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Helmut Willke über Niklas Luhmann
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In welchem Zusammenhang sind Sie erstmals dem Namen, der Person oder dem Werk Niklas Luhmanns begegnet? Und welchen Unterschied hat diese Begegnung für Sie persönlich gemacht?
HW: Als junger Jurastudent in Tübingen kam ich (auch mit Hilfe von Gunther Teubner)
mit den frühen Texten von Luhmann in Berührung - den juristischen und
organisationssoziologischen Arbeiten. ich empfand diese Arbeiten als
befreiendes Gegenmodell zur juristischen Denkweise und Dogmatik und
schätze seitdem Luhmann als aussergewöhnlich unabhängigen Denker und
als Künstler innovativer Beobachtung.
Der wichtigste Unterschied: die Großthemen Recht, Staat und Politik
wurden für mich zu Ausdrucksformen gesellschaftlicher Komplexität - und
mithin ein vertieftes theoretisches Verständnis von Gesellschaft
Voraussetzung für jedes Reden über diese Themen.
Welches seiner Werke hat eine besondere Bedeutung für Sie und warum?
HW: Luhmanns wichtigstes Werk nach wie vor ist für mich "Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie“ (1984). Kern ist dort nicht
die autopoeitische Wende, sondern die fundamentale Umstellung von
Einheit auf Differenz. während Autopoiese in Selbstreferenz,
Eigendynamik, Eigenlogik etc. komplexer Systeme spätestens seit Hegel
angelegt ist, erschüttert die differenztheoretische Begründung der
operationsweise sozialer systeme alle Traditionsbestände der Moderne.
Gab es persönliche Begegnungen mit Luhmann und, wenn ja: welche sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
HW: Viele Jahre gemeinsamer Tätigkeit und gemeinsamer Leiden an der Fakultät für Soziologie der Uni Bielefeld.
Inwiefern können Mitglieder der
beratenden Professionen (Psychotherapie, Beratung, Supervision etc.)
von der Lektüre der Werke Luhmanns aus Ihrer Sicht profitieren - und
wie würden Sie die Antwort begründen?
HW: Aus meiner Sicht ist es nicht so sehr der systemische Gedanke -
den bieten viele Konzeptionen und Autoren von der Gestalttheorie bis
zum Systems Dynamics-Ansatz. Vielmehr bietet Luhmann den beratenden
Professionen Vorbild und Anforderung an begriffliche Klarheit,
Unbestechlichkeit der Beobachtung und Tiefgang der gedanklichen
Durchdringung eines Problems wie kaum ein anderes Gesamtwerk des
systemischen Denkens.
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