Reisevorbereitungen
Sie hat sich schon lange gefreut auf die Reise, auf die sie sich jetzt
vorbereitet. Sie packt Kleider, die sie mitnehmen will. Mit Land-karten
hat sie ihre Reise im Kopf immer wieder unternommen, hat sich all die
Orte vorgestellt, die sie zu besuchen gedenkt. Sie hat alle Papiere
beieinander, die es braucht, um in die fernen Länder einreisen zu
können. Die Fahrkarten für die verschiedenen Reisegefährte, die sie
benutzen wird, liegen abholbereit auf dem Reisebüro, das ihr tatkräftig
geholfen hat, die Reise zu planen. Nun ist sie daran, von den Freunden
Abschied zu nehmen, denn sie wird sehr lange fort sein. Sie geben ihr
alle gute Wünsche auf die Reise mit, auf dass ihr nichts Böses zustoßen
und sie heil wieder nach Hause kommen möge. Die Zeit rückt näher, an
der sie auch Abschied von ihren nächsten Angehörigen nehmen muss. Aber
soweit kommt es nicht, denn ein unvorhersehbares Ereignis hält sie
davon ab, auf die Reise zu gehen, auf die sie sich so gefreut hat.
Mit heftiger Abneigung bereitet sie sich auf eine Reise vor, auf die
sie nie im Leben hätte gehen wollen. Widrige Umstände, die sich in ihr
Leben eingeschlichen haben, zwingen sie dazu, sich auf diese Reise zu
begeben. So packt sie widerwillig Kleider, die sie auf der Reise
begleiten sollen. Sie überlässt es einem Reisebüro, für sie die Reise
vorzubereiten, so muss sie sich wenigstens nicht um diese Angelegenheit
kümmern. Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz, die mit der Reise
verbunden sind, muss sie allerdings selber planen und vornehmen. Sie
verbringt die letzten Tage vor der Abreise damit, ihre Kollegen darum
zu bitten, Arbeiten zu übernehmen, die während ihrer längeren
Abwesenheit erledigt werden müssen. Wie sie aber von ihren Angehörigen
Abschied nehmen soll, ist ihr noch ein großes Rätsel, denn diese haben
mit dieser nicht gewollten Reise rein gar nichts zu tun. Während sie
sich dazu Gedanken macht, erfährt sie unverhofft und überraschend, dass
sie die Reise nicht antreten muss, dass sich das Schicksal zu ihren
Gunsten gewendet hat. So muss sie sich ihren Angehörigen auch nicht
erklären, warum sie hätte auf die Reise gehen müssen. Davor hat sie
sich am meisten gefürchtet.
Mit großer Spannung bereitet sie sich auf eine Reise vor, die auf sie
zukommen sollte. Sie versucht, die Reiselust zu steigern, indem sie auf
Landkarten die Reise wiederholt vorweg nimmt, oder indem sie alle
notwendigen Reisedokumente schon früh bestellt und diese an einem Ort
bereithält, der nur ihr zugänglich ist, oder indem sie ihre Angehörigen
noch nicht über ihre Abreise unterrichtet. Sie will dies erst im
letzten Moment tun. Sie bittet ihre Kollegen am Arbeitsplatz und ihre
Vereinskollegen, jene Menschen also, die sie über ihre Reise
informieren musste, nichts weiterzusagen über ihre Absicht. Sie könnten
sich mit anderen über ihre Reise unterhalten, wenn sie erst abgereist
sei. Sie hat sich schon überlegt, von welchen Orten aus sie
Ansichtskarten nach Hause schicken und was sie von der Reise an
Erinnerungen mitnehmen möchte. Sie hat sich also gut vorbereitet auf
die Reise. Nur, während sie einmal mehr im Kopf die Reise durchgeht,
kommt in ihr ein sonderbares Gefühl auf, nämlich, die Reise nicht
machen zu wollen! Die Vorbereitungen hatten dazu geführt, dass die Lust
auf die Reise ausgelöscht wurde.
Nichtreisen
Lars von Trier sagt, dass es für ihn richtig sei, nicht zu reisen. Er
behauptet dies, nicht nur weil er Angst hat vor dem Fliegen, sondern
auch, weil er befürchtet, dass seine phantasievollen Vorstellungen von
einem Ort oder einem Land nie mit der Wirklichkeit übereinstimmen
würden. Er war zum Beispiel von Afrika enttäuscht. Da wären zwar
schwarze Menschen und Löwen und alles vorhanden gewesen, aber es sei
lange nicht so phantastisch gewesen, wie er sich Afrika vorgestellt
hätte. Da bliebe er lieber zu Hause, dann bliebe die Welt ein
wunderbarer Ort, und er hätte seine Ruhe und seinen Frieden. Franz
Kafka habe übrigens seinen Roman 'Amerika' geschrieben, ohne dass er
jemals in Amerika war. Und Karl May habe die Länder erst bereist, über
die er geschrieben hatte, nachdem seine Bücher veröffentlicht waren.
Über Filme und das Fernsehen könne man heute Vieles bequem ohne zu
reisen erfahren. Und Touristen würden sowieso nur Bilder nach Hause
bringen, die ihren voreingenommenen Vorstellungen von einem Land
entsprächen und nicht dessen Wirklichkeit. Also was soll‘s, er bliebe
lieber zu Hause und träume von seinen durch Phantasien hergestellten
Ländern und Orten. |