Bewegungen meiner rechten Hand
Seit einiger Zeit besitze auch ich einen Computer, auf dem meine
zwei Zeigefinger tanzend schreiben. Trotzdem schreibe ich oft noch von
Hand.
Einmal kam mir der Gedanke, einen Abschnitt meiner Handschrift
vergrößert zu betrachten. Dabei fiel mir auf, welch komplizierte
Wanderungen meine rechte Hand auf dem Papier machte. Da finden sich
Bogenlinien, die links ausholend nach oben fahren, mager mit wenig
Druck, oder Bogenlinien, füllig mit viel Druck ausgeführt, die rechts
abbiegen und nach unten fahren; gerade Striche, die senkrecht nach oben
unterwegs sind oder gekrümmt nach unten zeigen. Es gibt Punkte, die
neben Buchstaben auf die Linie oder flugs über Buchstaben gesetzt sind.
Zickzacklinien finden sich neben Geraden. Buchstaben stehen alleine
oder vereinen sich mittels zarter Linien zu Wörtern.
Da geht es beim Schreiben mit der Schreibmaschine oder dem Computer
anders zu und her: Mit einem Schlag werden ganze Buchstaben
unzusammenhängend aufs Papier oder auf die Festplatte gestanzt. Das
Schriftbild schreitet nur voraus, keine Auf und Ab oder Voraus und
Zurück - Bewegungen wie beim Schreiben von Hand.
Meine Handschrift erinnert mich an hüpfende, fließende Bewegungen eines
Tänzers, dann wieder an die schlurfenden, stockenden Bewegungen eines
Gehbehinderten, oder an einen stark nach vorne geneigten, vom Wind
getrieben Eilenden, und manchmal gleicht sie den zaghaften,
schleichenden Bewegungen eines müden Wanderers, der eine Schreibpause
verdient hat.
Wenn ich einen geschriebenen Text betrachte, erinnere ich mich daran,
dass ich bei Wanderungen auf dem Papier manchmal inne gehalten habe,
beobachte ich, dass sich bestimmte Bewegungen hundertfach wiederholen,
dass sie immer von links nach rechts fließen, dass meine Hand am Ende
eines Satzes ruckartig wieder nach links schnellte, um von dort aus
neue runde, eckige, gerade und gekreuzte Linien zu ziehen, dass sie auf
dem Papier ruhte und darauf wartete, vom Kopf neue Instruktionen zum
Weiterschreiben zu erhalten, dass ich zu Beginn der Wanderung wusste,
wohin ich mich schreibend bringen wollte oder aber nebelhaft erst
mittels des Schreibens herausfand, wohin ich mich bringen könnte.
Zu Hause angekommen
Von der Strasse herkommend gelange ich auf einem Gehweg zu einer
dreistufigen Treppe und über diese zur Haustüre. Ich öffne sie und
betrete einen Windfang, schließe sie wieder und öffne dann eine zweite
Türe, betrete das Treppenhaus und beginne den Aufstieg. Beim Begehen
der Treppenpodeste machen sich vor den Wohnungstüren erstmals Gerüche
und Geräusche einer mensch-lichen Behausung bemerkbar. Die Namen der
Bewohner nehme ich längst nicht mehr wahr. Ich bezweifle, dass mir ein
Namenswechsel auffallen würde. Im Treppenhaus halte ich mich nicht auf,
weil es dort so laut hallt, wenn Menschen sprechen und ich dort gar
niemanden treffen will.
Nach dem Treppen steigen komme ich an meine Wohnungstüre, öffne sie und
betrete einen Flur. Es ist ein horizontal verlaufender Transitraum, der
durch geöffnete Türen an den Rändern ausfranst. Im Flur steht eine
Garderobe mit einem Spiegel. Auch ein Schirmständer steht da. An der
Wand ist ein Telefon befestigt, der Hörer hängt an einer Gabel. Meine
Kinder brauchen den Flur gelegentlich als Kegelbahn. Ich halte mich
hier selten auf, will möglichst bald in einem der angrenzenden Räume
untertauchen, wo es windstill ist und ruhig, brauche Ruhe nach einem
anstrengenden Tag im Büro.
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