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Post aus Perturbistan 6: Frau Polanska
Lothar Eder, Mannheim (perturbistan@web.de):


Die älteren unter uns erinnern sich sicherlich noch an die Institution der Zugeh-Frau. Die Institution gibt es heute noch, nur – wie so oft - : die Benennung hat gewechselt. Heutzutage hat man eine Putz- oder Haushaltshilfe. Damals wie gesagt, gab es eine Zugeh-Frau und unsere Zugeh-Frau (die nur ausnahmsweise kam, da meiner Mutter krank war, ansonsten war solcher Luxus in unserer Familie nicht üblich) hieß Frau Walker. Nein, nicht Frau Woooka, sondern Walker, wie mans schreibt. Keine Ähnlichkeit mit Herrn George W. („Wooka“ oder „dabljuh“) Bush., weder namensmäßig noch physiognomisch. Nebenbei: auch Herr Möllemann nannte sich Jürgen W:, Jürgen Wooka Möllemann ? Nein, wahrscheinlich einfach W. für „Walter“ oder "Wilhelm" und damit wollen wir es mit den Herren für heute bewenden lassen.
Frau Walker wie gesagt war eine Zugehfrau und für meine damaligen Ansichten von der Welt - ich war etwa 5 Jahre alt - :alt.

Lange haben die Fragen mein Gewissen zerfurcht: darf man das, ist es moralisch einwandfrei, political correct?, haben alle möglichen Gegenstimmen in mir gewütet und geschrien: Du Ausbeuter, du Zementierer der traditionellen Geschlechteraufteilung, du ich weiß nicht was.

Frau Polanska wusste und weiß nichts von meinem seelischen Grimmen. Sie kommt einfach einmal pro Woche, reinigt meine Wohnung, bügelt meine Hemden und räumt das Geschirr aus dem Geschirrspüler regelmäßig in die falsche Abteilung des Schrankes. Ich lege ihr dafür Bares auf die Kommode und wenn ich nach Hause komme, ist ein Großteil meiner Verunreinigungen entfernt und ebenso das Geld auf der Kommode.

Frau Polanska kommt nicht aus Deutschland, das kann man schon am Namen hören und eigentlich will ich nicht sagen woher genau, aber auch dies verrät der Name und natürlich weiß ich, dass ich damit ein weiteres Klischee bediene, jedenfalls: Frau Polanska spricht nicht sehr gut deutsch. Das ist verständlich, wenn auch für die Verständigung hinderlich, aber schließlich spreche ich die Sprache des Landes, aus dem Frau Polanska kommt auch nur sehr dürftig um nicht zu sagen überhaupt nicht. Wenn ich zufällig zu Hause bin, wenn Frau Polanska da ist - was nicht sehr oft der Fall ist, ich gehe einer geregelten Tätigkeit nach - , wenn ich aber zu Hause bin, höre ich wie der Schlüssel sich im Schloss dreht, die Türe hinter Frau Polanska zuschlägt und sie ihre Sachen im Flur ablegt. Ich gehe Ihr dann entgegen, schließlich ist man höflich zu Gästen und begrüße sie. Frau Polanska lächelt freundlich und wünscht mir einen guten Tag, lässt sich dann nicht weiter stören, fischt sich das Bügelbrett (sie beginnt immer mit Bügeln, das habe ich schon herausgefunden) und vertieft sich in ihre Tätigkeit. Auch der weitere Ablauf ist mir von längeren Aufenthalten zu Hause bei gleichzeitiger Anwesenheit von Frau Polanska geläufig, muss aber hier nicht detailliert geschildert werden.

Gelegentlich gebe ich Anregungen oder äußere Wünsche, etwa, wo ich die Deckel von Tupperware-Aufbewahrungsdosen oder den Teefilterhalter nach Polanska-Tagen wiederzufinden hoffe. Frau Polanska lauscht freundlich lächelnd meinen ebenso in Freundlichkeit eingewickelten Anweisungen, nickt und sagt mit dem bezaubernden Akzent ihrer Herkunftssprache „gut“, signalisiert dann aber, dass sie nicht weiter gestört werden möchte und entschwindet zum Bügelbrett. Ich verlasse das Haus und lasse Frau Polanska ungestört von meiner Anwesenheit bügeln und putzen und, wie ich nach hoffnungsreicher Heimkehr regelmäßig feststellen muss, Tupperware-Aufbewahrungsdosen-Deckel an immer wieder neuen Stellen verstecken.
Dies ist kein Beitrag zur Völkerverständigung sagt eine Stimme in mir. Ärger will sich in mir breit machen und ich höre mich Frau Polanska eine unfreundliche Ansprache halten über die korrekte Aufbewahrung von Tupperware-Aufbewahrungsdosen-Deckeln und Zeitökonomie und dass ich nach einem anstrengenden Tag und dem Honorar das ich ihr bezahle ja wohl erwarten könne, meine Deckel dort vorzufinden wo ich sie vorzufinden erwarte und schließlich seinen wir hier nicht in dem Land wo Frau Polanska herkomme.

Natürlich tue ich dies nicht, denn es wäre der Völkerverständigung nicht zuträglich, zudem ausländer-, frauen- und ichweißnichtwasfeindlich.

Aber im Traum, da tritt Frau Polanska zu mir und küsst mich auf die Stirn und sagt mit dem unwiderstehlichen Akzent ihrer Heimatsprache „komm“, „komm“, sagt sie „und schau“ und dann führt sie mich in die Küche und zieht eine Schublade auf und in der sind all meine Tupperware-Aufbewahrungsdosen-Deckel, genau da wo sie hingehören und so ordentlich nach Farbe und Größe geordnet. „Schau“, sagt sie und „schejn?“. „Ja“, sage ich, „es ist säärr schejn, aber .... ich weiß nicht, nein, es ist sehr schön und diese Ordentlichkeit, aber ich glaube, anders ist es mir lieber. Verstehen Sie es nicht falsch, Frau Polanska, es muss auf Sie sehr widersprüchlich wirken, ich meine nicht es, sondern ich und es macht mir einmal mehr die Fülle meiner inneren Ambivalenzen deutlich, aber bitte, Frau Polanska, machen Sie wieder wie früher, ich meine, verstecken Sie doch mal wieder was oder vergessen Sie hinter dem Schrank zu putzen oder schmeißen Sie doch mal wieder einen Teller kaputt.“ „Gut“ sagt Frau Polanska im hinreißenden Akzent ihrer Heimatsprache und sie nickt freundlich lächelnd dazu. Ich weiß, jetzt ist alles gut und dann wache ich auf. Steige aus dem Bett, suche meine Hausschuhe, gehe in die Küche und sehe nach den Tupperware-Aufbewahrungsdosen-Deckeln. Finde sie nicht dort wo sie hingehören. Beruhigt gehe ich wieder ins Bett. Aus.

(Zuerst in der Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung erschienen, der an dieser Stelle für die
freundliche Zustimmung zur Veröffentlichung gedankt sei).




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