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Rudolf Welter: Lebensentwürfe, Teil 5
Hallo, ich heiße Hartmut Hinderer,

bin von Beruf Zukunftsbilderentwerfer. Ich entwerfe für andere Menschen Zukunftsbilder, die sie sich selbst niemals vorstellen können oder zutrauen würden. Ich bin sozusagen ein Allerweltszukunftszauberer. Ich besitze eine Trickkiste, in denen sich Zutaten befinden, die sich zu schillernden und strahlenden Visionen kombinieren lassen.
Meine Kundschaft hat in den letzten Jahren stark zugenommen, weil die 'Erlernte Hilflosigkeit' in unserer Gesellschaft rapide überhand genommen hat. Ich nutze diese Hilflosigkeit geradezu unverschämt aus. Ohne sie könnte ich nicht leben, das heißt Geld verdienen. Noch mehr: Mir liegt sehr viel daran, die Hilflosigkeit meiner Kundschaft aufrechtzuerhalten oder lieber noch zu steigern durch meine Tätigkeit als stellvertretender Entwerfer von Zukunftsbildern. Am Besten gelingt mir dies, wenn ich immer nur ein Zukunftsbild pro Kunde abliefere und erkläre, dass dies das Beste sei, was ihm - dem Kunden - in Zukunft geschehen könne.
Mir liegt natürlich überhaupt nichts daran zu erfahren, ob der Kunde mein Bild akzeptiert: Ob er es nach einer Überprüfung nur als Bereicherung seiner Bildergalerie aufhängt oder ob es alle anderen Bilder von den Wänden verdrängt. Hauptsache, meine Bilder wirken. Und das tun sie offensichtlich, wie dies in zahlreichen Briefen, die ich erhalte, angedeutet wird:


Lieber Herr Hinderer

Da haben Sie mir ja etwas Schönes eingebrockt mit Ihrem Bild! Wie stellen Sie sich eigentlich vor, wie ich dorthin gelangen kann, wo Sie mich haben wollen? Haben Sie sich überlegt, wo ich die Mittel hernehme, um auf diese lange Reise zu gehen? Meine Familie war ganz entsetzt, als ich ihr Ihr Bild vorgestellt habe. Das passt überhaupt nicht zu dir, sagten alle spontan. Und warum ich mich denn lösen solle vom jetzigen Leben, es gehe doch gut, meinten sie. Ich solle Sie doch einmal fragen, was denn der Sinn sei, solche Gespinste für andere Menschen auszudenken. Dieses Nachfragen werde wahrscheinlich weitere Auslagen nach sich ziehen, sagte ich ganz verzweifelt. Stimmt das wohl, Herr Hinderer?
Geben Sie mir doch diesbezüglich gelegentlich eine Antwort, vielen Dank.


Mit freundlichen Grüssen P.K.


Sehr verehrter, lieber Meister


Vielen herzlichen Dank für das Geschenk meines Lebens, das Sie mir mit der Überreichung Ihres Meisterwerkes gemacht haben. Wie Sie nur in meine tiefsten, geheimen Sehnsüchte eindringen können und dies aus so weiter Ferne! Wie Sie sich nur in meiner Seele nach verborgenen oder verschütteten Wünschen und Visionen umsehen können. Ach, es ist so aufregend! Und wie Sie formulieren können! Da wird mir alles so klar, so durch- und einsichtig. Warum bin ich selber nicht schon lange auf dieses Wunschbild gekommen? Aber dafür sind Sie ja da, großer Meister. Sie müssen wohl ein ganzes Visionenvorratslager haben, auf das Sie zurückgreifen können, ist das so? Ich kann Sie versichern, dass ich bei Ihnen wieder ein Bild bestellen werde, sobald das jetzige seinen Glanz verloren hat, sprich, keine Wirkung mehr zeigt. Ich werde Sie bei all meinen Freunden weiterempfehlen.

Ihre  F.Z.


Herr Hinderer

Ich kann es kaum glauben. Da zahle ich Fr. 5000.- für ein Zukunftsbild und was kriege ich: Einen Helgen, den auch ich hätte herstellen können. Sie trauen mir ja überhaupt nichts zu, das Bild gleicht ja fast aufs Haar den Bildern, die schon in meiner Galerie hängen, wenn ich das so ausdrücken darf bzw. wenn Sie wissen, was ich meine. Ich möchte deutlich werden: Die ganze Übung bedeutet für mich eine reine Geldverschwendung. Sie bringt mir überhaupt nichts Neues, im Gegenteil. Sie machen mir mein jetziges Leben zur Hölle, weil mir nun noch deutlicher geworden ist, in welcher langweiligen, trostlosen Lage ich mich befinde. Kann ich Ihnen das Bild wieder zurückgeben oder es umtauschen? Wie kann ich Ihr Bild aus meinem Leben ausradieren? Bitte lassen Sie etwas hören von sich, die Aktion hat mich völlig hilflos gemacht.

Gruß K.F.U.


Sehr geehrter Herr Hinderer

Ihr geniales Bild, das mich in die Zukunft weisen soll, hat mich tief beeindruckt. Ich denke aber, den Fehler meines Lebens begangen zu haben, dass ich bei Ihnen ein Zukunftsbild in Auftrag gegeben habe. Es hat mich ganz durcheinander gebracht. Wie konnte ich mich nur so lange treiben lassen von fremden Kräften, selbst nichts zu meinem Leben beitragen, keine eigenen Visionen einbringen? Und da kommt das von Ihnen mir zugeschriebene Bild! Welche Welten gehen da auf, welche Fluggeräte trauen Sie mir da zu! Aber Sie können ja nicht wissen, dass ich furchtbare Angst vor dem Fliegen habe. Früher war das anders, da hätte ich mich noch in eine Ihrer vorgeschlagenen Flugkisten gewagt, hätte Berge und Täler überfliegen mögen. In meiner Hilflosigkeit und Verzweiflung habe ich nun das Bild in einer mit einer dicken Stahlverschalung versehenen Kiste im Keller versenkt. Dies nützt aber alles nichts, das Bild verfolgt mich überall hin und ätzt eine Spur in meinen Lebenslauf; es macht mich noch krank!

Trotzdem, mit freundlichen Grüssen F.Z.




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