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Vratislav Strnad: Aus dem Dunkel
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Der Fall der Berliner Mauer am 9. November vor 20 Jahren - im Gedächtnis von Vratislav Strnad, systemischer Therapeut aus Prag.
Es ist wie gestern. Seit Frühling 1989 hatte ich einige Kontakte mit deutschen systemischen FamilientherapeutInnen von beiden Seiten des geteilten Deutschland. Einige von ihnen hatte ich am internationalen Kongress der Familientherapie in Prag in 1988 kennengelernt (Dieses Treffen von ca. 1000 Leuten aus West und Ost markierte den Anfang der neuen Zeit für uns…). In den Jahren 1988 und 1989 habe ich West-Ost-Berlin dreimal besucht, was damals schon, wenn auch mit Schwierigkeiten, möglich war. Ich erinnere mich: ca. 3 Wochen von dem Mauerfall in Berlin begleiteten mich zu meiner Verabschiedung 3 westberliner Kolleginnen bis zur U-Bahn Zoologischer Garten, von wo ich, mit den Tränen kämpfend, weiter ins Dunkel des Bahnhofs Friedrichstraße gehen musste. Niemand von uns ahnte damals, dass in so kurzer Zeit alles anders sein wird. 1988, als ich das erste Mal in Berlin war, hatte ich – ebenfalls kurz vor meiner Rückreise in den „Osten“ den Film von Milos Forman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ gesehen, der nach der Vorlage von Milan Kundera gedreht wurde. Die sehr bewegte Atmosphäre im Saal hatte mich sehr berührt, weil ich mich auf einmal ganz intensiv (nicht nur in der Folgezeit, sondern bis heute überdauernd) als jemanden erleben konnte, der „nicht mehr im Dunkel leben muss“, wenn er so innig mit den Leuten (damals aus Westberlin) verbunden war. Auch wenn ich noch jahrelang im Dunkel leben müsste… Ich muss sagen, ich habe sehr schöne Erinnerungen an die Berliner KollegInnen aus beiden Teilen Berlins. Wir alle waren damals frustriert, wenn auch aus etwas verschiedenen Gründen. Und ich werde nie die Gastlichkeit, Freundschaftlichkeit und auch die Offenheit der Ostberliner vergessen (Wenn auch in Ostberlin damals mit Offenheit etwas vorsichtig umgegangen werden musste). Der wenig pompöse, zivile Charakter der bürgerlichen (Welt)Offenheit der Berliner war und ist für mich etwas ganz Spezifisches … wenn du am Abend auf der Straße unerwartet spontan ein Glas Wein mit einem Firmenleiter sowie mit einem „normalen“ Angestellten trinken kannst. So etwas kannte ich in dieser Weise nicht. Auch nicht aus Prag. In den 90er Jahren hatte ich Kontakt mit Jürgen Linke vom Berliner Institut für Familientherapie, der mich – selbst schon schwer krank – für die Leitung eines Seminars eingeladen hatte. Ich denke oft und gerne an ihn zurück, ebenso wie an die herzliche Aufnahme durch die KollegInnen aus dem BIF. Jürgen Linke hat mir auf eine sehr herzliche und persönliche Weise ermöglicht, meine Ideen eines sich nach wie vor „östlich fühlenden“ tschechischen Kollegen „ohne Angst und Schande“, wie wir Tschechen sagen, also ganz gelockert, auch den deutschen KollegInnen vermitteln zu können. Wenngleich ich vielfach international tätig bin, habe ich so etwas und in solcher Qualität wenig erlebt. Also, ich persönlich erlebe die Berliner KollegInnen als diejenigen, die mir geholfen haben, sich als Teil unserer gemeinsamen Welt fühlen zu können! … Na ja – unsere gemeinsame Welt Europa – „wo‘s zu viel Geschichte gibt“ (so ein Kommentar von Karl Tomm in Prag, 2003) - In Berlin erlebe ich nach wie vor, dass unser kleines Europa auch ein Ort sein kann, in dem man sich interkulturell gut fühlen kann, egal woher man stammt. Ein Ort auch des natürlichen, großartigen Respekts für die ungelöste Unterschiede und noch nicht überwundene äußere sowie innere Grenzen, mit denen wir als Europäer nach wie vor zu tun haben. Vielleicht klingt das billig. Aber ich bin ein Prager und ich weiß, was ich sage. Und ich weiß genau – Berlin ist nur 350 km von Prag entfernt! |
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