Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Nicolas Sarkozy: Wie ich mal beim Formulieren half
|
Liebe Leserinnen und Leser des systemagazin,
Ich bin erfreut über die Einladung und Ehre, zum systemagazin-Adventskalender beitragen zu dürfen. Natürlich erreichen mich täglich Tausende solcher Anfragen, aber Sie werden verstehen, dass ich nicht vor jedem beliebigen Publikum meine persönlichen Gedanken ausbreiten kann. Dem diesjährigen Thema des systemagazin-Adventskalender konnte ich jedoch nicht widerstehen. Vor allem bin ich très très froh, dass ich an dieser Stelle einen ausländischen homme de bien endlich ins rechte Licht stellen kann, der, wie vielen von Ihnen bislang noch nicht bekannt sein dürfte, maßgeblich an der Öffnung der Mauer mitgewirkt hat - nämlich mich. Doch wer bin ich, dass ich solches behaupten kann? Nun, die meisten von Ihnen werden mich bereits in meiner Eigenschaft als Kofürst von Andorra bzw. Al Gatten von Carla Bruni kennengelernt haben, die schon mal mit Mick Jagger sie wissen schon, aber bei den besser Informierten dürfte sich allmählich herumgesprochen haben, dass ich seit dem 16. Mai 2007 auch nebenberuflich als Präsident von Frankreich tätig bin. Viele Menschen nicht nur aus meiner eigenen Partei finden, dass ich eine wirklich große Persönlichkeit bin, auch wenn man mir das nicht immer auf den ersten Blick ansieht (z.B. auf den Bildern meines Hoffotografen Jean Bamin). Um den Historikerstreit über die Größe von Napoleon Bonaparte ein für allemal beizulegen, habe ich in einem ersten Edikt meiner Präsidentschaft verfügt, dass Napoleon auf jeden Fall kleiner gewesen ist als ich. Na sagen wir unbedeutender. Aber das nur nebenbei. Denn eigentlich wollte ich ja von der Mauer erzählen. Mon Dieu! Jeder Mensch in Allemagne weiß ja nun, dass ich als Erster am 9.11.1989 begonnen habe, mit einer Spitzhacke die Mauer zu zerlegen, und zwar von der Ostseite Berlins, wie zahlreiche Fotos belegen. Als zukünftigem Präsidenten eines Volkes, dass 200 Jahre zuvor das ancien régime auf den Abfallhaufen der Geschichte geworfen hat, hat mich damals schon gewundert, dass die Deutschen nicht von selbst auf diese Idee gekommen ist. Wahrscheinlich haben alle auf eine Abrissgenehmigung gewartet. Allons enfants! So lag es an mir, ein wenig Entwicklungshilfe zu leisten. Und wie Sie sehen, hat meine Initiative solchen Erfolg gehabt, dass mittlerweile von der Mauer gar nichts mehr zu sehen ist. Das ist aber nur die eine Hälfte der Geschichte. Wovon nämlich das deutsche Volk bis heute nicht weiß, ist mein bescheidener Beitrag zur Öffnung der Mauer selbst. So inkompetent die Führung der DDR im November 1989 auch gewesen sein mag - eines muss man ihr lassen, sie hatte eine ausgesprochen gute Intuition für die Dynamik der Weltgeschichte. So hatte der am 18.10.1989 zum Generalsekretär des ZK der SED aufgestiegene Egon Krenz als einer der wenigen schon früh meine zukünftige weltpolitische Bedeutung erkannt, obwohl er mich um einige cm überragte. Jedenfalls rief er mich, der ich mich damals als Bürgermeister von Neuilly-sur-Seine auf meine zukünftigen weltpolitischen Aufgaben vorbereitete, in den entscheidenden Wochen vor der Maueröffnung fast täglich an und bat um Rat. Da er leider kein Französisch konnte, appellierte ich an ihn auf deutsch: „Mr. Krenz, tear down this wall“, worauf er offensichtlich sehr nachdenklich wurde und versprach, die Angelegenheit mit seinen Genossen zu durchdenken. Am 9. November bekam ich Anrufe von einem gewissen Monsieur Chabowsky aus Berlin, der im Auftrag von Monsieur Krenz um Formulierungshilfen für eine Pressekonferenz zum Thema Reisefreiheit bat - eine Anfrage, die mich ehrlich gesagt etwas verwirrte, da die DDR aus meiner Sicht eine bemerkenswert unfreie Presse hatte, um die ich sie in meiner zukünftigen Position als Präsident noch beneiden würde - wo braucht man dann noch Formulierungshilfen? Jedenfalls half ich nach Rücksprache mit meiner Sekretärin, die einen Deutschkurs belegt hatte, mit dem Vorschlag: „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich“. Wie Sie wissen, ist diese Formulierung dann auch nicht nur weltberühmt geworden, sie hat auch das deutsche Volk vereinigt: voilà - Näheres entnehmen Sie bitte meiner zukünftigen Autobiografie! |
|
|