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Rudolf Welter: Lebensentwürfe, Teil 8
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Stellenloser
Ich habe es ja kommen sehen, sagt sich der Stellenvermittler K.:
Keine Arbeit und keine Stellen mehr, also auch keine Arbeit mehr für
mich als Stellenvermittler. K. ist verzweifelt. Jetzt bin ich also ein
stellenloser Stellenvermittler. Hab' jahrelang für andere Stellen oder
Arbeit vermittelt oder hab' Menschen zusammengebracht die Arbeit hatten
und Arbeit suchten. Wer vermittelt mir jetzt eine Stelle? Gibt es eine
Stellenvermittlung für stellenlose Stellenvermittler?
Redensarten - Lebensarten?
So weit habe ich es in meinem Leben gebracht.
So weit werde ich es in meinem Leben noch bringen.
So weit werde ich es in meinem Leben gebracht haben.
So weit wird mich mein Leben noch bringen.
So weit hat es mein Leben mir gebracht.
So weit wird es mit meinem Leben noch kommen.
So weit bin ich mit meinem Leben gekommen.
So weit hat es mich in meinem Leben gebracht.
So weit werde ich es meinem Leben noch bringen.
Bettlägeriger
Ein Fenster, durch das der Blick von links nach rechts pendelt. Vom
Fenstersturz nach unten zur Sims. Sich wandelnde Minibilder: Wolken
ziehen vorbei, der blaue Himmel als Rechteck oder als schwarze Fläche
mit Lichtreflexen, grelle Sonnenstrahlen, manchmal das Bild von draußen
verschleiernd. Hinten am Bett die aufgezeichnete Fieberkurve des
Patienten und ein kleiner Wechselrahmen mit Bildern von seinen lieben
Angehörigen. Radionweisses Bettzeug, für Nichtpatienten sind es nur
harmlose Kissenberge, überdacht fachmännisch angepasstes
Seilzuggestänge (Beinbruch). Einzelne Patienten sind von Besuchern
eingerahmt, andere können Stühle abgeben.
Bar- und Motelbesitzer Cordini
Gerlach: kleine Ortschaft in Nevada. Du liegst zwischen zwei
ausgedehnten Wüstengebieten, auf etwa fünftausend Fuß über dem
Meeresspiegel. Eine Eisenbahnlinie kommt von Osten her aus der Wüste
und verschwindet in der Wüste nach Westen. Die Güterzüge halten nie an
deiner Station, sie wüssten nicht, warum sie anhalten sollten. Nach
Reno sind es etwa hundert Meilen, nach Cederville im Norden etwa
neunzig Meilen. Welche Beziehungen hast du zu Ortschaften im Osten und
Westen?
Cordini fand seinen Weg zu dir von Italien, ist in deiner oasenhaften
Üppigkeit hängen geblieben und betreibt jetzt eine Bar und ein Motel.
An einem großen, langsam zu Blindheit verkommenden Spiegel über der Bar
klebt ein Poster, auf dem geschrieben steht: Hunger and no work, eat an
environmentalist.
Manchmal kannst du in der Wüste kleine Twisters sehen, deine Bewohner
nennen sie rührig "Wyrligiggs", die nicht von oben aus den Wolken
fallen, sondern an heißen Tagen sich von unten nach oben aufbauen, sich
dann vor-, rück- oder seitwärts bewegen, wo immer sie der Wind haben
will. Wenn ihnen die Energie ausgeht, zerfallen sie, die winzigen
Sandkörner auf der Sanderde lautlos aufschlagend.
Alle paar Jahre belebt sich die Wüste mit einem sportlichen Ereignis:
Geschwindigkeitssüchtige Auswärtige jagen sich mit ihren
düsengetriebenen Gefährten über die Oberfläche und wollen die
schnellsten erdgebundenen Menschen auf unserer Erde sein. Dann belebt
sich auch jeweilen die Bar des Italieners. Dort kann man dem lärmigen
Ereignis zuhören, die Düsenmotoren versprühen nach hinten und dann
durch Echos in alle Himmelsrichtungen auf- und abschwellende Heul- und
Donnergeräusche, als wär' die Hölle auf Erden eingekehrt. Dann ist es
wieder so still, dass man selbst das lautlose Zerfallen der Twisters
überhört. Dafür werden die Augen wieder beansprucht, wenn sich abends
am Himmel Gemälde bilden, vielfarbige, ständig wechselnde
Wolkenansammlungen, die in den Fenstern der Häuser von dir, an deinen
Wassertürmen, an den an der Station wartenden Zisternenwagen oder in
den Swimmungpools deiner reichen Bewohner widerspiegeln.
Gerlach, Nevada, du kommst mir vor wie ein Satellit, der auf rund
fünftausend Fuß zwischen nahe gelegenen Wüstengebieten und weit
entfernten Ortschaften unnahbar, ungestört und zeitlos seine Runden
dreht.
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