten. Sie nickte! Und ich wurde weicher, dankbar für den kleinen Kontakt.
Ich äußerte mein Verständnis für ihr Dilemma beim Erwachsenwerden, nämlich zu wissen, was sie nicht will, aber noch nicht zu wissen, was sie will. Wie sollte sie dann auch auf Fragen antworten können. So wäre ihr Schweigen geradezu eine sinnvolle Antwort auf nicht zu beantwortende Fragen. Alle diese Beschreibungen schloss ich mit einem: „Könnte das stimmen?“ ab. Sie antwortete immer mit einem Kopfnicken!  Der nächste Schritt konnte gewagt werden. Ich wusste von ihren Eltern, dass sie viel im Internet chattet ( aus Sicht der Eltern viel zu viel) und versuchte diesen Zugangsweg zu nutzen. Ich bot ihr an, dass wir per mail miteinander in Kontakt kommen könnten, auch das „beantwortete“  sie mit einen Nicken und ich gab ihr eine Visitenkarte und bedankte mich für ihr Coaching. Ein kurzer Blickkontakt, kleines Lächeln.
Während dieser Sequenz hörten die Eltern sehr aufmerksam zu und sprachen von ihrer Entlastung.
Julia, was habe ich von Ihnen gelernt oder wieder erinnert ?
Jedem Verhalten eine positive sinnhafte Absicht unterstellen.
Eine gnädige Haltung entwickeln zum eigenen Ehrgeiz und Fehler machen
Mir zuzutrauen, Ungewöhnliches zu versuchen und darauf zu vertrauen, dass daraus etwas Neues entstehen kann.
Dass Jugendliche in eine Welt hineinwachsen, in der wir Erwachsene uns schon länger bewegen und uns (hoffentlich) auskennen.
Was wünsche ich mir? (schließlich ist ja bald Weihnachten)
Das sich Julia meldet. Wenn nicht, werde ich vertrauen, dass sie weiß, was für sie gut ist. Das ist dann meine Aufgabe.




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