Niemandsland
Niemand hat das Niemandsland je besucht. Es ist ein unnahbares Stück
Land, es gehört niemandem. Niemand weiß, was oder wer sich dort
aufhält. Man sieht es zwar von den angrenzenden, besiedelten Gebieten
aus. Auf der Landkarte ist es aber ein blinder Fleck, keine Flüsse,
Berge, Strassen sind darauf eingetragen. Geographen und Kartographen
haben offenbar kein Interesse an Niemandsländern. Und niemand kann sich
erinnern, wie und wozu aus Jedermanns-land ein Stück Niemandsland
wurde. Es ist einfach da, war schon immer da. Das Niemandsland hat in
den Köpfen der in den angrenzenden Gebieten lebenden Menschen eine hohe
symbolische Bedeutung: Es ist ein unantastbares, unerforschtes, nur in
der Vorstellung existierendes Stück Erde. Und nur Aufklärungs-,
Erforschungs- oder Eroberungssüchtige nähern sich dem Niemands-land, in
der Hoffnung, am Rande einmal Gleichgesinnte zu treffen.
Erotische Reise
Heute Nacht war er im Traum mit seinem Gesicht auf ihrem liegenden
Körper unterwegs. Die Reise ging vom Halsabhang aus zwischen den
Zwillingshügeln hindurch über das Flachland hinunter zum dreieckigen
Wäldchen. Dort angekommen machte sein Gesicht rechtsumkehrt und folgte
dem gleichen Weg zurück nach oben, und dies mehrere Male hintereinander.
Zeitungsannonce
Du, weiblich, schöne, große Augen, braune, über die Schultern fallende
Haare, in blauen, handgestrickten Pullover, der deine weichen Brüste
umgab. Du lasest in einer Zeitung und hast nebenbei gegessen. Ich habe
nebenan gesessen und dich ab und zu angeschaut, mich aber nicht
getraut, dich anzusprechen: Bei dir möchte ich eine Weile wohnen, hat’s
in mir gedacht. Du hast aber stur an mir vorbeigesehen. Ich,
ungepflegte Erscheinung, Glatze, etwas betrunken, mit zwei abgewetzten
Plastiktüten. Warum hast du an mir vorbeigeschaut, mich nicht
angeschaut? Hast dir ein falsches Bild von mir gemacht. Ich habe dich
immer wieder anschauen müssen, habe dich in Gedanken berührt und
vergessen, auszusteigen und dir meinen Namen mitzugeben. Mir fällt es
nicht leicht, dies alles öffentlich darzulegen, aber ich hatte nicht
den Mut, dich anzusprechen. Und nun machst du dir ein falsches Bild von
mir und gibst mir keine Chance, es zu korrigieren! Wo bist du nun, du,
mit deinen schönen, großen Augen, mit den über die Schultern fallenden
Haaren? Ich möchte nur eine Weile bei dir wohnen, ein gutes Bild von
mir unter deiner Decke warm halten! Bis dann hängt mein Bild von dir in
meinem Zimmer und fährt mit mir in der S-Bahn, bis zum Tage, wo ich
dich wieder sehe. Ich möchte nur für eine kurze Weile nochmals neben
dir fahren. Sieh mich doch dann bitte an! Ich, leicht betrunken, mit
zwei übernutzten Plastiktüten, suche dich auf diesem Wege, wo du mir
hoffentlich einmal wieder über den Weg laufen wirst.
Die goldnen Sternlein prangten
Mit Überlichtgeschwindigkeit entlang einem Laserrichtstrahl
durch ein Zeitloch während Lichtjahren einem Stern entgegen rasen, der
für die Erdbewohner noch sichtbar, in Wirklichkeit aber seit
Jahrmillionen längst erloschen ist.
Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen,
am Himmel hell und klar.
So ist's mit vielen Sachen,
die Menschen fröhlich machen:
Sie jagen hinterher verkrampft,
was seid langem schon verdampft,
daher der weiße Nebel wunderbar.
Kurzer Reisebericht
Am Abend angekommen, eingezogen und sich dann ausgezogen. Am Morgen sich angezogen und dann ausgezogen.
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