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Cornelia Hennecke: Vom Glück lässt sich leichter erzählen
Die gelebte/erlebte Zeit im Deutschland nach dem Fall der Mauer füllt inzwischen etwa zwei Drittel der Zeit, die ich zuvor als Bürgerin der DDR, als Kind, Jugendliche und Erwachsene gelebt habe. Die Unterscheidung von vor 1989 und danach wird wohl nicht mehr aufhören, einen in meinem Leben mehr oder weniger bedeutsamen, aber immer mal wieder auftauchenden und letztendlich auch für die Entwicklung meiner Identität wesentlichen Unterschied zu markieren.
Bis 1989 konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass es diese Mauer, die ich überwiegend in Berlin erlebt habe, nicht gäbe. Wenn meine Mutter jenseits ihres 30. Lebensjahres immer mal Geschichten darüber erzählte, wie sie 1953 im Westberliner KDW ihren ersten Wintermantel vom selbstverdienten Geld erworben hat oder ein Freundinnenplausch im Cafe Kranzler und ein Kinobesuch auf dem Kudamm zu einem Berlinbesuch eben dazu gehörte, kam mir das früher immer ein bisschen wie die Erzählung der Märchentante vor. Heute bin ich dann selbst die Märchentante, wenn ich z.B. meinen Neffen (1991 und 1993 geboren) von „damals vor 1989“ erzähle.
Der 9. November 1989 verlief eigentlich ziemlich unspektakulär: als seit 1981 diplomierte Psychologin war ich inzwischen 31 Jahre alt und zu einer  „Fachpsychologin der Medizin“ ausgebildet. Am 11. November ’89 hatte ich gerade eine Spätsprechstunde in der psychiatrischen Ambulanz des Griesinger Krankenhauses in Berlin hinter mir. Ich wollte an diesem Abend noch meinem Vater einen kurzen Besuch abstatten, während meine Mutter sich gerade als frisch gebackene Rentnerin das erste Mal bei Freunden (und vor 1961 Nachbarn) in Bremen aufhielt. Auf dem Weg ins Berliner Umland hörte ich dann in meinem Trabant Kombi die Nachrichten mit dem legendär gewordenen, ‚angeblichen’ Versprecher von Günter Schabowski. Ich erinnere mich, dass wir ähnlich ‚gebannt’ vor dem Fernseher saßen wie später erst wieder am 11.9.2001. Eigentlich war das alles nicht zu fassen …
Ich gehörte nicht zu denen, deren Weg dann in dieser Nacht nach Westberlin führte. Das passierte erst am 11. November 1989 und ich erinnere mich an eine Fülle unterschiedlichster Erlebnisse: nach den ersten Schritten in den Westen stand z.B. auf der Westberliner Seite der Bornholmer Brücke ein Truck, von dem (tonnenweise) Kaffeepäckchen und Bananen in die Massen geschmissen wurden. Das fand ich so beschämend, dass ich eigentlich am liebsten gleich wieder umgekehrt wäre. Als wir dann viel später das Brandenburger Tor von der für uns unbekannten Seite vor uns sahen, berührte mich dann doch die Idee sehr, eine wie auch immer – zumindest für uns Deutsche -bedeutsame Zeit mitzuerleben. Zwischen diesen beiden markierten Empfindungen gab es von nun an bis heute sehr unterschiedlich erlebte und empfundene Erfahrungen mit deutsch-deutscher Geschichte.
Was die Zeit seitdem betrifft, kann ich noch heute sagen, was meinem Grundempfinden damals entspricht: ich war alt und jung genug, Einiges aus der neuen Situation zu machen! Vom Glück lässt sich leichter erzählen als von den zahlreichen schwierigen und auch ungeheuerlichen Situationen des Anschlusses der DDR an die Bundesrepublik. Da es ja hier um einen Beitrag im Adventskalender auf dem Weg zum weihnachtlichen ‚Fest der Freude’ geht, entscheide ich mich für einige Perspektiven, wo mich das ‚Glück des rechten Zeitpunktes’ nach dem Mauerfall traf:
- Zuerst das Glück, zu denen zu gehören, die ohne großen eigenen Kraftaufwand ihre beruflichen Abschlüsse 100 % anerkannt bekamen;
- dann das rückblickend so empfundene Glück, mit der Entscheidung für eine (erst nach der Wende mögliche) systemischen Ausbildung eine gute berufliche Neuorientierung gefunden zu haben;
- was dann 1997 zum rechten Zeitpunkt zu einer Praxisgründung führte, zu deren Zweck meine ‚alte’ Studienfreundin aus dem Osten, ein gerade in Berlin angekommener Essener ‚Wessi’ und ich dann in der Tat die deutsch-deutsche Annäherung lebten, in einigen hitzigen Diskussionen so manch eine Projektion abgelöst haben und nunmehr heute auf 12 gemeinsame erfolgreiche Jahre zurück blicken;
- und auch meine Weinheimer Kollegen und eine meiner besten Freundinnen im tiefen Westen des Landes spielen bei all dem Glück eine ziemliche Rolle: zu allererst dadurch, dass unterschiedliche deutsche Sozialisation ‚im Herzen’ keinen Unterschied machte und macht. Dennoch gibt es doch immer wieder mal Momente, wo Unterschiede auftauchen. Dann erlebe ich es inzwischen als wunderbar, mit meinen Kollegen und vielen anderen die unterschiedlich empfundenen und erlebten Geschichten einfach erzählen zu können ohne das Gefühl der ‚Deutungshoheit’ von einer Seite zu haben. Unter anderem damit hatte ich wohl lange Zeit ein großes Problem.
Ich erinnere mich an einen Artikel in der taz ein paar Tage nach dem 9. November 1989 mit der Überschrift: „Die Mauer war eine riesige Projektionsfläche“. Eva Jaeggi und andere haben darin über einige Ideen zum sozialen Prozess der deutschen Teilung und dem nun nach Maueröffnung möglichen Prozess deutscher Annäherung geschrieben. ‚Gemerkt’ habe ich mir über 20 Jahre, einen Satz, der die Idee skizzierte, dass die Wiedervereinigung wohl nicht nur eine, sondern vermutlich eine zweite, dritte, vielleicht sogar vierte und fünfte Generation brauchen wird.
Auch das mag beobachterabhängig sein und es mag was dran sein an dem ‚man sieht, was man sucht’. Das Interessante bleibt, was in jeder neuen Generation eben durch diese, vielleicht ja immer nur von Zeit zu Zeit auftauchenden Unterschiede an neuen Diskussionsthemen entsteht.
Allen Lesern des systemagazin wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest und eine guten Start ins neue Jahr - was auch immer für jeden dazu gehört, um es „schön“ werden zu lassen und wo immer auf der Welt das gerade passiert (das Glück, mich seit 20 Jahren in der Welt relativ frei bewegen zu können habe ich oben noch vergessen zu erwähnen).
Und Tom, Dir besten Dank für ein weiteres Jahr unermüdlichen Engagements für ein wirklich tolles Online-Journal!
Viel Glück zum neuen Jahre.
Lassen sie uns dieses zubringen,
wie wir das vorige geendigt haben, mit wechselseitiger Teilnahme an dem,
was wir lieben und treiben.
(Johann Wolfgang von Goethe, Briefe, An Schiller, 03. Januar 1795)



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