Lothar Eder, Mannheim (perturbistan@web.de):
Zwei Gäste sitzen gemeinsam am Tisch des Restaurants, das Essen steht vor ihnen, verzehrbereit.
Gast 1 niest, es reißt ihn kräftig, er kann sich nicht früh genug abwenden und so nimmt alles eine falsche Richtung.
Gast 2 (vorwurfsvoll) : Sie haben mir ins Essen gehustet!
Gast 1: Das stimmt nicht.
Gast 2: Also, das ist ja wohl unglaublich, gerade eben haben Sie mir auf den Teller gehustet, und das streiten Sie noch ab!
Gast 1: Ja, tue ich, ich habe Ihnen nicht auf Ihren Teller gehustet.
Gast 2: Ich weiß nicht was ich sagen soll, schauen Sie doch hier, die
Bröckchen in der Soße, die gehören da nicht hinein, die haben Sie
hineingehustet.
Gast 1: Habe ich nicht.
Gast 2: Haben Sie wohl, ich habe Zeugen, z.B. der Herr da am Nachbartisch.
Gast 1: Nun ziehen Sie doch keine unschuldigen Leute da mit hinein, das ist ja widerlich.
Gast 2: Ich will Ihnen sagen, was widerlich ist, das sind Ihre Hervorbringungen da auf meinem Teller.
Gast 1: Streit ich doch gar nicht ab.
Gast 2: Also jetzt schlägst aber Dreizehn. Natürlich haben Sie's
abgestritten, gerade eben haben Sie noch gesagt, Sie hätten mir nicht
auf den Teller gehustet.
Gast 1: Hab ich auch nicht.
Gast 2: Ja, was jetzt, einmal haben Sie , einmal haben Sie nicht, das ist ja zum verrückt werden.
Gast 1: Ich habe nicht gehustet, ich habe geniest, man muss schon bei der Wahrheit bleiben.
Gast 2: Als ob das einen Unterschied machen würde.
Gast 1: Machte.
Gast 2: Wie machte? Macht!
Gast 1: Nein, machte. Es heißt nicht machen würde, es heißt machte, das ist der korrekte Konditionalis.
Gast 2: Das ist mir doch völlig wurscht.
Gast 1: Das hab ich mir gleich gedacht. Als ich ins Lokal kam, und es
war nur noch der eine Platz an Ihrem Tisch frei, hätte ich meinem
Gefühl folgen sollen und wieder gehen. Mit Leuten wie Ihnen bekommt man
nur Ärger.
Gast 2: : Also, das ist wirklich unfassbar, erst husten Sie mir...
Gast 1: Noch einmal, ich habe geniest, nicht gehustet, Sie müssen schon exakt bleiben.
Gast 2: Husten, Niesen, das ist doch egal, das Essen ist verdorben...
Gast 1: Meinethalben, aber es ist nicht etwa durch mein Husten
verdorben, sondern durch mein Niesen. Genauer gesagt, auch nicht durch
mein Niesen an sich, sondern nur dadurch, dass die Heftigkeit des
Niesens mit keine Gelegenheit ließ...
Gast 2: Jetzt will ich Ihnen mal was sagen, das interessiert mich überhaupt nicht, Ihre Bröckchen schwimmen in meiner Soße...
Gast 1: Das ist bedauerlich.
Gast 2: Das ist bedauerlich? Das ist eine Sauerei!
Gast 1: Da haben Sie jetzt auch wieder recht. Ich werde Ihnen ein neues Essen bezahlen.
Gast 2: Jetzt habe ich keinen Hunger mehr!
Lets study this phenomenon, sagte Frank Zappa auf der 1974er Live Platte Roxy and
Elsewhere, und da Sie im Moment offenbar ohnehin nichts besseres vorhaben, als
schwachsinnige Texte wie diesen hier zu lesen, können Sie mit mir
zusammen genau so gut dieser Empfehlung folgen. Viele gescheite
Menschen sind ja schon tot (wie Frank Zappa), so auch Niklas Luhmann.
Was hätte er gesagt zu diesem Dialog? Fragen wie ihn einfach:
Per Turbistan: Herr Luhmann, dürfen wir Sie mal stören?
Luhmann: Wer ist wir?
PT: Ich und die Leser.
Luhmann: Meinetwegen, wenn es sein muss, aber machen Sie's kurz.
PT: Also, dieser Wirthausdialog von eben, da würde ich Sie gerne mal ein paar Sachen fragen, so aus Ihrer Sicht.
Luhmann: Haben Sie schon mal was davon gehört, dass man die Toten ruhen lassen soll?
PT: Ja, schon, aber ich dachte, Sie haben doch immer so schöne Sachen gesagt, so zu Kommunikation und so.
Luhmann: Muss ich mich jetzt nach meinem Ableben immer noch um diese
Scheiße kümmern; könnt Ihr Arschlöcher mich nicht endlich in Ruhe
lassen mit Eurer ständigen Kommunikation? Lesen Sie meine Bücher, da
steht doch alles drin.
PT: Das hab ich ja versucht, aber, also wenn ich ehrlich bin.
Luhmann: Machen Sie's kurz; Mann.
PT: Also wenn ich ehrlich bin, hab ich nicht so viel verstanden.
Luhmann: Das hab ich gerne, zu doof, um meine Bücher zu lesen, und dann blöde Fragen stellen.
PT: Aber Herr Luhmann, Sie gehen ja richtig aus sich heraus!
Luhmann: Hauen Sie ab, Mann, und machen Sie die Tür hinter sich zu, wenn Sie gehen.
Also, das war ja jetzt, hätte ich gar nicht gedacht von dem Luhmann.
Ja, was machen wir denn da jetzt? Was, Sie meinen, ich soll diesen
Dialog analysieren? Welchen, den ersten oder den zweiten? Den ersten
natürlich? Wieso natürlich? Sie haben Dialog gesagt, ohne näher zu
spezifizieren, ob Sie den ersten oder den zweiten meinen. Und
überhaupt: Wieso muss ich hier eigentlich die ganzen Arbeit machen, Sie
wissen doch auch was über Kommunikation. Oder reichts mal wieder nicht?
Zur Not können Sie ja ein wenig Luhmann lesen. Wenn Sie ihn verstanden
haben, sagen Sie mir Bescheid, ich geh jetzt was essen, hoffentlich ist
beim Italiener noch ein Tisch frei. Aber nicht so nah am Fenster, wenn
ich erkältet bin, vertrage ich keinen Zug. Aus.
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