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systemagazin-Adventskalender: "Von Klienten lernen"
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Sabine Timme: Auf dem Grab von drei Menschen lässt sich nicht tanzen
vor vielen Jahren saß ich im Erstgespräch mit einer Klientin (34), die während einer Phase großer Traurigkeit und Erschöpfung kam. Sie hatte sich kurze Zeit zuvor ihr bulimisches Verhalten abgewöhnt. Meine Anerkennung darüber mochte sie zwar nicht teilen, konnte aber im weiteren Gespräch mein hypnosystemisches Handwerkszeug gut nutzen. Rasant schnell befand sie sich in klaren, lebendigen und bunten Zukunftsbildern. Gesichtsfarbe ebenfalls bunter. Muskeltonus wieder da. Augen blitzten. Die Auftragsklärung flutschte nur so vor sich hin. Klasse Erstkontakt, dachte ich eitel. Super angedockt. Dann ham wir’s ja. Nun begab es sich aber zu jener Zeit, dass ich mir angewöhnen wollte, bei der Auftragsklärung potentielle Scheiter-Haufen zu recherchieren. (Dysfunktionale Loyalitäten, wie Michael Bohne sagt. Oder, frei nach Gunther Schmidt: „Schwupp, das Unmittelbare ist eben schneller….“) Die Frage dazu lautet auch heute noch: Gibt es irgendjemanden in Ihrer Familie oder der näheren Umgebung, der, oder die es - bei aller Liebe - vielleicht nicht aushalten könnte, wenn Sie sich in Richtung Ihrer Zukunftsvorstellung entwickeln? Ihr zackig-empörtes:“Natürlich nicht!“, machte mir in Sekundenschnelle ein mieses Gefühl. Hatte ich doch anscheinend eine gemeine Unterstellung in ihr System transportiert. Wie sollte ich mich da wieder rausreden? Bevor ich es auch nur schaffte, genug Luft zu holen, um dezent psychoedukativ den Hintergrund meiner Frage zu erklären (Transparenz, Transparenz!), sackte sie wieder in sich zusammen und sprudelte ohne Punkt und Komma: „MeinVaterwürdesichtotsaufenmeineMutterspringtvordenZugundmeineSchwesterverhungert“. Hatte sich fix was mit bunt und Muskeltonus und Augenblitzen – nun auch auf meiner Seite. Letztlich wurde die Auftragsklärung genau durch diese Sequenz gut: mir fiel nämlich erstmal gar nichts ein. Eitelkeit wech, Demut vor dem Gesamtkunstwerk Klientin da. Auf dem Grab von drei Menschen lässt sich nicht tanzen. Kaum hatte ich das ausgesprochen, entspannte sie sich. Wir befanden uns in einer Art produktiver Ratlosigkeit auf Augenhöhe. Von da aus haben wir dann losgearbeitet. Dieser Kontakt war mir eine Lehre auf Jahre hinaus. In Weiterbildungen, Supervisionen, Familien- und Einzelsitzungen erzähle ich manchmal von ihr und dem Respekt vor Symptomen bzw. den verschlungenen Wegen von Liebe und Loyalität in Systemen.
Sabine Timme Realitäten Im- und Export Systemische Therapie (SG) Supervision
Talaverastr. 2 30163 Hannover 0511/ 348 21 04 0160/ 944 588 38
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