Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Rudolf Welter: Unterwegs, Teil 6
|
Wieder auf fester Erde
Ihr werdet es wahrscheinlich kaum glauben, aber ich war wirklich mit
dabei auf dieser denkwürdigen Reise. Ich erinnere mich, dass Berichte
darüber damals durch die ganze Weltpresse gingen. Ich erinnere mich gut
daran, was mir die Teilnahme an der Vorbereitung der Reise, bedeutet
hat. Für mich war es eine Wende im Leben, es war so etwas wie ein
atemberaubender Persönlichkeitsschub. Mein unscheinbares Dasein ging
über in einen aufregenden Zustand, den ich niemals erwartet hätte.
Plötzlich fand ich mich neben vielen Größen dieser Welt. Ich hatte mich
bis anhin nur mit Vorsicht und einer in mir angelegten Unsicherheit in
die Nähe dieser Personen begeben. Nun wurde aber der Erfolg der Reise
nicht nur bedeutenden Personen, sondern auch mir zugeschrieben. Dies
löste in mir Gefühle aus, an die ich mich erinnere, wie wenn es gestern
gewesen wäre: Inneres Zittern, Gemütswallungen, Freudentaumel!
Meine damalige Tätigkeit verlangte nicht viel von mir. Gelegentlich aus
der Routine tanzen, etwas neben dem Herkömmlichen hergehen und gelobt
zu werden dafür, wenn die Ergebnisse den Erwartungen der Vorgesetzten
entsprachen, das war alles. Niemand forderte mich heraus, versuchte,
meine inneren Fähigkeiten zu fördern. Sie schliefen im ereignislosen
Warteraum des Alltags, sie wurden nie durch wilde Träume wachgerüttelt.
Und dann diese Reisevorbereitung. Eigentlich weiß ich gar nicht mehr so
genau, wie ich dazu kam, plötzlich am Tisch der Grossen zu sitzen, um
aktiv am Zustandekommen der Reise mitzuwirken. Meine brachliegenden
Fähigkeiten mussten irgendwie über große Distanzen transportiert worden
sein, um in die offenen Sinne der Grossen einzusickern. Häufig waren
die Augen auf meine Person gerichtet, wenn ich einleuchtende Ideen auf
den Tisch legte. Sie wurden dann von den Anwesenden hin und her
gereicht, bis sie sich zu unglaublich Erfolg versprechenden
Handlungsstrategien aufgeladen hatten.
Der Persönlichkeitsschub, den ich mit der Entdeckung solcher
Fähigkeiten in Verbindung bringe, hat mir auch Schwierigkeiten
gebracht. Ich denke an Menschen, welche diesem Schub nicht folgen
konnten oder wollten. Die einen sprachen sogar von Betrug, und
behaupteten, ich wäre bei den Vorbereitungen gar nicht dabei gewesen.
Andere mochten mir den Erfolg nicht gönnen und spielten einfach die
Bedeutung der Reise herunter. Sie hätten die internationale Presse
studieren können, die damals die Reise als für die Welt einzigartig
interpretiert hatte. Wieder andere bekamen es mit der Angst zu tun, in
ihrem Bekanntenkreis jemanden zu haben, der am Zustandekommen dieser
denkwürdigen Reise beteiligt war. Ich kann mir auch denken, dass es
Personen gab, die sich mit ihren Fähigkeiten mir gegenüber abgewertet
vorkamen.
Ihr werdet Euch vielleicht fragen, wie ich heute zur außerordentlichen
Reise von damals stehe. Ich stehe noch immer mit Stolz dazu, damals bei
den Vorbereitungen mitgewirkt zu haben. Die Reise selbst hat aber für
mich an Bedeutung verloren. Ihr Eindruck ist am verblassen. Die Presse
hat ja in der Zwischenzeit Berichte von anderen bedeutenden Reisen um
die Welt geliefert. Sie sind an mir vorbei gegangen, sie haben mich
nicht berührt, weiter geführt oder verändert. Mein Umfeld ist darüber
eher beruhigt. Ich bin für meine Bekannten wieder fassbar auf der Erde
unterwegs. Sie sagen mir, wie froh sie seien, dass ich wieder einer der
ihren wäre, nicht mehr so auffiele, und nicht mehr nur durch die
Weltpresse zu ihnen spräche.
Endlich wieder zuhause
In Franz K. kommt ein Gefühl hoch, das ihm sagt, er müsste sich langsam
seiner Rückkehr zukehren. Er ist der Meinung, sich lange genug am Ort,
den er für eine Erholungszeit gewählt hat, aufgehalten zu haben. Nun
ist er auf dem Weg der Rückkehr, er nimmt gewissermaßen Anlauf zur
Rückkehr, und damit kehrt er seinem Aufenthaltsort auch schon den
Rücken zu. Mit anderen Worten: Er befindet sich jetzt auf der Hinkehr
nach seinem Zuhause, er kehrt seine Aufmerksamkeit seinem Zuhause zu.
Dafür steht ihm viel Zeit zur Verfügung, denn die Hinkehr dauert sehr
lange. Diese Zeit verwendet er dafür, Erinnerungen aufzufrischen. Er
versucht zum Beispiel, sich zu erinnern, wie er sich die Erholungszeit
seinerzeit vorgestellt hat. Er kommt dabei zum Schluss, dass sich diese
Vorstellung mit der erlebten Wirklichkeit nicht deckt. Er hat dort ganz
andere Tätigkeiten als die vorgenommenen ausgeübt. Auch ist die
Erholungszeit viel langsamer verstrichen, als er sich vorgestellt
hatte. Er hat auch nicht damit gerechnet, dass sich sein Zuhause
während der Erholungszeit mit neuen Dingen verstellt haben könnte. Dies
führt dazu, dass das Zuhause noch viel weiter entfernt zu liegen kommt,
als es geographisch schon entfernt liegt.
Nun ist er am Ort der Hinkehr angekommen, und man könnte auch hier die
Redewendung verwenden, dass er seiner Hinkehr schon den Rücken zukehrt.
So kann er sich ganz auf die Ankunft an seinem Zuhause konzentrieren.
Dies braucht so seine Zeit, denn Franz K. stellt jetzt fest, dass sich
sein Zuhause während der Erholungszeit in seiner Wahrnehmung
tatsächlich gehörig verändert hat. Er nimmt sich die Zeit bis zu dem
Punkt, wo er sagen kann: Endlich wieder Zuhause!
|
|
|