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Rudolf Welter: Unterwegs, Teil 11
Bewegungen meiner rechten Hand

Seit einiger Zeit besitze auch ich einen Computer, auf dem meine zwei Zeigefinger tanzend schreiben. Trotzdem schreibe ich oft noch von Hand.
Einmal kam mir der Gedanke, einen Abschnitt meiner Handschrift vergrößert zu betrachten. Dabei fiel mir auf, welch komplizierte Wanderungen meine rechte Hand auf dem Papier machte. Da finden sich Bogenlinien, die links ausholend nach oben fahren, mager mit wenig Druck, oder Bogenlinien, füllig mit viel Druck ausgeführt, die rechts abbiegen und nach unten fahren; gerade Striche, die senkrecht nach oben unterwegs sind oder gekrümmt nach unten zeigen. Es gibt Punkte, die neben Buchstaben auf die Linie oder flugs über Buchstaben gesetzt sind. Zickzacklinien finden sich neben Geraden. Buchstaben stehen alleine oder vereinen sich mittels zarter Linien zu Wörtern.
Da geht es beim Schreiben mit der Schreibmaschine oder dem Computer anders zu und her: Mit einem Schlag werden ganze Buchstaben unzusammenhängend aufs Papier oder auf die Festplatte gestanzt. Das Schriftbild schreitet nur voraus, keine Auf und Ab oder Voraus und Zurück - Bewegungen wie beim Schreiben von Hand.
Meine Handschrift erinnert mich an hüpfende, fließende Bewegungen eines Tänzers, dann wieder an die schlurfenden, stockenden Bewegungen eines Gehbehinderten, oder an einen stark nach vorne geneigten, vom Wind getrieben Eilenden, und manchmal gleicht sie den zaghaften, schleichenden Bewegungen eines müden Wanderers, der eine Schreibpause verdient hat.
Wenn ich einen geschriebenen Text betrachte, erinnere ich mich daran, dass ich bei Wanderungen auf dem Papier manchmal inne gehalten habe, beobachte ich, dass sich bestimmte Bewegungen hundertfach wiederholen, dass sie immer von links nach rechts fließen, dass meine Hand am Ende eines Satzes ruckartig wieder nach links schnellte, um von dort aus neue runde, eckige, gerade und gekreuzte Linien zu ziehen, dass sie auf dem Papier ruhte und darauf wartete, vom Kopf neue Instruktionen zum Weiterschreiben zu erhalten, dass ich zu Beginn der Wanderung wusste, wohin ich mich schreibend bringen wollte oder aber nebelhaft erst mittels des Schreibens herausfand, wohin ich mich bringen könnte.


Zu Hause angekommen

Von der Strasse herkommend gelange ich auf einem Gehweg zu einer dreistufigen Treppe und über diese zur Haustüre. Ich öffne sie und betrete einen Windfang, schließe sie wieder und öffne dann eine zweite Türe, betrete das Treppenhaus und beginne den Aufstieg. Beim Begehen der Treppenpodeste machen sich vor den Wohnungstüren erstmals Gerüche und Geräusche einer mensch-lichen Behausung bemerkbar. Die Namen der Bewohner nehme ich längst nicht mehr wahr. Ich bezweifle, dass mir ein Namenswechsel auffallen würde. Im Treppenhaus halte ich mich nicht auf, weil es dort so laut hallt, wenn Menschen sprechen und ich dort gar niemanden treffen will.
Nach dem Treppen steigen komme ich an meine Wohnungstüre, öffne sie und betrete einen Flur. Es ist ein horizontal verlaufender Transitraum, der durch geöffnete Türen an den Rändern ausfranst. Im Flur steht eine Garderobe mit einem Spiegel. Auch ein Schirmständer steht da. An der Wand ist ein Telefon befestigt, der Hörer hängt an einer Gabel. Meine Kinder brauchen den Flur gelegentlich als Kegelbahn. Ich halte mich hier selten auf, will möglichst bald in einem der angrenzenden Räume untertauchen, wo es windstill ist und ruhig, brauche Ruhe nach einem anstrengenden Tag im Büro.



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