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Post aus Perturbistan 4: Rice
Lothar Eder, Mannheim (perturbistan@web.de):


Mit Reis? fragt der Kellner und ich sage nein, kein Rice, korrigiere mich aber gleich, jaja, doch Reis, nein keine Nudeln, ich bleibe beim Reis, jawohl: Reis als Beilage. Der Kellner schaut mich ein wenig mitleidig an, ich versuche mit einem entschiedenen Zusammenklappen der Karte den Eindruck meiner Zerstreutheit wieder gut zu machen, strecke sie ihm noch entschiedener hin, verbinde dies mit einer gespielten Lässigkeit, will sagen, schau her, ich habe die Dinge im Griff, ich kann entscheiden, ich weiß was ich will und ich kann dabei lächeln, das Lächeln einer Dogge bevor sie Dich anspringt, die geweiteten Augen, die hochgezogenen Lefzen, das Fletschen der Zähne – her mit dem Pedegree oder Du kommst in den Napf!
Der Kellner entschwindet Richtung Küche. Wäre Ernst jetzt dabei, ich könnte ihn fragen, Ernst, wie war ich? Souverän wie immer würde Ernst wahrscheinlich antworten, aber was genau meinst Du? Doch Ernst ist heute nicht dabei und so bleiben mir nur innere Dialoge und wieder der Blick in die mitgebrachte FAZ, Seite 3, Joschka bei Condoleezza Rice.
Condoleeeeeeeezza! Warum nur denke ich bei diesem Namen immer ans Kondolieren? Condoleezza Rice sieht nicht aus wie eine Bestattungsunternehmerin. Yes, we understand you, kann sie sagen und ich kann mir vorstellen, sie sagt es oft, aber sie sagt es mit diesem lächelnd-knurrenden Drohton der Dogge, wir verstehen Dich, aber mach was wir wollen oder Du hast Dir die Konsequenzen selbst zuzuschreiben. Kein Fall für Trauerfälle, nicht für bereits stattgefundenhabende, die nach Empathie verlangen, allenfalls für noch bevorstehende: if they don't cooperate, then - you know what I mean? Arf!
Auf dem Foto sieht man Condoleezza nur im Hintergrund und ihre Backen hängen nichtlächelnd nach unten und vorne sieht man den Schwellkopf vom dicken Joschka und gemein wie die FAZ nunmal ist, hat sie unten im Text ein weiteres Bild eingefügt und da sieht man den beschwingt-geschmeidig-joggingschlanken Joseph Fischer, wie er 1998 behend mit Madelaine Albright parlierte. Wie oft der dicke Joseph wohl noch als deutscher Außenminister nach Amerika fliegen wird?
Es ist Juni 2005 und Schrödi und Münte haben das Ding mit den vorgezogenen Neuwahlen losgetreten und dabei am Abend der Landtagswahl in NRW gewirkt wie zwei Jungs, denen jetzt am Abendessentisch nicht mehr ganz so wohl ist mit dem Tausch des ferngesteuerten Autos, das der Papa ihnen letztens geschenkt hat, gegen die Autoquartettkarten und dabei haben sie vor Stunden noch im Sandkasten sich gegenseitig überboten mit Ausrufen wie boaahh schauma der hier 12 Zylinder und 350 PS und wie der ausschaut soeinwillichmafahrnwennichgroßbin und gemeint, sie hätten einen coolen Deal gemacht, die beiden, boahh ey.
Auf dem Foto jedoch späht Joseph Fischer jeden Zweifels enthoben in die Runde - hat man ihn je anders gesehen? - was soll die Frage, sagt sein Gesicht, natürlich hau ich die 38 Kilo zuviel wieder runter und wenn Sie mitlaufen wollen, stehen Sie schon mal früher auf, hähä, und wer sagt hier ich sei ein Junkie? Abseits, ernsten Blickes, in vorweggenommer Kondolenzhaltung aber steht: Condoleezza, und hinter ihrer Stirn scheint es zu sagen: letzte Runde, mein Lieber und dann wird bezahlt.
Und was wird es demnächst geben - weiterhin Rice mit Joseph oder Rice mit Guido, oder mit Wolfgang? Ich lasse die zwei Liberalen ein wenig schaulaufen vor meinem inneren Auge. Ja, Wolfgang Gerhardt zeigt sich eindeutig als der staatsmännischere der beiden, dunkler Anzug, strahlweißes Hemd, korrekte Krawatte, die Hände tatkräftig-jovial ineinander gelegt, heitere Zuversicht im Blick, das Kinn nach vorne gereckt, so einen können wir über den Atlantik schicken, Condoleezza zur Freude und zum Fraß. Yes, Wuuulfgäng, I understand you, but you have to send troops to Iraq! Ahhh, sure, sagt Wuuulfgäng, I mean no, aahhm, I mean I have to phone with Angie first. Okay, go ahead, sagt Condoleezza, reicht ihm ihr Mobiltelefon, und wieder lächelt sie so.
Und Guido? Verschmitzter Hallöchenhierkommteuerguido-Blick, der sich nicht zwischen Loveparade und Deutscher Juristentag entscheiden kann, gepresste Lockerheit und irgendwie scheinen da immer noch die lausige 18 Prozentnummer und der am Boden zergatschte Fallschirmspringer Möllemann im Hinterkopf zu sitzen. Im Guidomobil zu Condoleezza? Nice to meet you, Guido, so – you got a car? That don't impress me much. I see, you got the moves, but have you got the touch? Sorry, Condoleezza, höre ich Guido sagen, aber, you know, I'm the other way round if you know what I mean. Ahaaaah, macht Condoleezza, und wieder hat sie diese nichtlächelnden Kondolenzbacken und schaut mitleidig gen Guido. Dann aber lächelt sie und die Augen weiten sich. Yes, we understand you, sagt Condoleezza, und ihre Äuglein blitzen, don't worry, we can help you.
Mein Essen kommt. Mit Reis. Und dann war da ja noch, genau, die kommende Bundeskanzlerin, die dann im Bundeskanzlerinnen- und –kanzleramt residieren und – innen wird! Angie! Ahhhhhh-Aaaaiiinnnngieeeeee! You can't say we're satiesfied! Sag mir, Angie, when will those dark clouds disappear? Zumindest die Frage Stones oder Beatles ist für heute geklärt, erhaschen meine Gedanken wenigstens einen kleinen Zufriedenheitszipfel.
War der Reis nicht in Ordnung, fragt der Kellner mit Blick auf meinen halbvollen Teller. Doch, dochdoch, mache ich, alles okay, danke, und kaufe mich mit einem viel zu hohen Trinkgeld frei. Aus
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