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Rudolf Welter: Unterwegs, Teil 9
Reisevorbereitungen

Sie hat sich schon lange gefreut auf die Reise, auf die sie sich jetzt vorbereitet. Sie packt Kleider, die sie mitnehmen will. Mit Land-karten hat sie ihre Reise im Kopf immer wieder unternommen, hat sich all die Orte vorgestellt, die sie zu besuchen gedenkt. Sie hat alle Papiere beieinander, die es braucht, um in die fernen Länder einreisen zu können. Die Fahrkarten für die verschiedenen Reisegefährte, die sie benutzen wird, liegen abholbereit auf dem Reisebüro, das ihr tatkräftig geholfen hat, die Reise zu planen. Nun ist sie daran, von den Freunden Abschied zu nehmen, denn sie wird sehr lange fort sein. Sie geben ihr alle gute Wünsche auf die Reise mit, auf dass ihr nichts Böses zustoßen und sie heil wieder nach Hause kommen möge. Die Zeit rückt näher, an der sie auch Abschied von ihren nächsten Angehörigen nehmen muss. Aber soweit kommt es nicht, denn ein unvorhersehbares Ereignis hält sie davon ab, auf die Reise zu gehen, auf die sie sich so gefreut hat.
Mit heftiger Abneigung bereitet sie sich auf eine Reise vor, auf die sie nie im Leben hätte gehen wollen. Widrige Umstände, die sich in ihr Leben eingeschlichen haben, zwingen sie dazu, sich auf diese Reise zu begeben. So packt sie widerwillig Kleider, die sie auf der Reise begleiten sollen. Sie überlässt es einem Reisebüro, für sie die Reise vorzubereiten, so muss sie sich wenigstens nicht um diese Angelegenheit kümmern. Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz, die mit der Reise verbunden sind, muss sie allerdings selber planen und vornehmen. Sie verbringt die letzten Tage vor der Abreise damit, ihre Kollegen darum zu bitten, Arbeiten zu übernehmen, die während ihrer längeren Abwesenheit erledigt werden müssen. Wie sie aber von ihren Angehörigen Abschied nehmen soll, ist ihr noch ein großes Rätsel, denn diese haben mit dieser nicht gewollten Reise rein gar nichts zu tun. Während sie sich dazu Gedanken macht, erfährt sie unverhofft und überraschend, dass sie die Reise nicht antreten muss, dass sich das Schicksal zu ihren Gunsten gewendet hat. So muss sie sich ihren Angehörigen auch nicht erklären, warum sie hätte auf die Reise gehen müssen. Davor hat sie sich am meisten gefürchtet.
Mit großer Spannung bereitet sie sich auf eine Reise vor, die auf sie zukommen sollte. Sie versucht, die Reiselust zu steigern, indem sie auf Landkarten die Reise wiederholt vorweg nimmt, oder indem sie alle notwendigen Reisedokumente schon früh bestellt und diese an einem Ort bereithält, der nur ihr zugänglich ist, oder indem sie ihre Angehörigen noch nicht über ihre Abreise unterrichtet. Sie will dies erst im letzten Moment tun. Sie bittet ihre Kollegen am Arbeitsplatz und ihre Vereinskollegen, jene Menschen also, die sie über ihre Reise informieren musste, nichts weiterzusagen über ihre Absicht. Sie könnten sich mit anderen über ihre Reise unterhalten, wenn sie erst abgereist sei. Sie hat sich schon überlegt, von welchen Orten aus sie Ansichtskarten nach Hause schicken und was sie von der Reise an Erinnerungen mitnehmen möchte. Sie hat sich also gut vorbereitet auf die Reise. Nur, während sie einmal mehr im Kopf die Reise durchgeht, kommt in ihr ein sonderbares Gefühl auf, nämlich, die Reise nicht machen zu wollen! Die Vorbereitungen hatten dazu geführt, dass die Lust auf die Reise ausgelöscht wurde.


Nichtreisen

Lars von Trier sagt, dass es für ihn richtig sei, nicht zu reisen. Er behauptet dies, nicht nur weil er Angst hat vor dem Fliegen, sondern auch, weil er befürchtet, dass seine phantasievollen Vorstellungen von einem Ort oder einem Land nie mit der Wirklichkeit übereinstimmen würden. Er war zum Beispiel von Afrika enttäuscht. Da wären zwar schwarze Menschen und Löwen und alles vorhanden gewesen, aber es sei lange nicht so phantastisch gewesen, wie er sich Afrika vorgestellt hätte. Da bliebe er lieber zu Hause, dann bliebe die Welt ein wunderbarer Ort, und er hätte seine Ruhe und seinen Frieden. Franz Kafka habe übrigens seinen Roman 'Amerika' geschrieben, ohne dass er jemals in Amerika war. Und Karl May habe die Länder erst bereist, über die er geschrieben hatte, nachdem seine Bücher veröffentlicht waren. Über Filme und das Fernsehen könne man heute Vieles bequem ohne zu reisen erfahren. Und Touristen würden sowieso nur Bilder nach Hause bringen, die ihren voreingenommenen Vorstellungen von einem Land entsprächen und nicht dessen Wirklichkeit. Also was soll‘s, er bliebe lieber zu Hause und träume von seinen durch Phantasien hergestellten Ländern und Orten.



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